Der Quastenflosser zählt zu den faszinierendsten und evolutionär bedeutendsten Meereswirbeltieren der Welt. Bis heute sind lediglich zwei Arten dieses sogenannten lebenden Fossils weltweit bekannt: der Westindische Ozean-Quastenflosser (Latimeria chalumnae), der vor der Küste Afrikas im Mosambik-Kanal vorkommt, und der Sulawesi-Quastenflosser (Latimeria menadoensis), der in der Gegend um Sulawesi und West-Neuguinea, Indonesien, beheimatet ist. Während über den afrikanischen Verwandten vergleichsweise umfangreiche Forschungen vorliegen, ist über die indonesische Art deutlich weniger bekannt. Die Schwierigkeiten, die tiefen Riffe zu erreichen, in denen die Tiere leben, erschweren die Forschung erheblich. Bisherige direkte Beobachtungen erfolgten hauptsächlich mit Hilfe von Tauchrobotern und U-Booten – eine direkte Begegnung durch Taucher war bis vor Kurzem nicht dokumentiert.
Doch nun markiert eine Sensation in Nord-Maluku, Indonesien, einen bedeutenden Durchbruch: Erstmals wurde ein lebendes Exemplar des Sulawesi-Quastenflossers in dieser Region von Tauchern in seinem natürlichen Lebensraum gesichtet und fotografisch festgehalten. Damit erweitert sich das geographische Verbreitungsgebiet dieser urzeitlichen Spezies erheblich, was weitreichende Bedeutung für ihre Biogeographie und ihren Schutz hat. Die faszinierende Begegnung erfolgte bei technischen Tauchgängen an steilen vulkanischen Abhängen in Tiefen von über 150 Metern. Die Tauchenden stießen auf ein Gebiet mit komplexer topographischer Beschaffenheit, geprägt von zahlreichen großen Spalten, Überhängen und Felshöhlen, das ideale Versteckmöglichkeiten für Coelacanths bietet. Die Wassertemperatur lag dort konstant unter 21 Grad Celsius, was mit Berichten aus bereits bekannten Lebensgebieten der Quastenflosser übereinstimmt.
Sichtweiten von über 30 Metern boten optimale Bedingungen, um den Lebensraum dieser verborgenen Art eingehend zu erforschen. Es dauerte nicht lange, bis in einer Tiefe von 144 Metern ein etwa 1,1 Meter langer Quastenflosser entdeckt wurde, der sanft über einen mit Schwämmen und Korallen bewachsenen Felsen schwebte. Bemerkenswert war, dass sich das Tier bei Tageslicht offen und nicht wie lange angenommen in einer Höhle aufhielt. Diese Beobachtung widerlegt zumindest teilweise die bisherige Annahme, Quastenflosser versteckten sich tagsüber ausschließlich in Höhlen oder unter Überhängen, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Das Umschwimmen eines einzelnen Felsblocks unter Einsatz der Flossen zur Positionierung und Fortbewegung deutet auf ein aktives, aber vorsichtiges Verhalten hin.
Zudem war die erste Rückenflosse des Tieres aufgerichtet, ein Verhalten, das vermutlich entweder mit einem aktiven Zustand oder einer Art Abwehrmechanismus zusammenhängt. Die Tatsache, dass die Flossen unabhängig voneinander bewegt wurden, unterstreicht die Komplexität der Fortbewegung dieser alten Fischart und gibt wertvolle Hinweise auf ihre Lebensweise. Erstaunlicherweise wurde das gleiche Individuum am Folgetag erneut am fast identischen Standort beobachtet. Mittels der charakteristischen weißen Fleckenmuster auf der Körperseite, die bei jedem Quastenflosser einzigartig sind, konnte bestätigt werden, dass es sich um dasselbe Tier handelte. Diese zweite Begegnung ermöglichte weitere Einblicke in das Verhalten und die Habitatwahl der Spezies.
Das wiederholte Auftreten an einem gleichen Tauchplatz lässt zudem auf eine dauerhafte Präsenz möglicherweise einer lokalen Population in Nord-Maluku schließen, auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt keine verlässlichen Rückschlüsse auf die Populationsgröße gezogen werden können. Der Sulawesi-Quastenflosser wurde erst Ende des 20. Jahrhunderts entdeckt und unterscheidet sich genetisch und morphologisch vom bekannteren afrikanischen Verwandten. Die Art wurde 1997 erstmals anhand von Exemplaren identifiziert, die auf Fischmärkten in Manado, Nord-Sulawesi, auftauchten. Seither führten Wissenschaftler Tauch- und Beobachtungsmissionen mit unbemannten Unterwasserfahrzeugen durch, die jedoch oft nur punktuelle Daten lieferten.
