Die weltweite Krypto-Community hat in den vergangenen Jahren mit großen Erwartungen auf die Regulierung durch die US-amerikanische Securities and Exchange Commission (SEC) unter der Leitung von Gary Gensler geblickt. Öffentlich wirkte Gensler oft als strenger Kritiker von Kryptowährungen, was bei vielen Branchenvertretern für Unmut und Kritik sorgte. Doch nun wirft ein ehemaliger US-Abgeordneter ein neues Licht auf die tatsächliche Haltung Genslers, die weit differenzierter und nicht so ablehnend war, wie sie in der Öffentlichkeit erschien. Patrick McHenry, der frühere Vorsitzende des House Financial Services Committee und heute bedeutender Gesetzgeber im Bereich Finanzpolitik, hat erzählt, dass Gensler hinter verschlossenen Türen durchaus die Chancen und Werte digitaler Assets anerkannte und eine positive Einstellung zum Potenzial der Blockchain-Technologie zeigte. Diese Enthüllungen eröffnen eine neue Perspektive auf das Wirken des ehemaligen SEC-Chefs, dessen Amtszeit vor allem durch zahlreiche Durchsetzungsmaßnahmen gegen die Kryptoindustrie geprägt war.
Die Diskrepanz zwischen der öffentlichen und privaten Haltung Genslers sorgt seither für Diskussionen über den Einfluss politischer Zwänge auf regulatorisches Handeln und die Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit der USA im Bereich der digitalen Finanzen. Patrick McHenry, der Einblick in zahlreiche vertrauliche Gespräche mit Gensler hatte, beschreibt dessen Position als „nicht anti-Krypto“. Während Gensler in der Öffentlichkeit oft als härter Regulierer wahrgenommen wurde, signalisierte er intern eine differenzierte Sichtweise. So würdigte er insbesondere die Möglichkeiten, die Blockchain-Technologie im akademischen Kontext bietet, etwa während seiner Tätigkeit am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Dies gilt als bedeutender Beleg für Genslers Verständnis der technischen Grundlagen und Chancen, die hinter digitalen Assets stehen.
Dennoch wirft McHenry ein, dass der Wechsel in eine politische Rolle und die damit verbundenen Zwänge, vor allem während des Bestätigungsverfahrens im US-Senat, möglicherweise dazu führten, dass Gensler eine härtere Linie verfolgen musste, um die Zustimmung und Unterstützung für seine Position zu sichern. Die Folge war eine rigorose Regulierungspolitik, die sich vor allem in über 100 durchgesetzten Fällen gegen Krypto-Unternehmen manifestierte. Diese strenge Durchsetzung des regulatorischen Rahmens sorgte in der Kryptoindustrie für große Verärgerung. Die Skepsis gegenüber Gensler wuchs, insbesondere als prominente Branchenvertreter wie Coinbase-CEO Brian Armstrong öffentlich dazu aufriefen, keine juristischen Dienstleistungen mehr von Anwaltskanzleien in Anspruch zu nehmen, in denen ehemalige SEC-Offizielle beschäftigt waren, die an der rigorosen Verfolgung von Krypto-Unternehmen beteiligt waren. Auch Gemini erklärte, dass das Unternehmen keine Absolventen des MIT einstellen werde, solange die Verbindung zu Gensler aufrechterhalten bleibt.
Diese Reaktionen unterstreichen die Spannungen zwischen der Krypto-Community und den Regulierungsbehörden, die sich sowohl aus politischen als auch aus wirtschaftlichen Interessen speisen. Parallel zu den Enthüllungen über Genslers private Haltung gibt es in den USA weitere politische Anstrengungen, die Rahmenbedingungen für digitale Assets an die aktuellen Markt- und Technologiesituationen anzupassen. Zwei einflussreiche US-Senatoren, Cynthia Lummis und Bernie Moreno, setzen sich vehement für eine Reform der Steuergesetzgebung in Bezug auf Kryptowährungen ein. Sie warnen davor, dass die derzeitige Behandlung von virtuellen Währungen im Steuerrecht – insbesondere die Besteuerung nicht realisierter Gewinne bei digitalen Assets – die Wettbewerbsfähigkeit der USA auf internationaler Ebene beeinträchtigen könnte. Die Steuerregelungen, wie sie im Inflation Reduction Act verankert sind, sehen eine Mindeststeuer für Unternehmen vor, die erhebliche Gewinne erzielen, und berücksichtigen unter Umständen auch unrealisierten Wertzuwachs.
