Im Frühjahr 2025 sorgte die US-Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) mit der Einreichung einer Klage gegen das Krypto-Startup Unicoin und dessen Führungsetage für großes Aufsehen in der Szene. Der Vorwurf wird auf einen mutmaßlichen Betrugsfall in Höhe von mehr als 100 Millionen US-Dollar beziffert. Dabei geht es um eine vermeintlich assetgestützte Token-Strategie, mit der tausende Kleinanleger getäuscht worden sein sollen. Die SEC wirft Unicoin vor, Investoren durch falsche Versprechen über die hinter den Token stehenden Immobilien- und Aktienwerte in die Irre geführt zu haben. Die Dimensionen der fragwürdigen Geschäftspraktiken gehen jedoch weit über einfache Irreführung hinaus und haben weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Kryptomarkt.
Die Klageschrift, die am 20. Mai 2025 im Bundesgericht des Südlichen Bezirks von New York eingereicht wurde, umfasst 77 Seiten und legt detailliert dar, wie Unicoin und seine Führungspersonen – namentlich CEO Alex Konanykhin, Mitgründerin und Direktorin Silvina Moschini sowie Finanzchef Alex Dominguez – ein Netzwerk aus falschen Aussagen über die finanzielle Sicherheit und den Wert ihrer „Rights Certificates“ errichteten. Diese Zertifikate, die als tokenisierte Wertpapiere beworben wurden, sollten angeblich durch Hunderte Millionen von Dollar in Immobilien und Aktien abgesichert sein. Die Realität aber zeichnete ein vollkommen anderes Bild: Die vermeintliche Asset-Deckung entsprach nur einem Bruchteil der angegebenen Werte, und die versprochenen Sicherheiten waren in viel geringerem Umfang vorhanden als dargestellt.Die SEC stellte fest, dass Unicoin trotz der öffentlichen Behauptung von drei Milliarden Dollar an Verkäufen tatsächlich nicht mehr als 110 Millionen Dollar an Investitionen eingesammelt hatte.
Außerdem waren die Rights Certificates, die als vollständig bei der SEC registrierte Wertpapiere dargestellt wurden, niemals offiziell angemeldet. Solche Umgehungen von Regulierungsvorgaben sind strafrechtlich besonders relevant und zeigen das hohe Risiko, das von solchen Angeboten für Privatanleger ausgeht.Besonders brisant ist die Rolle von CEO Alex Konanykhin, der laut SEC-Belegen fast 38 Millionen dieser Rechtezertifikate während der verbotenen Verkaufsschienen selbst vertrieb. Dabei zielte er explizit auf Investoren ab, die von Unicoin eigentlich ausgeschlossen werden sollten. Dieses Vorgehen verstößt klar gegen geltende Bundesgesetze zum Schutz von Anlegern.
Die aggressive Vertriebsstrategie umfasste zudem aufsehenerregende Werbekampagnen, die in Großstädten wie New York Tausende von Taxis, Flughafen-Bildschirme und Social-Media-Kanäle überfluteten. Durch die gleichzeitige Ausstrahlung einer TV-Show im Stil von „Shark Tank“ namens „Unicorn Hunters“ positionierte sich Unicoin zudem als innovatives und seriöses Unternehmen. Dabei waren prominente Persönlichkeiten wie Apple-Mitgründer Steve Wozniak und politische Berater wie Moe Vela involviert, deren Glaubwürdigkeit möglicherweise dem Unternehmen Auftrieb gab.Die SEC betrachtet das Vorgehen von Unicoin als bewusste Täuschung von Kleinanlegern, die durch illusorische Werbeversprechen und suggerierte Sicherheit zum Kauf der Rights Certificates verleitet wurden. Mark Cave, Associate Director bei der SEC Enforcement, hob hervor, dass der Großteil der Verkäufe auf fiktionalen Grundlagen basierte und Investoren mit leeren Versprechen gelockt wurden.
Diese Form von Betrug hat eine lange Tradition im Finanzsektor, doch die neue Dimension durch das Medium Blockchain und Tokenisierung stellt die Regulierer vor neue Herausforderungen.Die Verteidigung von CEO Konanykhin war bisher trotzig: Er bezeichnete die Maßnahmen der SEC in Interviews als politisch motiviert und ein Hindernis für das Wachstum des Unternehmens. Seiner Aussage zufolge hätte Unicoin ohne die SEC-Eingriffe mittlerweile einen Börsenwert von über 10 Milliarden Dollar erreichen können. Er attackierte die US-Behörde scharf und warf „abtrünnigen Beamten“ innerhalb der ehemaligen Gensler-Administration vor, gegen den Fortschritt der Kryptoindustrie zu handeln. Diese Stellungnahme zeigt, wie tief die Gräben zwischen Regulierern und einigen Akteuren der Szene verlaufen und wie schwierig eine einheitliche Linie in der Kryptoaufsicht noch immer ist.
