Die Diskussion um optimale Klassengrößen und Student-Lehrer-Quoten ist in der Bildungspolitik und bei Eltern seit Jahrzehnten präsent. Vielfach wird der Wert niedrigerer Student-Lehrer-Verhältnisse als Schlüssel zu besserem Unterricht und höherem Lernerfolg dargestellt. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich diese vermeintlich selbstverständliche Annahme als irreführend und vielfach unzutreffend. Tatsächlich lenkt die Fixierung auf die Anzahl der Schüler pro Lehrer von den Faktoren ab, die wirklichen Einfluss auf die Bildungsergebnisse haben. Historisch betrachtet haben sich die Klassengrößen in den USA deutlich verkleinert.
Während etwa in den 1950er Jahren noch durchschnittlich 27 Schüler pro Lehrer in den Klassen waren, liegt diese Zahl heute bei etwa 15. Dass solche kleineren Klassen automatisch bessere Lernergebnisse garantieren sollten, ist jedoch durch zahlreiche Studien klar widerlegt. Vergleichsstudien auf internationaler Ebene zeigen, dass Länder mit größeren Klassen, wie Südkorea mit durchschnittlich 25 bis 30 Schülern oder Singapur mit bis zu 36 Schülern pro Klasse, in internationalen Bildungstests oft deutlich bessere Ergebnisse erzielen als die USA mit ihren kleinen Klassen. Ein besonders bedeutendes Experiment ist die Tennessee STAR-Studie, die als Goldstandard in der Klassenforschung gilt. Sie zeigte, dass eine Reduzierung der Klassengröße von 22 auf 15 Schüler zwar positive Effekte auf das Lernen hatte, diese jedoch im Verhältnis zum Aufwand bescheiden ausfielen – die Leistungssteigerungen waren vergleichbar mit etwa drei zusätzlichen Monaten Schulbesuch, was im Gesamtkontext des Bildungssystems relativ gering ist.
Eine weiterführende Analyse des Stanford-Ökonoms Eric Hanushek kommt zum deutlich kritischeren Urteil. Er argumentiert, dass es keine systematische Verbindung zwischen Klassengrößen und akademischen Leistungen gibt und dass Maßnahmen zur Klassenverkleinerung eher politischer Natur sind als effektiv zur Bildungsverbesserung. Die offensichtlich wichtigere Größe, die den Lernerfolg maßgeblich bestimmt, ist die Qualität der Lehrkraft. Verschiedenste Forschungsergebnisse untermauern diesen Befund eindrücklich. Das Tennessee Value-Added Research and Assessment System zeigt, dass herausragende Lehrer zwei- bis dreimal so großen Einfluss auf die Leistungen der Schüler haben wie die Tatsache, ob eine Klasse klein oder mittelgroß ist.
Untersuchungen von Thomas Kane bestätigen, dass der Unterschied zwischen einem besonders guten und einem schlechten Lehrer einem ganzen Schuljahr Lernfortschritt entspricht, während die potenzielle Verbesserung durch kleinere Klassen nur rund vier Wochen zusätzlichen Lernens einbringt. Neben der akademischen Leistung zeigen Studien von Raj Chetty und Kollegen aus Harvard, dass qualifizierte Lehrer ganze Lebensverläufe von Schülern positiv beeinflussen. Kinder, die von guten Lehrkräften unterrichtet werden, gehen häufiger aufs College, besitzen ein geringeres Risiko, als Teenager Eltern zu werden, und sind finanziell besser aufgestellt. Die Wirkung guter Lehrer geht somit weit über das Klassenzimmer hinaus und hat eine nachhaltige gesellschaftliche Bedeutung. Die finanzielle Dimension der Klassenverkleinerung ist enorm.
