Die Welt der Kryptowährungen wird zunehmend als zweischneidiges Schwert wahrgenommen. Während sie Innovation, Finanzfreiheit und neue Geschäftsmodelle ermöglicht, zieht sie auch kriminelle Aktivitäten und Betrugsnetzwerke an, die das Vertrauen in die gesamte Branche unterminieren können. Ein besonders aufsehenerregendes Beispiel ist das sogenannte Xinbi Guarantee, ein Unternehmen, das in Colorado, USA, eingetragen ist und gleichzeitig als Drehscheibe für einen der größten illegalen Krypto-Marktplätze der Welt fungiert. Dieses Netzwerk hat in den letzten Jahren insgesamt rund 8,4 Milliarden US-Dollar, vor allem in Form von Stablecoins, durch Geldwäsche und Betrugsvorgänge in Südostasien kanalisiert, wie Berichte der Blockchain-Sicherheitsfirma Elliptic enthüllen. Xinbi Guarantee präsentiert sich auf seiner eigenen Webseite als „Investment- und Kapitalgarantieunternehmen“ und gibt an, seinen Sitz in Colorado zu haben.
Allerdings zeigt eine tiefgreifende Untersuchung, dass dieser Firmenmantel als Deckmantel für Aktivitäten dient, die weit entfernt von legalem Geschäftsgebaren sind. Die Plattform agiert vor allem auf Telegram, einer bei Kriminellen beliebten Kommunikationsplattform, und richtet sich primär an ein chinesischsprachiges Publikum in Südostasien. Auf diesem Marktplatz werden Technologie, gestohlene persönliche Daten, Geldwäsche-Dienstleistungen sowie gefälschte Dokumente zum Verkauf angeboten – alles Mittel und Werkzeuge, die zur Durchführung hochkomplexer Betrugsfälle, insbesondere sogenannter „Schweineschlachtungs“-Scams, genutzt werden. Diese Betrugsmasche basiert darauf, dass Opfer über einen längeren Zeitraum emotional und finanziell manipuliert werden, bis sie bereit sind, große Geldsummen in betrügerische Investitionen zu stecken. Xinbi fungiert dabei nicht nur als Marktplatz, sondern auch als dreh- und Angelpunkt für Transaktionen, die in einem Ausmaß stattfinden, das seinesgleichen sucht.
Elliptic dokumentierte, dass die Plattform im vierten Quartal 2024 allein Transaktionen von über einer Milliarde US-Dollar registrierte. Dabei dienen hauptsächlich Stablecoins wie Tether (USDT) als Zahlungsmittel, was aufgrund ihrer Stabilität und schnellen Übertragbarkeit in illegalen Kreisen bevorzugt wird. Ein weiterer Aspekt, der die Bedeutung von Xinbi im illegalen Krypto-Ökosystem hervorhebt, ist die Struktur und das Modell, das das Unternehmen verwendet. Es operiert nach einem „Garantiemodell“, bei dem Verkäufer auf der Plattform eine Einlage hinterlegen müssen, um Betrug innerhalb der Gemeinschaft zu verhindern. Dies zeigt eine gut organisierte, ja fast schon professionelle Ausgestaltung eines Schwarzmarktes, der gleichzeitig eine große Nutzerbasis von über 230.
000 Menschen vorweisen kann. Diese hohe Anzahl an aktiven Teilnehmern unterstreicht, wie tief das Netzwerk inzwischen verwurzelt ist und welchen Einfluss es auf die weltweiten Geldflüsse im Kryptobereich hat. Darüber hinaus lässt sich eine Verknüpfung zu weiteren kriminellen Akteuren herstellen, darunter auch nordkoreanische Hackergruppen, die oft für die Durchführung staatlich unterstützter Cyberkriminalität bekannt sind. Diese übernehmen gestohlene Gelder, die anschließend durch Xinbi gewaschen und in den regulären Finanzkreislauf zurückgeführt werden. Die Verflechtung solcher mächtiger und gut organisierter Gruppen signalisiert ein hohes Gefahrenpotenzial und erschwert die Ermittlungen entscheidend.
