Die Entscheidung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), die Leitzinsen zu senken, hat weitreichende Konsequenzen nicht nur für traditionelle Finanzmärkte, sondern auch für den aufstrebenden Sektor der Kryptowährungen, insbesondere für Stablecoin-Emittenten. In einem kürzlich veröffentlichten Bericht der digitalen Datenplattform CCData wird darauf hingewiesen, dass die Senkung der Zinssätze durch die Fed das Einkommen der Emittenten von Stablecoins um mehrere Millionen Dollar verringern könnte. Diese Entwicklung könnte den Markt für Stablecoins erheblich beeinflussen und die Strategie der Anbieter auf die Probe stellen. Stablecoins sind Kryptowährungen, deren Wert an physische Vermögenswerte wie den US-Dollar oder andere stabile Währungen gekoppelt ist. Um diese Stabilität zu gewährleisten, halten die Emittenten von Stablecoins in der Regel Reserven in Form von Geld oder vergleichbaren Investitionen, wobei US-Staatsanleihen die beliebteste Form der Reserve darstellen.
Die Emittenten von Stablecoins halten derzeit fast 125 Milliarden US-Dollar in US-Staatsanleihen, wobei über 80 Prozent ihrer Reserven in diesen als sicher geltenden Anlagen investiert sind. Die jüngsten Zinsentscheidungen der Fed könnten gravierende Auswirkungen auf die Finanzen dieser Emittenten haben. Ein Rückgang der Zinssätze um 50 Basispunkte würde laut CCData-Bericht zu einem Rückgang des jährlichen Zinseinkommens um etwa 625 Millionen Dollar führen. Die Fed selbst hat angekündigt, dass sie bis Ende dieses Jahres mit Zinssenkungen von insgesamt 50 Basispunkten und bis Ende nächsten Jahres weiteren 100 Basispunkten rechnet. Bei diesen Entwicklungen müssen sich Stablecoin-Anbieter möglicherweise nach alternativen Möglichkeiten umsehen, um ihre digitalen Vermögenswerte zu sichern und gleichzeitig Einnahmen zu generieren.
Die Verantwortung der Stablecoin-Emittenten reicht über die bloße Bereitstellung einer stabilen digitalen Währung hinaus. Sie müssen sicherstellen, dass ihre Reserven sicher verwahrt und wirtschaftlich rentabel sind. Den Hauptanteil der Einnahmen generierten diese Unternehmen in den letzten Jahren durch die Erträge aus ihren Anleihebeständen, während hohe Zinsen die Renditen von Staatsanleihen erhöhten. Dieser Kurs könnte jedoch nun ins Wanken geraten, was zu einem grundsätzlichen Umdenken in der Branche führen dürfte. Gerade die größten Stablecoin-Anbieter wie Tether und Circle haben in ihrer Bekanntschaft in den letzten Jahren von den gestiegenen Erträgen aus Staatsanleihen profitiert.
So hielt Tether beispielsweise zum Ende des zweiten Quartals 2024 etwa 93,2 Milliarden US-Dollar an US-Staatsanleihen, was einen erheblichen Teil der insgesamt 5,2 Milliarden Dollar Gewinn im ersten Halbjahr 2024 ausmachte. Ein Rückgang der Zinssätze könnte Tether und andere Anbieter in eine prekäre Situation bringen, da sie auf alternative Ertragsquellen umschwenken müssen, um ihre Betriebskosten zu decken und den Wert ihrer Stablecoins aufrechtzuerhalten. Ein weiteres interessantes Thema hierbei ist der potenzielle Rückgang der Risikobereitschaft innerhalb des Finanzsektors. Wenn sichere Anlagen wie Staatsanleihen weniger rentabel werden, könnten Stablecoin-Emittenten und andere Finanzinstitute dazu verleitet werden, in risikoärmere Anlagen zu investieren. Diese Bewegung hin zu riskanteren Vermögenswerten könnte die gesamte Marktlandschaft der Kryptowährungstoken erheblich verändern.
Andrei Terentiev, Direktor der Ingenieursabteilung bei Bitcoin.com, spekulierte, dass Finanzinstitutionen durch niedrigere Renditen auf sicherere Vermögenswerte dazu gezwungen werden könnten, sich auf Anlageklassen zu konzentrieren, die potenziell höhere Renditen bieten – diese umfassen Aktien, Kryptowährungen oder andere Investments. Diese Unsicherheiten und Veränderungen könnten die Stabilität der Stablecoins selbst in Frage stellen. Stablecoins spielen eine immer bedeutendere Rolle im Finanzsystem, insbesondere im Bereich des dezentralen Finanzwesens (DeFi). Ein Rückgang des Vertrauens in die Stabilität dieser Token könnte weitreichende Folgen für die gesamte Kryptowährungsbörse haben und sich auf die Liquidität und die Preisbildung auswirken.
Es bleibt abzuwarten, wie die Anbieter auf diese Herausforderungen reagieren werden. Einige könnten auf risikobehaftetere Anlagen umschwenken, während andere versuchen könnten, ihre Liquidität zu stellen, indem sie ihre Reserven in stabilen, ertragbringenden Anlagen umschichten. Das Potenzial für diese Branche, sich anzupassen, könnte sowie als Stärke als auch als Schwäche betrachtet werden. Schließlich muss sich die gesamte Branche nicht nur mit den wirtschaftlichen Herausforderungen auseinandersetzen, sondern auch mit regulatorischen Fragen. In einem sich schnell verändernden Markt, der von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden genau unter die Lupe genommen wird, könnte die Möglichkeit, Stablecoins weiterhin als vertrauenswürdige digitale Währung einzusetzen, beeinträchtigt werden.