Um kleinere Klassen zu ermöglichen, sind Schulen gezwungen, deutlich mehr Lehrer einzustellen, was enorme Kosten verursacht und nicht nur das Gehalt, sondern auch Infrastruktur, Räume und Materialien betrifft. Eine übliche Reduktionsmaßnahme kostet im Schnitt über tausend Dollar pro Schüler und Jahr, was in großen Schulbezirken schnell in Millionenbeträge hochgeht. Gleichzeitig stellt die schnelle Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte oft eine Gefahr für die Qualitätssicherung dar: Es werden häufiger weniger qualifizierte Lehrkräfte genommen, um das Quantitätsziel zu erreichen. Dies kann den gegenteiligen Effekt haben und das Bildungsniveau sogar verschlechtern. Internationale Bildungssysteme mit nachweislich größeren Klassen wie Finnland, Japan oder Singapur investieren intensiv in die Lehrerausbildung, kontinuierliche Weiterbildung und Zusammenarbeit der Lehrkräfte.
Die Lehrer dort genießen ein hohes Ansehen und durchlaufen anspruchsvolle Ausbildungsprogramme, teilweise sogar vergleichbar mit der medizinischen Fachausbildung. So konzentrieren sich diese Länder weniger auf die quantitative Größe der Klassen, sondern auf das qualitative Niveau des Unterrichts. Eltern und Entscheidungsträger sollten daher verstärkt auf andere Indikatoren achten, die echten Aufschluss über die Qualität einer Schule geben. Eine niedrige Fluktuationsrate unter Lehrern ist häufig ein gutes Zeichen für ein positives Arbeitsumfeld und eine engagierte Lehrerschaft. Ebenso sollte der tatsächliche Lernfortschritt der Schüler im Fokus stehen und nicht nur die Abschlussquoten oder Notendurchschnitte, die durch externe Faktoren verfälscht sein können.
maßgeblich ist auch, wie ehemalige Schüler nach der Schulzeit abschneiden, beispielsweise in Studium, Ausbildung oder Beruf. Trotz all dieser Erkenntnisse hält sich die Fokussierung auf die Student-Lehrer-Quote, weil sie offenbar für viele Beteiligte Vorteile bietet. Lehrergewerkschaften profitieren durch mehr Mitglieder und steigende Beiträge, Verwaltungseinheiten können ihre Arbeit mit leicht verständlichen Zahlen rechtfertigen, und Politiker suggerieren durch das Versprechen kleinerer Klassenakteive Fürsorge für Bildung. Für Eltern ist diese Zahl einfach nachvollziehbar und wirkt auf den ersten Blick sinnvoll und beruhigend. Unterm Strich zeigt sich, dass das Fixieren auf die Anzahl der Schüler pro Lehrer eine Ablenkung von den wahren Herausforderungen und Chancen im Bildungswesen darstellt.
Es ist notwendig, den Blick auf die Lehrkräfte selbst zu richten und in deren Auswahl, Ausbildung, Bezahlung und Entwicklung zu investieren. Nur so lassen sich nachhaltige Verbesserungen erreichen, die über kurzfristige politische Effekte hinausgehen. Bildung ist eine komplexe Aufgabe. Anstelle von populistischen Metriken wie der Student-Lehrer-Quote sollten Schulen und Länder die Professionalisierung von Lehrern fördern, die Unterrichtsinhalte weiterentwickeln und Lernumgebungen schaffen, in denen sich alle Kinder bestmöglich entfalten können. Die Zukunft des Bildungssystems hängt weniger von der Zahl der Köpfe in einem Raum ab, sondern von der Qualität der Menschen, die diese Köpfe anleiten und unterstützen.
Zukunftsweisend wäre es daher, wenn Eltern und Verantwortliche bei der Auswahl von Schulen nicht nur auf die vermeintliche Sicherheit kleiner Klassen zählen, sondern kritisch hinterfragen, welche Methoden und welche Lehrkräfte dort wirklich wirken. Es gilt, Bildungsinvestitionen dort zu tätigen, wo sie den stärksten Hebel haben, statt sich von leicht zugänglichen, aber wenig aussagekräftigen Kennzahlen blenden zu lassen. Nur so wird echtes Lernen und Wachstum möglich – und nur damit können wir die Herausforderungen der modernen Gesellschaft meistern.