Südkorea steht an einem entscheidenden Wendepunkt, was seine wirtschaftliche Zukunft betrifft. Das Land, bekannt für seine dynamische Technologiebranche und mächtigen Großkonzerne, wird von einem Phänomen geplagt, das als „Korea Discount“ bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um eine systematische Unterbewertung südkoreanischer Unternehmen im Vergleich zu globalen Wettbewerbern. Dieses Thema ist nicht nur eine wirtschaftliche Herausforderung, sondern hat auch wesentliche politische Dimensionen angenommen. Im Mittelpunkt dieser Debatte steht Lee Jae-myung, der führende Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei, der sich vehement für die Abschaffung des Korea Discounts einsetzt und umfassende Reformen im Unternehmensrecht verspricht.
Der „Korea Discount“ beschreibt die Kluft zwischen dem wahren Wert südkoreanischer börsennotierter Unternehmen und ihrer niedrigeren Bewertung an internationalen Märkten. Diese Diskrepanz entsteht durch verschiedene Faktoren, darunter die dominante Rolle von Familienkonglomeraten, bekannt als Chaebols, die oftmals ihre eigenen Interessen über die der Minderheitsaktionäre stellen. Diese wirtschaftlichen Giganten, zu denen Unternehmen wie Samsung, Hyundai und LG gehören, prägen nicht nur die südkoreanische Wirtschaft maßgeblich, sondern beeinflussen auch stark die Unternehmensführung und Investitionsentscheidungen. Insbesondere die mangelnde Transparenz und die eingeschränkte Mitsprache der Minderheitsaktionäre führen dazu, dass internationale Investoren vorsichtig sind und die Bewertungen dieser Unternehmen unter denen vergleichbarer globaler Konzerne liegen. Lee Jae-myung hat erkannt, dass dieser Zustand Südkorea wirtschaftlich schwächt und die globale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigt.
Im Frühjahr 2025 kündigte er daher an, die südkoreanischen Unternehmensgesetze reformieren zu wollen, um die Rechte der Minderheitsaktionäre zu stärken und die Unternehmensführung auf eine transparentere und verantwortungsvollere Basis zu stellen. Ein Kernpunkt dieser Initiative ist die geplante Novellierung des Handelsgesetzes, das die Pflichten der Vorstandsmitglieder dahingehend erweitert, dass sie explizit auch die Interessen der Minderheitsaktionäre schützen müssen. Diese Reform soll verhindern, dass finanzielle Entscheidungen einseitig zugunsten der herrschenden Familien getroffen werden und stattdessen eine faire Beteiligung aller Aktionäre sicherstellen. Die südkoreanische Nationalversammlung, die von der liberalen Demokratischen Partei kontrolliert wird, hatte bereits im März 2025 entsprechende Gesetzesänderungen verabschiedet. Diese waren Teil eines umfassenden Pakets zur Verbesserung der Corporate Governance und zur Bekämpfung von Korruption sowie Missbrauch innerhalb der Chaebols.
Allerdings wurde das Gesetz von dem amtierenden Präsidenten Han Duck-soo zurückgewiesen. Er begründete sein Veto damit, dass die neuen Vorschriften die Entscheidungsfreiheit des Managements übermäßig einschränken und die Unternehmensführung verwirren könnten. Dieses politische Tauziehen verdeutlicht, wie komplex und umstritten die Reformbemühungen sind, und macht deutlich, dass die Abschaffung des Korea Discounts nicht nur eine rein wirtschaftliche, sondern auch eine hochpolitische Frage ist. Internationale Investoren beobachten diese Entwicklungen mit großem Interesse. Südkorea gehört zu den wichtigsten Volkswirtschaften Asiens und hat sich als Technologie- und Exportweltmeister einen Namen gemacht.