Der Umstand, dass Xinbi in Colorado registriert ist, wirft Fragen bezüglich der internationalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Cyberkriminalität auf. Die Eintragung einer derartigen Firma in den USA zeigt, wie geschickte Akteure bestehende rechtliche Schlupflöcher und die Komplexität multinationaler Firmenregulierungen für ihre Zwecke ausnutzen. Allerdings geriet Xinbi im Januar 2025 in Colorado in den Status eines „Delinquent“, da das Unternehmen keine regelmäßigen Berichte mehr einreichte – ein Zeichen dafür, dass Behörden zumindest teilweise aufmerksam geworden sind und gegen die Firma vorgehen könnten. Der Fall Xinbi reiht sich ein in die Reihe weiterer großer chinesischsprachiger Telegram-Marktplätze, zu denen auch Huione Guarantee gehört. Letzteres wurde bereits im Juli 2024 von Elliptic aufgedeckt und zeichnet sich durch Transaktionsvolumen von über 98 Milliarden US-Dollar aus.
Die US-Regierung reagierte darauf mit Sanktionen, unter anderem durch die Abkopplung von Huione vom US-Bankensystem. Solche Maßnahmen zeigen, dass Institutionen weltweit sich zunehmend der Bedrohung durch solche Netzwerke bewusst werden und versuchen, diese einzudämmen. Die Existenz von Xinbi und ähnlichen Marktplätzen bietet gleichzeitig einen seltenen Einblick in das sogenannte „underground banking“ oder „Untergrundbankensystem“ mit Ursprung in China. Dieses System nutzt Stablecoins und andere digitale Zahlungsmittel, um Geldflüsse zu verschleiern und Geldwäsche zu betreiben. Da die Kryptowährungsindustrie weiterhin von regulatorischen Grauzonen und technologischen Herausforderungen geprägt ist, bleibt es eine große Herausforderung, effektive Kontrollmechanismen zu etablieren.
Aufklärung und Transparenz sind deshalb entscheidend, um den illegalen Strukturen das Geschäft zu erschweren. Blockchain-Analysefirmen wie Elliptic spielen hierbei eine Schlüsselrolle, indem sie verdächtige Transaktionen aufdecken, Muster analysieren und diese mit regulatorischen Behörden teilen. Die Identifikation von tausenden kryptografischen Adressen, die mit Xinbi in Verbindung stehen, ist dabei ein wesentlicher Schritt in Richtung Rückverfolgung und letztlich auch strafrechtlicher Verfolgung. Für Anleger, Nutzer und interessierte Beobachter der Kryptobranche ist der Fall Xinbi ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie die Grenzen zwischen legalem und illegalem Kryptohandel zunehmend verschwimmen können. Er unterstreicht die Wichtigkeit, Vorsicht walten zu lassen, gründlich zu recherchieren und nur bei seriösen Plattformen und Unternehmen zu investieren.
Ebenso müssen politische Entscheidungsträger und Regulatoren die Rahmenbedingungen an die Realität dynamischer und oft transnational operierender krimineller Netzwerke anpassen. Zusammenfassend zeigt die Geschichte von Xinbi, dass die Zukunft der Kryptoindustrie einerseits enormes Wachstum und Innovation verspricht, andererseits aber auch mit erheblichen Risiken verbunden ist. Die Identifikation und Bekämpfung von Fällen wie Xinbi ist ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigeren, transparenteren und sichereren digitalen Finanzwelt. Die Kooperation globaler Behörden, technologische Fortschritte im Bereich der Blockchain-Analyse und eine bewusstere Nutzerbasis können dazu beitragen, dass illegale Akteure nicht weiterhin Milliarden in diesem dynamischen Markt waschen und verbrennen. In einer Zeit, in der digitale Technologien unseren Alltag immer mehr durchdringen, ist die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit eine der großen Herausforderungen.
Der Fall Xinbi ist ein Weckruf, sich dieser Aufgabe entschlossen zu stellen und nicht nur die Chancen, sondern auch die Schattenseiten der Kryptowährungen ernst zu nehmen.