Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs dominierte ein auf Regeln basierendes internationales System die Weltpolitik. Dieses System, oft als regelbasierte Weltordnung bezeichnet, wurde von den Vereinigten Staaten maßgeblich geprägt und sollte Stabilität, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Frieden garantieren. Doch in den letzten Jahren – besonders seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts – zeichnen sich zunehmend tiefgreifende Veränderungen ab, die das Fundament dieser Ordnung erschüttern. Die weltweiten Spannungen nehmen zu, und Gewalt nimmt in beispiellosem Ausmaß zu.
Es entstehen neue Konflikte, alte Spannungen flamieren erneut auf, und multilaterale Institutionen wirken zunehmend machtlos. Diese Entwicklung verdient eine genaue Betrachtung, um die Ursachen und möglichen Folgen dieses weltweiten Umbruchs besser zu verstehen. Die regelbasierte Weltordnung nach 1945 beruhte auf festen Prinzipien wie der Achtung der Souveränität von Staaten, der Nichtanwendung von Gewalt zur Lösung von Konflikten und der Zusammenarbeit in internationalen Institutionen wie den Vereinten Nationen, der NATO oder der Weltbank. Solche Regeln waren das Ergebnis eines Konsenses, der aus der Erfahrung zweier Weltkriege und des Völkermords gezogen wurde. Sie sollten nachhaltigen Frieden und Sicherheit gewährleisten.
Die USA übernahmen mit ihrer wirtschaftlichen und militärischen Macht eine Führungsrolle, die als Pax Americana bezeichnet wurde. Im Lauf der letzten Jahrzehnte scheint sich dieses System jedoch aufzulösen. Mehrere Faktoren tragen zu seinem Niedergang bei. Die geopolitischen Verschiebungen haben die bislang unangefochtene Vormachtstellung der USA infrage gestellt. China wächst nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch und versucht, regionale Interessen weltweit durchzusetzen.
Die Rivalität zwischen den Mächten wird härter, und die ehemaligen Allianzen verlieren ihren Halt. Die US-Politik, insbesondere unter der Trump-Administration, trennte sich von traditionellen Bündnissen und multilateralen Verpflichtungen. Dies führte zu einem Vertrauensverlust bei Partnern und stellte die Verlässlichkeit des globalen Systems infrage. Die aktuellen Anschläge und Kriege in verschiedenen Teilen der Welt sind Zeichen einer aufkeimenden Gewalt, die das Vakuum füllt, das der Rückzug der USA und die Schwächung des internationalen Regelwerks hinterlassen. Die Konflikte im Nahen Osten, darunter die Eskalation zwischen Israel und Gaza, die anhaltenden Spannungen im Jemen sowie die Kämpfe im Sudan zeichnen ein Bild von Chaos und menschlichem Leid.
Auch die Konfrontation zwischen Indien und Pakistan in der Region Kaschmir birgt das Risiko eines nuklearen Flammenherds. In Europa verstärkt sich die Bedrohung durch den Krieg in der Ukraine, der als Testfall für die Zukunft des internationalen Rechts gilt. Die Einmischung Russlands und Chinas in diesen Konflikt zeigt, wie Grenzen des Völkerrechts überschritten werden. Global betrachtet bringen diese Konflikte mehr als nur lokale Instabilitäten mit sich. Sie zeigen, wie Staaten zunehmend auf Gewalt, militärische Macht und unilateral gesetzte Interessen setzen, anstatt auf Diplomatie, Kompromiss und den Schutz der Menschenrechte.
Diese Rückkehr zur Machtpolitik, zu Einflusszonen und zur Gewalt gefährdet den Frieden auf der ganzen Welt. Die internationale Gemeinschaft wirkt zunehmend entfremdet voneinander, und multilaterale Organisationen finden immer weniger Gehör. Die Rolle multilateraler Institutionen steht unter enormem Druck. Die Vereinten Nationen, einst als Hoffnungsträger für globale Kooperation gefeiert, werden zu oft als machtlos wahrgenommen. Internationale Gerichtshöfe wie der Internationale Gerichtshof oder der Internationale Strafgerichtshof sehen sich dem Vorwurf mangelnder Durchsetzungsfähigkeit ausgesetzt.
Staaten verweigern sich häufig ihren Entscheidungen oder umgehen sie gezielt. Beispiele zeigen, wie notwendige Resolutionen missachtet oder unterlaufen werden. Dies führt zu einem Erosionsprozess, bei dem Recht und Vertraglichkeit an Einfluss verlieren und rohe Gewalt zunehmend akzeptierter wird. Viele Experten und Beobachter kommen zu der Einschätzung, dass wir uns am Beginn einer neuen Ära geopolitischer Instabilität befinden. Fiona Hill, eine renommierte politische Analystin, spricht sogar davon, dass die dritte Weltkriegssituation längst begonnen hat, wenn auch nicht in herkömmlicher Form.