Diese Praxis führt dazu, dass Unternehmen bereits auf Wertsteigerungen von Krypto-Beständen Steuern zahlen müssten, ohne diese Gewinne tatsächlich realisiert zu haben. Senatorin Lummis, eine bekannte Fürsprecherin digitaler Innovationen, betonte auf Social Media die Dringlichkeit einer Reform, um den Standort USA als führenden Akteur im digitalen Finanzwesen zu sichern. Neben dem Steueraspekt arbeiten Gesetzgeber derzeit auch mit Hochdruck an einem Gesetzesentwurf namens GENIUS Act, das einen Regulierungsrahmen für Stablecoins schaffen soll. Obwohl die Abstimmung über das Gesetz im Mai 2025 im Senat vorerst scheiterte, vor allem wegen politischer Widerstände, zeigte Lummis sich entschlossen, die Thematik weiter voranzutreiben, um Rechtssicherheit und Innovationsfreiraum für den digitalen Zahlungsverkehr zu schaffen. Während sich die politische Debatte um Regulierung und Steuern abspielt, ruht der Blick auch auf neuen Projekten, die mit Blockchain-Technologien und digitalen Identitäten experimentieren.
Eines der kontroversesten Vorhaben ist Worldcoin, initiiert von Sam Altman, dem CEO von OpenAI. Dieses Projekt versucht, eine neue Form der digitalen Identifizierung zu etablieren, indem es biometrische Daten, konkret Iris-Scans, zur Verifizierung der Nutzer verwendet. Die Idee dahinter ist es, echte Menschen zweifelsfrei von künstlicher Intelligenz oder Bots zu unterscheiden und damit Vertrauen in automatisierte Systeme zu schaffen. Trotz seines innovativen Ansatzes steht Worldcoin jedoch im Zentrum massiver Datenschutz- und Sicherheitsbedenken. Weltweit haben verschiedene Länder das Projekt bereits teilweise verboten oder streng reguliert.
Kritiker fürchten, dass sensible biometrische Daten missbraucht werden könnten, etwa durch Profiling, Überwachung oder gar Diskriminierung. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Privacy International warnen vor potenziellen Gefahren ohne klare gesetzliche Auflagen und Aufsicht. Die unterschiedliche Gesetzeslage in den US-Bundesstaaten erschwert zudem die Umsetzung und Akzeptanz erheblich. Während beispielsweise Kalifornien und Texas gewisse Schutzmaßnahmen für biometrische Daten eingeführt haben, fehlen in vielen anderen Bundesstaaten klare Regeln, was die Nutzer besonders verletzlich macht. Rechtsexperten weisen darauf hin, dass der Erfolg und die ethische Vertretbarkeit von Projekten wie Worldcoin stark von politischen Entscheidungen und der Bereitschaft lokaler Behörden abhängen, den Datenschutz durchzusetzen.
Die Krypto-Community selbst zeigt sich hinsichtlich Worldcoin gespalten: Manche Akteure begrüßen die technologische Innovation, andere bleiben skeptisch und mahnen zu Vorsicht. Insgesamt spiegeln die jüngsten Ereignisse die komplexe Lage wider, in der sich die Kryptoindustrie und ihre Regulierer in den USA befinden. Auf der einen Seite steht der Drang nach Innovation, der von zahlreichen Akteuren und politischen Vertretern beflügelt wird, auf der anderen Seite sorgen politische Mechanismen und die Sorge um Marktintegrität für vorsichtiges oder gar restriktives Vorgehen. Die Offenbarungen über Gary Genslers private Ansichten zeigen, wie sehr öffentliche Wahrnehmung und politische Realität auseinanderklaffen können. Gleichzeitig unterstreichen Politiker wie McHenry, Lummis und Moreno die Notwendigkeit, Rahmenbedingungen zu schaffen, die sowohl Innovation ermöglichen als auch den Schutz der Nutzer gewährleisten.