Am 7. Mai 2024 ging das Pectra Upgrade von Ethereum offiziell live und stellt damit den größten Fork seit dem historischen Merge im Jahr 2022 dar. Nach mehreren Verzögerungen aufgrund technischer Komplexität hat die Ethereum-Community nun eine neue Phase der Blockchain-Entwicklung erreicht, die vor allem durch umfangreiche Verbesserungen in den Bereichen Account-Abstraktion, Validator-Erfahrung und Skalierung gekennzeichnet ist. Das Upgrade ist eine Kombination aus zwei parallelen Entwicklungen, die als Prague und Electra bekannt sind und sich sowohl auf die Ausführungsebene (Execution Layer) als auch auf die Konsensebene (Consensus Layer) von Ethereum auswirken. Pectra umfasst insgesamt elf Ethereum Improvement Proposals (EIPs), die wesentliche Neuerungen und Optimierungen einführen.
Diese sind tiefgreifend und adressieren einige der zentralen Herausforderungen, mit denen Ethereum seit Jahren konfrontiert ist, besonders hinsichtlich Nutzerfreundlichkeit und Netzwerkperformance. Ein besonderes Augenmerk des Pectra Upgrades liegt auf dem Konzept der Account-Abstraktion, das durch EIP-7702 eingeführt wird. Im Kern bedeutet Account-Abstraktion, dass Wallets zukünftig durch Smart Contracts erweitert werden können, was es erlaubt, Funktionen zu implementieren, die über die klassische Adress- und Schlüsselverwaltung hinausgehen. Diese Neuerung soll die Nutzung von Ethereum deutlich vereinfachen und sicherer machen. Beispielsweise können jetzt sogenannte gesponserte Transaktionen ausgeführt werden, bei denen ein dritter Teilnehmer, etwa eine dezentrale Anwendung (dApp), die Gasgebühren des Nutzers übernimmt.
Dies senkt die Einstiegshürden für neue Nutzer erheblich, die sich bislang oft von den technischen Details der Gasgebühren abgeschreckt fühlten. Darüber hinaus werden Passkey-basierte Authentifizierungen und Transaktionsbündelungen möglich, was den Umgang mit Token erleichtert und mehrere Transaktionen zusammenfasst. Dieses Feature ist inspiriert von Lösungen, die bereits auf Netzwerken wie Solana erfolgreich im Einsatz sind. Ebenso lassen sich neue Sicherheitsmechanismen implementieren, etwa die Begrenzung der Token-Nutzung durch einzelne Anwendungen oder tagesbasierte Ausgabelimits. Gerade im Kontext der Dezentralisierung und Sicherheit stellt dies einen wichtigen Fortschritt dar, da Nutzer mehr Kontrolle und Transparenz über ihre Vermögenswerte erhalten.
Neben der Verbesserung der Wallets bringt das Upgrade bedeutende Anpassungen für Validatoren mit sich. Validatoren sind eine der zentralen Säulen des Proof-of-Stake Konsensmechanismus von Ethereum, der seit dem Merge die energieintensive Proof-of-Work Methode abgelöst hat. Mit EIP-7251 wird der maximale Einsatz pro Validator von 32 ETH auf bis zu 2048 ETH erhöht. Diese Erhöhung ermöglicht es großen Stakeholdern, weniger Validatoren zu betreiben und dennoch die gleiche Menge an ETH zu staken. Das hat nicht nur Kostenvorteile durch geringere Hardwareanforderungen, sondern reduziert auch die Netzwerklatenz, da eine geringere Anzahl von Validatoren schneller und effizienter agieren kann.
Die Konsequenz ist eine potenzielle Steigerung der Gesamteffizienz des Netzwerks, ohne den Grad der Dezentralisierung zu gefährden. Ergänzend dazu führt EIP-7002 sogenannte triggerbare Auszahlungen auf der Execution Layer ein, die es Validatoren erlauben, Auszahlungen über Ethereum Adressen vorzunehmen, ohne dass sie ihre aktiven Signaturschlüssel bemühen müssen. Diese Neuerung öffnet die Türen für vertrauenslose Staking-Pools und beseitigt Abhängigkeiten von Drittparteien beim Abheben von Belohnungen. Ferner wurde mit EIP-6110 eine lange bestehende Verzögerung zwischen Validator-Einzahlungen und deren Aufnahme in die Deposit-Queue drastisch verkürzt – von durchschnittlich neun Stunden auf nur noch ungefähr 13 Minuten. Diese Verbesserung sorgt für eine schnellere Reaktion des Netzwerks auf neue Staker und erhöht damit die Handlungskapazität des Netzwerks.
