In einer Zeit, in der digitale Fehlinformationen und Manipulationen das Internet überschwemmen, ist es für viele Menschen zunehmend schwieriger geworden, verlässliche Nachrichtenquellen von Propaganda, Fake News und irreführenden Inhalten zu unterscheiden. Die Herausforderungen, mit denen sowohl professionelle Journalisten als auch normale Internetnutzer täglich konfrontiert sind, nehmen stetig zu – nicht zuletzt wegen der wachsenden Verbreitung von Künstlicher Intelligenz, Deepfakes und aufsehenerregenden Desinformationskampagnen. Gerade vor diesem Hintergrund haben zwei renommierte Experten für Desinformation, Alexios Mantzarlis und Craig Silverman, ein eigenes Plattform-Projekt gestartet, das den Namen Indicator trägt und als innovativer DIY-Nachrichtendienst fungiert. Dieser richtet sich gleichermaßen an Fachleute wie an engagierte Bürger, die lernen möchten, eigenständig und kritisch mit den Informationen, die ihnen online begegnen, umzugehen. Die Notwendigkeit für einen Wandel im Umgang mit digitaler Desinformation ist so groß wie nie.
Mantzarlis, der derzeit die Security, Trust and Safety Initiative an der Cornell Tech leitet und zuvor Meilensteine bei der International Fact-Checking Network (IFCN) setzte, sowie Silverman, ehemaliger Investigativjournalist bei BuzzFeed und ProPublica, bringen zusammen außergewöhnliche Expertise mit. Gerade Silverman wurde durch seine Enthüllungen zu Fake-News-Botschaften von Jugendlichen in Mazedonien bekannt, die während der US-Wahl 2016 enormen Einfluss nahmen. Mit Indicator wollen die beiden nicht nur aufzeigen, wie Desinformation funktioniert, sondern Nutzer darin schulen, sich selbst gegen gezielte Täuschungen zu wappnen. Die Online-Welt erlebe laut Mantzarlis und Silverman momentan eine particularly toxische Phase. Algorithmen bevorzugen extremes und polarisierendes Material, was häufig mit Desinformation einhergeht.
Gleichzeitig sähen sich Organisationen, die der Wahrheitsfindung dienen, mit immer geringeren Mitteln konfrontiert. Akademische Institutionen, die Fehlinformationen erforschen, erlebten Kürzungen ihrer Fördermittel, Journalisten werden zunehmend unter Druck gesetzt, und soziale Medien als Hauptverbreitungsplattformen von Nachrichten setzen oft auf Community-Moderation ohne klare und durchsetzbare Standards. Die Folge ist eine entfremdete Online-Umgebung, in der konventionelle Gatekeeper an Bedeutung verlieren, neue Informationsformen und Fake News aber umso leichter verbreitet werden können. Indicator bietet dem Nutzer eine Mischung aus regelmäßig erscheinenden, kostenlosen Newslettern und bezahlten Weiterbildungsangeboten. Die Veröffentlichung auf der Plattform Beehiiv vermeidet zudem die Abhängigkeit von kommerziellen oder werbefinanzierten Dienstleistern und schafft so größere Autonomie.
Die Berichterstattung orientiert sich an fundierten Recherchen und Open-Source-Intelligence-Methoden (OSINT), die in der Praxis erprobt und transparent gemacht werden. Für jeden Artikel wird mitgeliefert, welche Vorgehensweisen und Werkzeuge genau zur Aufdeckung der jeweiligen Falschinformationen genutzt wurden – ein klares Signal für den Anspruch auf Nachvollziehbarkeit und Vertrauenswürdigkeit. Ein besonders wichtiges Anliegen der Gründer ist, den Lesern die Werkzeuge an die Hand zu geben, um selbst Tätigkeiten wie das Verifizieren von Bildern, Überprüfen von Quellen oder Entlarven von Deepfakes durchführen zu können. Im Gespräch mit Medienfachleuten wird immer wieder betont, wie entscheidend es ist, dass Online-Nutzer Eigenverantwortung übernehmen und nicht blind auf „Community Notes“ oder ähnliche Plattformmechanismen vertrauen. Deshalb hat sich Indicator auch zum Ziel gesetzt, die „Engagierten Bürger“ zu adressieren, die sich dafür interessieren, die Flut von Informationen aktiv zu hinterfragen und auf diese Weise eine eigene Resilienz gegenüber digitalen Täuschungsversuchen aufzubauen.