Dennoch führen Unsicherheiten in der Unternehmensführung und die starren Strukturen der Chaebols dazu, dass viele ausländische Anleger ihr Kapital zurückhalten oder auf andere Märkte fokussieren. Sollte es gelingen, das Handelsgesetz zu reformieren und eine fairere Unternehmensführung durchzusetzen, könnte dies eine stärkere Kapitalzufuhr aus dem Ausland ermöglichen und die südkoreanischen Aktienmärkte beleben. Die Debatte um den Korea Discount reflektiert außerdem die Herausforderungen, vor denen moderne Industriegesellschaften stehen, wenn wirtschaftliche Macht stark in den Händen weniger Familien oder Gruppen konzentriert ist. Die Dynamik zwischen traditionellen Machtstrukturen und modernen Ansprüchen an Transparenz, Demokratie und fairen Wettbewerb wird auch in Südkorea intensiv diskutiert. Lee Jae-myungs Ansatz signalisiert den Wunsch nach einem Wandel, der nicht nur das Wirtschaftsmodell, sondern auch die politische Kultur des Landes beeinflussen könnte.
Er sieht das Thema als Schlüssel zur Schaffung eines nachhaltigen und inklusiven Wachstums. Blickt man auf die historische Entwicklung, so haben die Südkoreanischen Chaebols seit der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs in den 1960er und 1970er Jahren eine zentrale Rolle gespielt. Sie waren maßgeblich für den rapiden Fortschritt und für die Integration des Landes in die globale Wirtschaft verantwortlich. Doch mit zunehmender Größe und Macht entstanden auch immer mehr Probleme bezüglich Kontrollmechanismen, Interessenskonflikte und Intransparenz. Die Öffentlichkeit und politische Kräfte fordern daher seit Jahren eine Reform der Unternehmensführung.
Die jüngste politische Initiative führt diese Forderungen nun auf die höchste politische Ebene, indem sie im Rahmen der Präsidentschaftswahl thematisiert wird. Lee Jae-myungs Vorstoß könnte auch als Signal an andere asiatische Länder verstanden werden, die ähnliche Herausforderungen hinsichtlich Unternehmensführung und Kapitalmarktzugang haben. In einem globalisierten Wirtschaftssystem ist es essenziell, Vertrauen bei internationalen Investoren zu schaffen, und dies gelingt nur durch glaubwürdige Reformen und eine transparente Unternehmenspolitik. Der Korea Discount wird folglich nicht nur in Südkorea selbst, sondern auch in internationalen Fachkreisen als ein Symptom struktureller Schwächen angesehen, die behoben werden müssen, um nachhaltiges Wachstum zu fördern. Neben den politischen und wirtschaftlichen Implikationen hat das Thema auch gesellschaftliche Relevanz.
Die Konzentration wirtschaftlicher Macht in wenigen Händen wird in Südkorea von vielen als soziales Ungleichgewicht wahrgenommen, das zum Teil zu Unzufriedenheit und Protesten geführt hat. Diese Stimmung spiegelt sich auch im Wahlkampf wider und erhöht den Druck auf die Regierung, Maßnahmen zur Demokratisierung der Unternehmensführung zu ergreifen. Ein Erfolg in dieser Hinsicht kann positive Effekte auf die soziale Kohäsion und das Vertrauen in staatliche Institutionen haben. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Südkorea vor der Herausforderung steht, traditionelle Wirtschaftsstrukturen zu reformieren und langfristig die Attraktivität seiner Unternehmen für globale Investoren zu steigern. Lee Jae-myung, als führender Kandidat der Demokratischen Partei, hat angekündigt, diesen Weg mit Nachdruck verfolgen zu wollen.
Seine geplanten Gesetzesinitiativen zur Stärkung der Minderheitsaktionäre und zur Verbesserung der Corporate Governance könnten die Voraussetzung schaffen, um den Korea Discount zu beseitigen und Südkoreas Unternehmen in eine wettbewerbsfähige Zukunft zu führen. Die anstehende Präsidentschaftswahl im Juni 2025 wird dabei eine wegweisende Rolle spielen, da die politische Entscheidung über diese Reformen maßgeblich über den eingeschlagenen Kurs entscheiden wird. Die internationale Finanzwelt blickt daher gespannt auf Südkorea und die Möglichkeiten, die sich durch einen Prozess der Öffnung und Transparenz ergeben könnten.