In einer Wendung, die das Schicksal eines ganzen Landes auf den Kopf stellen könnte, sieht sich Honduras einem massiven Rechtsstreit gegenüber, der nicht nur die wirtschaftliche Stabilität, sondern auch die soziale Struktur des Landes gefährden könnte. Das Herzstück des Konflikts ist das Projekt Próspera, eine so genannte „Startup City“, die von einer Gruppe amerikanischer Investoren und Silicon Valley-Milliardären unterstützt wird. Diese reiche Klientel plant den Bau einer halbautonomen Stadt auf der Karibikinsel Roatán, doch nach der Aufhebung eines Gesetzes, das spezielle Wirtschaftszone ermöglichte, drohen nun massive Klagen, die Honduras in den finanziellen Ruin treiben könnten. Das Dorf Crawfish Rock, eine kleine Fischergemeinde mit nur wenigen Hundert Einwohnern, liegt im Schatten dieser beständigen rechtlichen Auseinandersetzung. Die Bürgerinnen und Bürger, angeführt von den Dorfbewohnern Luisa Connor und Vanessa Cárdenas, standen anfangs ahnungslos gegenüber den weitreichenden Plänen der Investoren.
„Wir dachten, es sei nur ein weiteres Tourismusprojekt“, erinnert sich Connor, die in der idyllischen Umgebung aufgewachsen ist. Doch schnell wurde den Dorfbewohnern klar, dass hinter den Kulissen mächtige Akteure agieren, die das lukrative Potenzial der Region nutzen möchten. Próspera ist als libertäres Experiment im Bereich der marktgetriebenen Governance konzipiert, bei dem internationale Investoren die Kontrolle über Gesetze und Regularien innerhalb der speziellen Wirtschaftszone haben. Die Investoren, angeführt von der in Delaware ansässigen Honduras Próspera Inc., haben Klage auf Schadenersatz in Höhe von bis zu 10,775 Milliarden US-Dollar gegen die honduranische Regierung eingereicht.
Sie argumentieren, dass ihr Projekt trotz der Abschaffung des Gesetzes, das die wirtschaftlichen Zonen im Jahr 2022 schuf, weiterhin operieren darf – basierend auf verschiedenen internationalen Abkommen, die Honduras unterzeichnet hat. Das besorgniserregende an dieser Situation ist nicht nur die Summe, die im Raum steht, sondern auch die alarmierende Status quo der internationalen Investoren-Streitbeilegung (ISDS). Dieses wenig bekannte System erlaubt es ausländischen Investoren, Regierungen in Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie der Meinung sind, dass Gesetze oder Verordnungen ihre wirtschaftlichen Interessen schädigen. Dies geschieht oft ohne Möglichkeit der Berufung und kann selbst dann geschehen, wenn Unternehmen gegen nationale Gesetze oder Umweltauflagen verstoßen haben. Kritiker werfen dem ISDS vor, in den letzten Jahren zu einem Werkzeug geworden zu sein, durch das multinationale Konzerne immense Entschädigungen von Staaten fordern, die versuchen, soziale oder ökologische Standards zu wahren.
Honduras, ein Land mit einer Geschichte von politischer Instabilität und sozialer Ungleichheit, könnte die Folgen eines solchen Rechtsstreites über die Maßen spüren. Mit einer bereits heftigen Staatsverschuldung von 16,5 Milliarden Dollar und einem Großteil der Bevölkerung, die in Armut lebt, ist jede mögliche Auszahlung solch exorbitanter Summen, die urplötzlich auf das Land zukommen könnten, eine existenzielle Bedrohung. Die Regierung unter Präsidentin Xiomara Castro hat klargemacht, dass sie diese Klagen entschieden bekämpfen wird. „Wenn wir gezwungen werden, all das Geld zu zahlen, das sie fordern, wird das unser Land brechen“, warnt Gerardo Torres, der stellvertretende Außenminister. Die Geschichte des Konflikts beginnt im Jahr 2021, als Castro, die ehemalige Präsidentin des Kongresses und Frau des abgesetzten Präsidenten Manuel Zelaya, ins Amt gewählt wurde.
Sie brachte eine Welle der Hoffnung, aber auch die Empörung der Investoren mit sich, als sie Systeme und Gesetze, die unter Vorgängern geschaffen wurden, die oft als korrupt angesehen wurden, revidieren wollte. Dazu gehört die Aufhebung des Gesetzes, das den Bau der ZEDE (Zonen für Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung) ermöglichte, zu denen auch Próspera gehört. Die Zielen von Próspera sind ehrgeizig: Die Schaffung eine technologische, innovative Plattform, die internationale Unternehmen anziehen und letztlich die honduranische Wirtschaft ankurbeln soll. Dies wäre an sich nicht negativ, jedoch geschieht dies im Zusammenhang mit einem Gerüst, das die Einhaltung der honduranischen Gesetze und die Interessen der lokalen Bevölkerung ignoriert. Die Dorfbewohner von Crawfish Rock sind besorgt über den bevorstehenden Landraub, sollte der ZEDE der Zugang zu noch mehr Land gewährt werden.
Die Gesetzeslage, die die Enteignung von Land im Interesse der ZEDE regelte, trägt dazu bei, ihre Wirtschaft zu destabilisieren und potenziell noch mehr Communities in den Abgrund zu führen. Unterdessen ist die US-Regierung in die zwiespältigen Entwicklungen, die in Honduras erfolgen, verwickelt. Senatoren und politische Entscheidungsträger aus den USA argumentieren, dass eine stabile Investitionslandschaft unerlässlich für den Fortschritt und das wirtschaftliche Wachstum in Honduras sei. Einige fordern die Biden-Administration auf, sich in den Rechtsstreit einzubringen, um die Interessen der Investoren zu schützen und die Chancen auf ausländische Investitionen aufrechtzuerhalten. Die Arenen des Rechts sind geprägt von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Dimensionen.
Es ist eine brutale Realität, wenn Anleger versuchen, auf durchsetzungsstarken Druck sowohl innerhalb der nationalen als auch internationalen Rechtsordnungen zu bestehen, während die honduranische Gesellschaft mit ihren eigenen Machtspielen und den Voraussetzungen des Überlebens kämpft. Die Fragilität der honduranischen Gesellschaft wird weiter auf die Probe gestellt, wenn internationale Akteure den Willen und die Rechte der Bürger mit milliardenschweren Klagen intolerabel unterdrücken. Konflikte wie diese sind das Ergebnis eines großflächigen Missbrauchs wirtschaftlicher Macht und eines Lacks an öffentlicher Kontrolle über ausländische Kreditgeber, wobei oft die eigenen gesetzlichen Bestimmungen ignoriert werden. Für viele graue Stimmen in Crawfish Rock und darüber hinaus bedeutet das ein besorgniserregendes Zeichen für die Verletzungen grundlegender Menschenrechte im Namen der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Zukunft von Honduras hängt nun an einem seidenen Faden, der über das internationale Rechtssystem gespannt ist.
Das Ergebnis wird nicht nur das ökonomische Überleben des Landes beeinflussen, sondern auch die sozialen Strukturen und die Fähigkeit der Menschen, sich gegen die Kräften durchzusetzen, die ihr Schicksal dominieren. Die Kluft zwischen den Interessen internationaler Investoren und der honduranischen Bevölkerung könnte nicht größer sein, und dieses Ringen um Ressourcen und Anerkennung wird eine Generation prägen.