Die Frage, warum einige Ländernamen im Deutschen oder Englischen mit dem bestimmten Artikel versehen werden, ist weit verbreitet und führt oft zu Verwirrung, insbesondere wenn es um Länder wie die Ukraine geht. Während viele Staaten ohne Artikel genannt werden („Deutschland“, „Frankreich“ oder „Spanien“), hört man durchaus „die Ukraine“, „die Bahamas“ oder „der Sudan“. Doch woher stammt diese sprachliche Besonderheit und warum wird gerade bei manchen Ländern der Artikel benutzt? Dazu gibt es sowohl sprachhistorische als auch politische Gründe, die betrachtet werden müssen. Das Beispiel Ukraine ist hierbei besonders interessant, weil es zeigt, wie eng Sprache, Identität und politische Entwicklungen verknüpft sein können. Bis zum Jahr 1991 war die Ukraine eine Teilrepublik der Sowjetunion, bekannt als die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik.
In dieser Zeit wurde das Land im Englischen häufig mit dem bestimmten Artikel – „the Ukraine“ – bezeichnet. Diese Form war in vielerlei Hinsicht problematisch, was nach der Unabhängigkeit zu einer bewussten Änderung führte. Die Wortherkunft von „Ukraine“ spielt dabei eine wichtige Rolle. Das Wort wird in der Regel mit „Grenzland“ oder „Randgebiet“ übersetzt. Wer also im Englischen „the Ukraine“ sagt, bezeichnet es wortwörtlich als „das Grenzland“.
Für viele Ukrainer war dieser Begriff mit der Zeit negativ besetzt, da er eine Unterordnung oder Randexistenz signalisierte, unter anderem im Verhältnis zu Russland. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entschieden sich daher viele Ukrainischsprachige bewusst gegen die Verwendung des Artikels. Seither wird Ukraine sowohl im Englischen als auch im Deutschen ohne Artikel verwendet, um die Eigenständigkeit und volle Souveränität des Landes hervorzuheben. Die politische Dimension der Artikelverwendung wird auch von offiziellen Stellen der Ukraine unterstrichen. So weisen diplomatische Vertretungen darauf hin, dass die korrekte Bezeichnung einfach „Ukraine“ lautet – ganz ohne Artikel.
Dies entspricht sowohl der Verfassung des Landes als auch der offiziellen ukrainischen Namensform, wie sie in internationalen Institutionen verwendet wird. Im Deutschen ist die Verwendung von Artikeln bei Ländernamen schwieriger zu „regeln“, denn die sprachlichen Gewohnheiten und historischen Traditionen wirken stark weiter. Einige Ländernamen stehen für geografische Regionen, die früher nur Gebiete und keine souveränen Staaten waren. Das betrifft zum Beispiel „die Niederlande“, deren Name sich aus dem Begriff für „tiefliegende Länder“ ableitet. Auch hier ist der Artikel ein Relikt aus alter Benennungstradition, die in der modernen Staatsbezeichnung weiterlebt.
Ein weiterer Grund für Artikel vor Ländernamen sind die geografischen Bezeichnungen, die aus Mehrzahlformen oder Mehrzahlgebieten bestehen. Inselgruppen wie „die Bahamas“ oder Länder wie „die Philippinen“ erfordern häufig einen Artikel, da es sich um eine Vielzahl von Inseln oder Einheiten handelt, deren Name eher eine geografische Einheit als eine einzelne Fläche beschreibt. Darüber hinaus gibt es Länder, die mit dem bestimmten Artikel bezeichnet werden, weil ihre offiziellen Namen zusammengesetzt sind, wie etwa „die Vereinigten Staaten von Amerika“ oder „das Vereinigte Königreich“. In der Kurzform wird im Deutschen daher oft „die USA“ oder „das Vereinigte Königreich“ statt „USA“ oder „Vereinigtes Königreich“ verwendet, wobei sich der Artikel hier auch aus der grammatikalischen Struktur ergibt. Im englischen Sprachraum nimmt die Verwendung des Artikels bei Ländernamen ebenfalls eine besondere Stellung ein.
Dort gibt es historisch bedingte Formen, die teils regional unterschiedlich sind. So wird „the Congo“ noch relativ häufig verwendet, da sich der Name vom Fluss Kongo ableitet, doch der Trend geht auch hier zur Nutzung des Namens ohne Artikel. Genau wie im Deutschen lassen sich alte Sprachgewohnheiten beobachten, die geografische Merkmale wie Flüsse, Gebirge oder Meerengen betreffen und die als Namensursprung dienen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen zeigen einige der renommiertesten internationalen Quellen wie das CIA World Factbook oder das Times Atlas of the World klare Vorgaben, welche Ländernamen offiziell mit Artikel geführt werden sollten. Diese Liste ist jedoch kurz und offiziell gibt es weltweit kaum mehr Länder, die immer mit Artikel genannt werden.
Die Bahamas und Gambia sind hier Ausnahmen, ihre vollständigen offiziellen Namen lauten The Commonwealth of the Bahamas beziehungsweise The Republic of the Gambia. Die veränderte Wahrnehmung und Artikellose Benennung der Ukraine markiert eine Art sprachliche Unabhängigkeit. Sprache hat eine enorme symbolische Kraft, gerade wenn es um nationale Identität geht. Für die Ukrainer ist der Wegfall des Artikels ein Ausdruck ihrer Eigenständigkeit und der vollzogenen politischen Souveränität seit 1991. Die meisten englischsprachigen Medien halten sich mittlerweile daran, während die Form „the Ukraine“ älter und meist nur noch in historischen oder ungenauen Kontexten verwendet wird.
Doch fällt auf, dass gerade im Deutschen „die Ukraine“ nach wie vor sehr gebräuchlich ist. Das liegt natürlich auch daran, dass das Deutsche als Sprache den Gebrauch von Artikeln vor Ländernamen ganz anders handhabt als das Englische. Oft geht es dabei um grammatikalische Traditionen und die Wahrnehmung des Landes als geografische Einheit oder zusammengesetzter Begriff. Sprachwissenschaftler weisen darauf hin, dass Artikel vor geografischen Namen im Deutschen durchaus etabliert sind und nicht unbedingt eine politische Dimension haben müssen. Eine weitere interessante Facette ist, dass in historischen Kontexten Artikel sogar eine Bedeutung hinsichtlich der territorialen Zugehörigkeit vermitteln können.
Sie können anzeigen, dass ein Land einst kein souveräner Staat war oder als Teil eines größeren Gebietes gesehen wurde. Im Falle der Ukraine ist der Winkel der „Grenzland“-Bedeutung sicher ein starker Faktor, der in der Vergangenheit bewusst oder unbewusst mit dem Artikel assoziiert wurde. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verwendung des bestimmten Artikels vor Ländernamen ein komplexes Zusammenspiel aus Geschichte, Sprache, Geografie und politischer Symbolik darstellt. Für einige Länder hat sich die Verwendung im Laufe der Zeit geändert, nicht zuletzt aufgrund von politischen Verschiebungen und der Forderung nach Anerkennung der nationalen Identität. Gleichzeitig zeigen manche Beispiele, dass Sprachgewohnheiten tief verwurzelt und oft unlogisch erscheinen, aber dennoch Bestand haben.