Die aktuelle Entdeckung in Nord-Maluku zeigt, dass ein viel größeres Verbreitungsgebiet besteht als bislang angenommen, und eröffnet neue Möglichkeiten für zukünftige Studien zur Ökologie und Evolution dieser stark gefährdeten Art. Quastenflosser zeichnen sich durch eine Reihe spezieller biologischer Merkmale aus, die sie besonders sensibel gegenüber äußeren Einflüssen machen. Sie sind langlebig, erreichen erst spät die Geschlechtsreife und haben eine lange Tragzeit. Ihr niedriger Stoffwechsel macht sie anfällig gegenüber Störungen wie Umweltveränderungen, Fischerei oder immer mehr aufkommendem Tourismus im tiefen Meeresbereich. Aus diesen Gründen sind bestandsorientierte und nachhaltige Schutzmaßnahmen dringend erforderlich, um ihre Lebensräume zu bewahren.
Besonders in Indonesien, einem Biodiversitätshotspot mit enormer mariner Vielfalt, bedarf es einer gezielten Gesetzgebung und effektiven Schutzgebieten, um die Artenvielfalt tiefen Korallenriffes langfristig zu sichern. Die durch technisches Tauchen ermöglichten, nicht-invasiven Forschungsmöglichkeiten eröffnen neue Wege für den Schutz der Quastenflosser. Wissenschaftler können hautnahe Beobachtungen und hochauflösende Bilddokumentationen anfertigen, ohne die Tiere zu stressen oder zu fangen. Mittelfristig könnten etwa DNA-Proben von lebenden Exemplaren entnommen werden, um genetische Studien durchzuführen, ohne dem Tier zu schaden. Solche Ansätze sind entscheidend, um die Verbreitung, die genetische Diversität und die Populationsgröße besser zu verstehen.
Dieses Wissen ist unverzichtbar, um wirksame Schutzpläne zu entwickeln und umzusetzen. Neben den wissenschaftlichen Aspekten ist die Entdeckung auch ein wichtiges Signal für den regionalen Naturschutz. Die Meeresgebiete um Nord-Maluku zeichnen sich durch eine außergewöhnliche Endemikrate und eine hohe Vielfalt an Meereslebewesen aus. Die Bestätigung, dass hier Quastenflosser leben, unterstreicht die Bedeutung der Region als hotspot biologischer Vielfalt und als potenzielles Refugium für seltene und bedrohte Arten. Dies liefert auch starke Argumente für die Einrichtung von Meeresschutzgebieten und die Regulierung menschlicher Aktivitäten wie Fischerei und den aufkommenden Coelacanth-Tourismus, der ohne klare Regeln eine Bedrohung darstellen kann.
Die Geschichte der Quastenflosser im Kontext der Evolutionsbiologie ist ebenso bemerkenswert wie ihre aktuelle Entdeckung. Als sogenannte „lebende Fossilien“ haben sie sich über Hunderte von Millionen Jahren kaum verändert und stellen eine Brücke zu den ersten Wirbeltieren dar, die begannen, an Land zu leben. Die neue Beobachtung in Nord-Maluku erweitert unser Verständnis ihrer Verbreitung und zeigt, dass sich trotz jahrzehntelanger Forschung immer noch Überraschungen im Ozean verbergen. Dies ermutigt Wissenschaftler, auch andere abgelegene oder bisher wenig erforschte Regionen unter besonderer Berücksichtigung der vielfältigen und empfindlichen Unterwasserhabitate zu untersuchen. Während neue Technologien die Erforschung der Tiefsee und entlegener Riffe erleichtern, ist der Schutz der Lebensräume ebenso entscheidend.
Indonesien mit seinen reichhaltigen Korallenriffen steht vor großen Herausforderungen durch Klimawandel, Habitatzerstörung und Überfischung. Der Erhalt von Arten wie dem Quastenflosser ist nicht nur ein Beitrag zum Biodiversitätsschutz, sondern hat auch einen kulturellen und wissenschaftlichen Wert, der das globale Bewusstsein für die Fragilität und Einzigartigkeit des marinen Ökosystems stärkt. Zukünftige Forschungen werden darauf abzielen, die Zahl und Verteilung der Coelacanthen in Nord-Maluku und angrenzenden Gebieten besser zu erfassen. Wissenschaftler wollen außerdem das Verhalten und eventuelle saisonale Wanderungen genauer untersuchen, um die ökologischen Bedürfnisse der Spezies besser zu verstehen. Mit diesen Daten lassen sich Schutzmaßnahmen passgenau entwickeln und eine nachhaltige Koexistenz zwischen menschlichen Aktivitäten und der Meeresfauna ermöglichen.
Zusammenarbeit zwischen lokalen Gemeinden, Forschungseinrichtungen und Regierung ist hierbei von zentraler Bedeutung. Die erstmalige Sichtung eines lebenden Quastenflossers durch Taucher in Nord-Maluku setzt neue Maßstäbe in der Meeresforschung Indonesiens. Sie zeigt, wie hartnäckige Forschung und moderner technischer Tauchbetrieb erfolgreich zum Schutz einer der letzten lebenden Urzeitarten beitragen können. Gleichzeitig ruft sie zum Handeln auf, um die kostbaren und gefährdeten Ökosysteme der Tiefe vor weiterer Zerstörung zu bewahren und das Erbe dieser einzigartigen Spezies für kommende Generationen zu sichern.