Trotz der zunehmend lockeren Haltung vieler Regulierer unter dem neuen SEC-Vorsitzenden Paul Atkins, der allgemein für eine weniger restriktive Politik gegenüber Kryptowährungen bekannt ist, signalisiert dieser Fall, dass gravierende Betrugsfälle weiterhin konsequent verfolgt werden. Unicoin ist unter dem neuen Regime sozusagen ein Prüfstein dafür, inwieweit große Firmen im Krypto-Ökosystem ihre Versprechen einhalten müssen und welche Grenzen für Marketingstrategien bestehen.Ein Zeichen von internen Spannungen bei Unicoin könnte bereits die Einigung der Rechtsabteilung des Startups mit der SEC sein. So hat der General Counsel Richard Devlin einen Vergleich geschlossen, der ihm unter anderem eine dauerhafte Unterlassungsverfügung und die Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 37.500 Dollar auferlegt.
Dieses Vorgehen könnte darauf hindeuten, dass die rechtliche Verteidigung des Unternehmens nicht einheitlich agiert – ein Umstand, der den Fortgang des Verfahrens beeinflussen könnte.Die SEC fordert nicht nur finanzielle Rückzahlungen und Sanktionen, sondern versucht auch, Konanykhin, Moschini und Dominguez dauerhaft von Führungspositionen in börsennotierten oder öffentlichen Unternehmen auszuschließen. Die endgültige Höhe der Schadensersatzforderungen und die Summe der Anlegerverluste waren zum Zeitpunkt der veröffentlichten Berichtserstattung noch offen. Ebenso ist unklar, ob Unicoin im laufenden Verfahren Gegenklagen eingereicht oder eine Verlegung des Gerichtsstandortes beantragen wird.Neben der Beurteilung der strafrechtlichen Seiten des Falles hat dieser auch weitreichende Auswirkungen auf die rechtliche Einordnung tokenisierter Vermögenswerte.
Die Regulierung von asset-backed Tokens wird in den USA, wie auch weltweit, noch kontrovers diskutiert. Dabei stehen nicht nur Fragen zu Meldepflichten und Investorenschutz im Fokus, sondern auch, wie der Aufstieg digitalisierter Finanzprodukte in das bestehende Finanzrechtsnetzwerk integriert werden kann beziehungsweise soll. Zudem könnte die weitere Entwicklung des Falls ein Signal an den Gesetzgeber sein, wenn er über mögliche Ausnahmen oder spezifische Krypto-Klärungen nachdenkt.Der Prozess gegen Unicoin reiht sich ein in eine Reihe von Fällen, die die Grenzen zwischen Innovation, Risikobereitschaft und Betrug verwischen. Gerade in einer Zeit, in der Kryptowährungen und blockchainbasierte Finanzinstrumente zunehmend in den Mainstream vordringen, ist die klare Positionierung von Regulatoren essenziell, um Vertrauen bei Investoren wiederherzustellen.
Gleichzeitig können zu strenge Restriktionen auch die Dynamik des Marktes hemmen und Innovationen verhindern.Für Investoren bedeutet der Unicoin-Fall eine erneute Mahnung zur Vorsicht. Angebotene Kryptowährungsprodukte, die sich mit großen, wertgesicherten Versprechen schmücken, sollten immer gründlich überprüft werden. Transparenz, regulatorische Registrierung und Valide Asset-Bewertungen sind neben der Reputation der Anbieter entscheidende Faktoren, um Investment-Risiken besser einzuschätzen. Die Geschichte von Unicoin zeigt, wie verheerend die Folgen fehlender Sorgfalt sein können – nicht nur finanziell, sondern auch im Hinblick auf Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die gesamte Branche.
Zusammenfassend markiert der Betrugsfall Unicoin einen Wendepunkt für die Krypto-Regulierung in den USA und könnte weitreichende Konsequenzen für asset-backed Token und ähnliche innovative Finanzprodukte haben. Die SEC sendet mit ihrem Vorgehen ein klares Signal, dass trotz Wandel in der Führungsetage der Behörde Betrug und Täuschung nicht toleriert werden. Gleichzeitig unterstreicht der Fall die Herausforderungen für Startups, die Blockchain-Technologie mit klassischen Finanzprodukten verbinden wollen, und weist auf die Notwendigkeit hin, klare Rahmenbedingungen und Regulierungen zu schaffen, die Investoren schützen und gleichzeitig Innovation erlauben. Die kommenden Monate und Jahre werden zeigen, ob Unicoin als abschreckendes Beispiel dienen kann oder ob die Branche aus dem Fall lernfähig ist, um nachhaltige und vertrauenswürdige Krypto-Angebote zu schaffen.