Der Krypto-Sektor hat sich in den letzten zehn Jahren von einer Nischenerscheinung zu einem Milliardenmarkt entwickelt, der Millionen von Investoren weltweit anzieht. Doch diese rasante Entwicklung bringt nicht nur Chancen, sondern auch erhebliche Risiken mit sich. Insbesondere bei neu eingeführten Kryptowährungen – sogenannten Tokens – ist Vorsicht geboten. Laut einer umfassenden Analyse des Blockchain-Analyseunternehmens Chainalysis ist etwa ein Viertel aller neu eingeführten Token, die überhaupt einen Wert erzielen, betrügerischer Natur. Diese neuen digitalen Werte werden häufig in sogenannten „Pump-and-Dump“-Schemata missbraucht, um ahnungslose Käufer innerhalb weniger Tage zu täuschen und finanziell zu schädigen.
Wer sich heute im Krypto-Markt bewegt, sollte diese alarmierende Entwicklung verstehen und entsprechend umsichtig agieren. Der Begriff „Pump-and-Dump“ beschreibt eine manipulative Taktik, bei der Betrüger den Preis eines Vermögenswerts durch gezielte und übertriebene Werbung („Pump“) künstlich in die Höhe treiben. Anschließend verkaufen sie ihre Bestände schnell und großzügig zu den aufgeblähten Preisen („Dump“), was zu einem abrupten Wertverfall führt, während spät eingestiegene Käufer das Nachsehen haben. Im traditionellen Finanzsektor ist diese Masche aus Wertpapiermanipulation bekannt, doch im Krypto-Bereich sind die Mechanismen durch die hohe Anzahl an unregulierten Token und dezentrale Handelsplattformen noch schwerer zu kontrollieren. Chainalysis konzentrierte sich in seiner Studie explizit auf neue Token, die von ihren Schöpfern selbst für betrügerische Zwecke entwickelt wurden, im Gegensatz zu Währungen, die erst nach dem Verlust an Wert manipuliert werden.
Von über einer Million Token, die im Jahr 2022 kreiert wurden, wurden weniger als 10.000 überhaupt von Investoren gekauft – das bedeutet, die allermeisten Tokens erreichen keinerlei Marktwert. Von diesen wenigen handelbaren Token haben allerdings 24 Prozent die typischen Eigenschaften eines Pump-and-Dump-Betrugs aufgewiesen, bei dem die Wertsteigerung nur kurz anhält und der Preis unmittelbar danach rapide fällt. Diese Zahlen zeigen, wie tief das Problem im Kern der Kryptoökonomie verankert ist. Die Schöpfer dieser Tokens begehen dabei nicht selten systematisch Betrug und wiederholen ihre betrügerischen Handlungen immer wieder.
Chainalysis konnte in der Blockchain-Analyse feststellen, dass mindestens 445 Akteure im Jahr 2022 mehrfach, teilweise sogar über zehnmal, solche betrügerischen Schemen umsetzten. Besonders auffällig ist dabei ein einzelner Akteur, der laut Bericht allein 264 Pump-and-Dump-Betrügereien innerhalb eines Jahres durchführte. Obwohl die individuellen Gewinne dieser Betrüger vergleichsweise niedrig erscheinen – die Studie spricht von durchschnittlich etwa 3.000 US-Dollar pro Betrug – summieren sich die Verluste für die Opfer so auf rund 30 Millionen US-Dollar für das Jahr 2022. Das mag vor dem Gesamtvolumen der Krypto-Scam-Einnahmen von fast 6 Milliarden US-Dollar gering wirken, doch verdeutlicht es die breite Durchsetzungskraft dieser kurzfristigen Token-Betrügereien.
Für die Täter ist das Risiko gering, die Umsetzung simpel, und die Gewinne sind ausreichend, um den Betrug zu einem attraktiven Geschäftsmodell zu machen, vor allem in Regionen, in denen 3.000 US-Dollar einen erheblichen Wert darstellen. Eine der Herausforderungen bei der Bekämpfung dieses Problems ist die Anonymität und Dezentralisierung der Krypto-Ökonomie. Obwohl viele der betrügerischen Token auf dezentralen Börsen gehandelt werden, sind die beteiligten Wallets und Transaktionen in der Blockchain öffentlich und nachvollziehbar. Dies erlaubt spezialisierten Firmen wie Chainalysis, verdächtige Aktivitäten zu identifizieren und Rückschlüsse auf die dahinterstehenden Personen oder Organisationen zu ziehen.
Dennoch bleibt die tatsächliche Ermittlung und Rechtsdurchsetzung aufgrund von internationalen Jurisdiktionen und fehlenden Regulierungen aufwendig. In einigen Fällen gelingt es den Ermittlungsbehörden doch, die Gelder auf zentralen Krypto-Börsen zu lokalisieren, die Know-Your-Customer-(KYC)-Regeln einhalten. Dies eröffnet Möglichkeiten für Strafverfolgungsbehörden, gegen die Betreiber der Betrugsnetzwerke vorzugehen und deren Identitäten offenzulegen. Angesichts der Häufigkeit und des Ausmaßes der Betrugsfälle könnten in Zukunft vermehrt rechtliche Maßnahmen ergriffen werden, um diese Praktiken einzudämmen. Für Investoren ist die Erkenntnis zu einer der wichtigsten Lektionen im Umgang mit Kryptowährungen geworden: Nicht jeder neue Token ist eine Investition wert.
Grundlegende Due-Diligence-Prüfungen, das Verständnis der Projekte hinter den Tokens und die Nutzung von Scanning-Tools, die typische Merkmale von betrügerischem Code erkennen können, sind essenziell. Risiken lassen sich durch Investitionen in etablierte Kryptowährungen mit Transparenz und nachgewiesener Stabilität verringern, während das blinde Folgen von Hypes oftmals in Verlusten endet. Neben technologischen Hilfsmitteln trägt auch die Sensibilisierung der Community eine wichtige Rolle. Öffentliche Berichte wie die von Chainalysis erhöhen das Bewusstsein für die Problematik und stärken das Misstrauen gegenüber zu schön klingenden Angeboten ohne greifbaren Mehrwert. Zudem fördern sie den Dialog zwischen Entwicklern, Investoren und Regulierungsbehörden, um Standards für mehr Sicherheit und Vertrauen im Kryptobereich zu setzen.
Kryptowährungen faszinieren durch ihr Innovationspotenzial und ihre Möglichkeiten zur Demokratisierung von Finanzsystemen. Doch Anleger müssen bei neuen Token äußerst vorsichtig sein, denn der Markt ist übersät mit kurzlebigen Betrugsversuchen, die in Sekundenschnelle erhebliche Verluste verursachen können. Die Erkenntnisse von Chainalysis bestätigen, dass die Mehrheit der erfolgversprechenden Token von vornherein den Zweck verfolgt, Investoren zu täuschen. Das unterstreicht die Notwendigkeit, stets wachsam zu bleiben und bewährte Strategien zur Risikominderung anzuwenden. Abschließend zeigt die Krypto-Welt ein zweischneidiges Bild: Während innovative Technologien und legitime Projekte neue Möglichkeiten bieten, sind die damit verbundenen Risiken durch skrupellose Akteure keineswegs zu unterschätzen.
Investoren sollten sich dieser Dynamiken bewusst sein, fundierte Recherchen vornehmen und vor allem nicht auf den schnellen Gewinn durch fragwürdige Token setzen. Eine informierte Entscheidung ist die beste Absicherung gegen die weitverbreiteten Betrugsversuche im heutigen Kryptomarkt.