Interessant ist, dass sowohl Mantzarlis als auch Silverman mit ihrer journalistischen Arbeit ein Stück weit Frustration über den Status quo ausdrücken. Sie kritisieren das vermeintlich „post-truth“-Zeitalter, in dem Fakten scheinbar keine Rolle mehr spielen würden. Mantzarlis weist darauf hin, dass es nie eine goldene Ära der Wahrheit gegeben habe, sondern die aktuelle Situation eher von Zynismus und dem Verlust idealistischer Hoffnungen auf eine faire und demokratische Informationsvermittlung geprägt sei. Silverman spricht von einem „chaotischen“ Umfeld, in dem böswillige Akteure, die das System verstehen und manipulieren, dominieren – oft in enger Verzahnung mit Plattformbesitzern. Das neue Projekt geht folglich auch mit einem ausgeprägten ethischen Anspruch an den Start.
Die Gründer wollen einerseits nichts beschönigen oder verharmlosen. Andererseits liegt ihnen sehr daran, faktenbasiert, nachvollziehbar und klar in der Tonalität zu bleiben und so Glaubwürdigkeit aufzubauen. Kritik wird transparent und konstruktiv betrieben, um auf Missstände aufmerksam zu machen und gleichzeitig Veränderungsprozesse anzustoßen, ohne in bloße Polemik zu verfallen. Gerade der Dialog mit Mitarbeitern in Trust-and-Safety-Abteilungen auf Plattformen sei wichtig, um gemeinsam an besseren Konzepten und Richtlinien zu arbeiten. Nachdenklich fällt auch die Einschätzung aus, dass man oft erst mit entsprechendem externen Druck politisch wirksame Maßnahmen bewirken könne.
Neben der journalistischen Arbeit hat Indicator auch eine klare Ausrichtung auf Nachhaltigkeit. Die Gründer wünschen sich eine langfristig tragfähige Organisation, die nicht von Spenden oder kurzfristiger Projektfinanzierung abhängt, sondern mit einer treuen Community wächst und ausreichend Erlöse aus Abonnements und bezahlten Trainings generiert. Das spiegelt einen Trend im Medienbereich wider, bei dem kleine spezialisierte Publikationen an Bedeutung gewinnen und mit schlanken Strukturen eine hohe inhaltliche Qualität bieten, die für bestimmte Zielgruppen von großem Wert ist. Ein weiterer spannender Aspekt ist die praktische Medienkompetenz, die über Indicator vermittelt werden soll. Gerade angesichts der drastischen Zunahme synthetischer Medieninhalte, von KI-generierten Fälschungen bis hin zu manipulierten Videos, ist es essentiell, dass nicht nur Fachleute mit modernsten Tools ausgestattet sind, sondern dass auch die breite Öffentlichkeit eine kritische Haltung und grundlegende Fähigkeiten entwickelt, um sich nicht in Falschmeldungen zu verlieren.
Dazu gehören etwa das bewusste Verlangsamen der Informationsaufnahme, das Hinterfragen emotional manipulativer Inhalte und Strategien, um in Familien oder Communities „sichere Sätze“ oder Verifikationsmechanismen einzuführen, die vor Betrugsversuchen schützen. Indicator ist somit mehr als nur ein Nachrichtenportal – es ist ein Bildungsangebot, eine Community und eine transparente Werkstatt für digitale Glaubwürdigkeit. Mantzarlis und Silverman setzen dabei auf Offenheit und die konsequente Offenlegung ihrer Methoden, was nicht nur Vertrauen schafft, sondern auch den kollektiven Wissenserwerb fördert. In einer Welt, in der die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge zunehmend verschwimmen, leistet ein solches Projekt einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der demokratischen Meinungsbildung und zur Prävention von Desinformation. Der Start von Indicator zeigt, wie Experten mit tiefgreifendem Verständnis für digitale Informationsökosysteme neue Wege gehen, um den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen.
Während viele traditionelle Medien sich mit sinkenden Budgets und wachsendem Misstrauen auseinandersetzen müssen, gestalten Mantzarlis und Silverman eine Plattform, die den Nutzer in den Mittelpunkt stellt und die Werkzeuge zur aktiven Informationsprüfung demokratisiert. Damit leisten sie einen bedeutenden Beitrag zum Erhalt einer informierten Gesellschaft, die in der Lage ist, der Flut von Fake News, Spam und manipulativen Inhalten mit klarem Verstand und fundiertem Wissen zu begegnen. In einer Zukunft, die von künstlicher Intelligenz und schnellen Technologieänderungen geprägt sein wird, ist die Fähigkeit, digitale Wahrheiten zu erkennen, der Schlüssel für den Erhalt von Vertrauen und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Indicator steht für einen mutigen Schritt in diese Richtung, getragen von der Überzeugung, dass Fakten und sorgfältige Recherche trotz aller Widrigkeiten weiterhin unverzichtbar sind und dass jeder Einzelne in der Informationsgesellschaft eine aktive Rolle bei deren Verteidigung einnehmen kann.