Ein weiterer wesentlicher Fokus des Pectra Upgrades ist die Skalierbarkeit von Ethereum, insbesondere im Hinblick auf Layer-2 Lösungen. Layer-2 Rollups entlasten die Ethereum Hauptkette, indem sie Transaktionen außerhalb der Kette bündeln und dann gebündelte Daten (sogenannte Blobs) auf der Mainnet-Kette speichern. Das Pectra Upgrade verdoppelt mit EIP-7691 die Blob-Durchsatzkapazität von drei auf sechs Blobs (bis zu neun während Spitzenlastzeiten). Das bedeutet, dass wesentlich mehr Daten auf Ethereum abgelegt werden können, wobei die Kosten für Layer-2 Nutzer deutlich sinken. Diese Entwicklung ist für die Skalierbarkeit von Ethereum enorm wichtig und kann die Layer-1 Gasgebühren für Layer-2 elektronische Anwendungen um das Zehn- bis Hundertfache reduzieren.
Der verbesserte Wirkungsgrad soll die Netzwerküberlastung verringern und Transaktionen beschleunigen, womit Ethereum für eine größere Anzahl von Nutzern und Anwendungen attraktiver wird. Parallel dazu hebt EIP-7623 die Gebühren für Calldata an, um Layer-2-Entwickler noch stärker zum Umstieg auf die Blob-basierte Speicherung zu animieren. Calldata stellt die unstrukturierten Daten dar, die an Transaktionen angehängt werden, und sind konventionell teurer im Vergleich zu Blobs. Somit fördert die Neuregelung das nachhaltige Wachstum der Skalierungstechnologie. Zudem schafft EIP-7840 mit einer Standardisierung der Blob-Schedulierung eine Grundlage für zukünftige Upgrades, die die Anzahl der Blobs weiter erhöhen.
So wird die Skalierungsinfrastruktur von Ethereum kontinuierlich ausgebaut und verbessert. Abseits der sichtbarsten Neuerungen beinhaltet Pectra auch mehrere wichtige Verbesserungen unter der Oberfläche. EIP-7685 optimiert die Kommunikation zwischen Execution und Consensus Layer, indem ein einheitliches Protokoll geschaffen wird, das künftige Upgrades besser kompatibel und leichter umzusetzen macht. EIP-7549 verbessert die Effizienz der Konsensnachrichten, indem es unnötige Daten entfernt und dadurch Speicher- sowie Bandbreitenbedarf für Validatoren reduziert. Diese Effizienzsteigerungen sind wesentlich für die Betriebskosten und die Skalierung des Netzwerks.
Die Einführung von EIP-2537 erleichtert kryptographische Operationen bezüglich BLS-Signaturen, die insbesondere im Kontext von Staking und Cross-Chain-Bridges wesentlich sind. Weniger Gasaufwand bei der Validierung bedeutet günstigere und schnellere Transaktionen. Schließlich ermöglicht EIP-2935 Smart Contracts den Zugriff auf ältere Blockhashes, die länger gespeichert werden, was vielfältige Anwendungen etwa in der Erzeugung von Zufallszahlen, in Vertrauensbeweisen oder bei Oracles eröffnet. All diese Neuerungen sorgen dafür, dass Ethereum widerstandsfähiger, schneller und benutzerfreundlicher wird – ein entscheidender Schritt, um im Wettstreit der Blockchains weiterhin eine führende Rolle zu spielen. Trotz des technischen Ansturms verlief die Einführung des Pectra Upgrades reibungslos, und die positive Marktentwicklung von ETH unterstreicht das Vertrauen der Community in die Weiterentwicklung des Netzwerks.
In Zeiten, in denen die allgemeine Stimmung gegenüber Kryptowährungen angespannt ist und ETH eine unterdurchschnittliche Performance zeigt, symbolisiert Pectra einen Hoffnungsschimmer in puncto Innovation und Nachhaltigkeit. Das Upgrade spiegelt auch die strategische Neuausrichtung der Ethereum Foundation wider, die unter neuer Führung mit der Roadmap für Ethereum versucht, Potenziale für mehr Nutzerorientierung und technische Exzellenz zu entfalten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Pectra den Grundstein für eine neue Ära von Ethereum legt – eine Ära, die von höherer Skalierbarkeit, besserer Nutzererfahrung und effizienter Validator-Verwaltung geprägt ist. Mit Account-Abstraktion werden Wallets smarter und zugänglicher, durch verbesserte Validator-Features wird das Netzwerk leistungsfähiger und weniger hardwareintensiv, und die Expansion der Blob-Kapazitäten sorgt für grundlegende Verbesserungen in der Transaktionsverarbeitung und Gebührenstruktur. Für Entwickler, Investoren und Nutzer bedeutet Pectra eine Reihe von Vorteilen, die Ethereum im dynamischen Umfeld der Blockchain-Technologien stärker positionieren.
Die Aktualisierungen bereiten Ethereum auf die Herausforderungen der Zukunft vor und ebnen den Weg für eine Massenadoption und breite Implementierung von dezentralen Anwendungen. Ethereum beweist mit Pectra einmal mehr seine Innovationskraft und stellt sich erfolgreich den komplexen Anforderungen eines wachsenden Ökosystems.