Die neuen Kriege verlaufen fragmentiert und multifaktoriell, involvieren zahlreiche Staaten und Akteure und sind von Technologie, Cyberangriffen und hybrider Kriegsführung geprägt. Die alte Vorstellung von zwei oder drei klar definierten Kriegsteilnehmern, die auf dem Schlachtfeld gegeneinander antreten, trifft nicht mehr zu. Stattdessen ist eine komplexe, vernetzte Konfliktlandschaft entstanden, die schwer zu kontrollieren ist. Die globale Interdependenz durch Handel, Technologie und Kommunikation verschärft paradoxerweise die Situation. Während sie das Leben der Menschen weltweit verbindet, bedeutet sie auch, dass Konflikte und Krisen nicht mehr lokal begrenzt bleiben können.
Sanktionen, wirtschaftliche Zusammenbrüche, Flüchtlingsbewegungen und Terroranschläge haben globale Auswirkungen und verstärken das Gefühl von Unsicherheit. Die europäische Antwort auf diese Herausforderungen ist ein Beispiel für die Suche nach neuen Wegen. Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen etwa treiben gemeinsam die Idee einer autonomen europäischen Sicherheitsstrategie voran. Ziel ist es, Europa unabhängiger von den USA zu machen und auf eigene Füße zu stellen. Gleichzeitig wird das Bewusstsein für die Bedrohung durch neue russische Aggressionen und ein fragiles Sicherheitsumfeld geschärft.
Trotzdem scheinen Uneinigkeit und mangelnde Entschlossenheit oft eine schnelle Reaktion zu verhindern. In den USA wiederum zeigt sich ein gespaltenes Bild. Während die vorherige Trump-Administration eine Haltung einnahm, die vielen internationalen Partnern wie ein Rückzug und ein Vandalismus an gemeinsamen Werten erschien, arbeitet die aktuelle Regierung daran, Vertrauen wieder aufzubauen. Doch der Schaden ist groß, und das Vertrauen ist schwer zurückzugewinnen. In einigen Fällen haben Staaten begonnen, alternative Partnerschaften zu suchen, um ihre nationalen Interessen abzusichern.
Die Rolle Chinas als aufstrebende Großmacht ist ein weiterer entscheidender Faktor. Durch seine wirtschaftliche Expansion, Projekte wie die Neue Seidenstraße (Belt and Road Initiative) und technische Innovationen versucht China, einen neuen globalen Einflussbereich zu etablieren. Die Strategie Pekings unterscheidet sich grundlegend vom westlichen Modell und beinhaltet oft eine Verschiebung weg von liberalen Prinzipien hin zu pragmatischen Machtinteressen. Die Weltordnung droht somit noch komplexer und unübersichtlicher zu werden. Was bedeutet dies jedoch für die Zukunft? Der Rückzug der alten Ordnung und die Zunahme von Gewalt setzen Staaten und Gesellschaften unter Druck, neu zu definieren, wie internationale Beziehungen funktionieren sollten.
Es besteht die Gefahr eines anhaltenden Wettrüstens und eines dauerhaften Kriegszustandes, der nicht nur Staatengrenzen, sondern auch die Lebenssicherheit von Millionen Menschen bedroht. Die Herausforderung besteht darin, Wege zu finden, die eine friedliche Koexistenz ermöglichen, ohne dass Staaten ihre Interessen ganz aufgeben müssen. Initiativen für erneuertes multilaterales Engagement könnten den Weg weisen, vorausgesetzt, sie sind anpassungsfähig und berücksichtigen die sich verändernde Realpolitik. Strategien, die auf mehr Dialog, gerechte Verteilung von Ressourcen und gegenseitiges Verständnis setzen, sind wichtiger denn je. Die Stärkung von internationalen Rechtsnormen und deren Verbindlichkeit bleibt eine grundlegende Aufgabe.
Zusammenfassend zeigt sich, dass die regelbasierte Weltordnung seit 1945 ein Erfolgsmodell für Stabilität und Frieden war, doch nun vor enormen Herausforderungen steht. Die Rückkehr von Gewalt und Machtpolitik entspricht einer historischen Phase der Umwälzung, die weitreichende Folgen hat. Für die Länder und ihre Bevölkerungen ist es entscheidend, die daraus resultierenden Chancen für eine neue globale Ordnung zu nutzen, die sowohl Sicherheit als auch Gerechtigkeit fördert. Nur durch entschlossenes Handeln und international abgestimmte Antworten kann der Abstieg der regelbasierten Ordnung gestoppt und ein neuer, nachhaltiger Frieden gestaltet werden.