37signals, bekannt durch Produkte wie Basecamp und HEY, hat einen bedeutenden Wandel in seiner IT-Strategie vollzogen und verabschiedet sich nach über einem Jahrzehnt von Amazon Web Services (AWS). Der CTO David Heinemeier Hansson verkündete kürzlich auf LinkedIn, dass die komplette Datenmenge von 37signals, rund 18 Petabyte (PB), von den AWS S3-Speichern auf eine firmeneigene Infrastruktur umgezogen wird. Dieser Schritt markiert nicht nur das Ende einer Ära, sondern auch den Beginn einer neuen Phase, die mit erheblichen finanziellen Einsparungen und einer verschärften Kontrolle über die Daten und IT-Ressourcen einhergeht. Die Migration von der öffentlichen Cloud hin zu einem eigenen Rechenzentrum ist ein bemerkenswertes Beispiel für den Trend der sogenannten Cloud-Repatriierung. Obwohl die Public Cloud lange Zeit als unverzichtbar galt, erwachsen immer mehr Unternehmen in der kritischen Betrachtung der Nachteile, wie beispielsweise versteckte Kosten, unvorhersehbare Rechnungen und eingeschränkte Datenhoheit.
Diese Aspekte waren auch für 37signals handfeste Antriebskräfte, den eigenen Weg zu gehen. Die bisherigen jährlichen Kosten für das S3-Storage bei AWS lagen bei etwa 1,5 Millionen US-Dollar. Nach der vollständigen Umstellung auf eigene Hardware, die aus Pure Storage Flash-Systemen und Dell-Komponenten besteht, sollen die Kosten für den Speicherplatz auf unter 200.000 US-Dollar jährlich fallen. In der Gesamtschau erwartet das Unternehmen eine Reduzierung der gesamten Infrastrukturkosten von aktuell 3,2 Millionen US-Dollar auf weniger als eine Million US-Dollar pro Jahr.
Über einen Zeitraum von fünf Jahren ergibt sich eine Gesamtersparnis von über zehn Millionen US-Dollar – eine Summe, die die Investition in die Hardware und Betriebskosten mehr als aufwiegt. Die Transition wurde in zwei firmeneigenen Rechenzentren realisiert, die auf Hochleistungs-Flash-Systeme setzen. Damit reagiert 37signals nicht nur auf wirtschaftliche Überlegungen, sondern verbessert zugleich die Performance und reduziert Latenzen. Gleichzeitig gewinnt das Unternehmen volle Kontrolle über seine Daten, was im Zeitalter strengerer Datenschutzbestimmungen wie der EU-DSGVO ein enormer Vorteil ist. Die Tatsache, dass AWS die Ausstiegskosten, in Form der Datenübertragungsgebühren von etwa 250.
000 US-Dollar, übernimmt, ist ebenfalls bemerkenswert. Sie steht im Einklang mit der EU Data Act, die Cloud-Anbieter verpflichtet, technische und finanzielle Hindernisse bei der Migration zu beseitigen. Das Beispiel von 37signals unterstreicht die stärker werdende Bewegung weg von der Public Cloud hin zu hybriden oder privaten Cloud-Modellen. Dieses Spannungsfeld entsteht, da viele Unternehmen die Flexibilität und Skalierbarkeit der großen Hyperscaler zwar schätzen, jedoch mit den langfristigen Kosten und der eingeschränkten Kontrolle hadern. Durch den Betrieb eigener Infrastruktur, insbesondere für vorhersehbare und hochvolumige Workloads, lassen sich Kosten besser kalkulieren und Datenhoheit sicherstellen.
Eine Alternative, die in diesem Zusammenhang genannt wird, ist Stackscale, ein europäischer Infrastruktur-Anbieter, der private Cloud- und Bare-Metal-Lösungen anbietet. Stackscale punktet mit Vorteilen wie niedriger Latenz, redundanter Anbindung, datenschutzkonformer Infrastruktur und transparenten, planbaren Preisen ohne überraschende Zusatzkosten. Gerade für Unternehmen mit strengen Anforderungen an Verfügbarkeit und Datenschutz bieten solche europäischen Anbieter eine interessante Option neben den großen amerikanischen Hyperscalern. Der Strategiewechsel bei 37signals ist geprägt von der Erkenntnis, dass Cloud nicht die alleinige Lösung für alle Szenarien sein kann. CTO David Heinemeier Hansson betont, dass zwar die Public Cloud in bestimmten Fällen nützlich ist, sie jedoch nicht das Patentrezept für jede Organisation darstellt.
Die Kostenstrukturen, die Komplexität der Abhängigkeiten und die Kontrolle über eigene Ressourcen erfordern differenzierte Betrachtungen. Besonders in Branchen wie Software-as-a-Service (SaaS), E-Commerce, Finanztechnologien, Medien und Gaming gewinnen hybride und private Cloud-Modelle zunehmend an Bedeutung. Die Vorteile einer selbstverwalteten Infrastruktur liegen dabei nicht nur in der Kostenersparnis. Die eigene Hardware ermöglicht eine bessere Vorausschaubarkeit bei der Budgetplanung und eine größere Unabhängigkeit von den Preispolitiken der großen Cloud-Anbieter. Hinzu kommen Aspekte wie die Nähe der Infrastruktur zum eigenen Unternehmen, die erhöhte Sicherheit durch weniger externe Zugriffspunkte und die Möglichkeit, die Umgebung individuell auf eigene Anforderungen zuzuschneiden.
Neben dem finanziellen und technischen Nutzen ist auch die Nachhaltigkeit ein nicht zu unterschätzender Faktor. Der Betrieb eigener Rechenzentren erlaubt es Unternehmen, ihren Energieverbrauch bewusster zu steuern und gegebenenfalls auf umweltfreundliche Technologien und regenerative Energiequellen umzusteigen. Im Gegensatz zu Public Clouds, die oft anonym und an wechselnden Standorten betrieben werden, können Firmen so ihren ökologischen Fußabdruck besser kalkulieren und reduzieren. Die Migration großer Datenmengen, wie sie bei 37signals stattfand, stellt jedoch auch Herausforderungen dar. Die Übertragung von 18 PB ist ein massives Unterfangen, das nicht nur technisch sorgsam geplant werden muss, sondern auch sicherstellen muss, dass Ausfallzeiten minimal bleiben.
Die erfolgreiche Umsetzung zeigt, dass solche Projekte mit der richtigen Vorbereitung, modernen Speichertechnologien und erfahrenen Teams machbar sind – und dass sich eine Investition in die eigene Infrastruktur langfristig lohnen kann. Diese Entwicklung ist auch Ausdruck eines größeren Paradigmenwechsels in der IT-Welt. Der anfängliche Hype um die Public Cloud wird zunehmend durch eine nüchterne Betrachtung ergänzt, bei der Unternehmen ihre individuellen Anforderungen und Kosten genau analysieren. Es geht nicht mehr darum, „cloud oder nicht-cloud“ zu entscheiden, sondern darum, eine hybride und maßgeschneiderte IT-Strategie zu fahren, die Effizienz, Kontrolle und Flexibilität bestmöglich vereint. Ein weiterer Aspekt ist die lokale Gesetzgebung und der Datenschutz.
Firmen, die sensible Kundendaten verarbeiten, bevorzugen zunehmend lokale Rechenzentren in der Nähe ihrer Hauptmärkte, um gesetzliche Anforderungen besser zu erfüllen und Auskunftspflichten zu erleichtern. Die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und weitere gesetzliche Vorgaben wie der EU Data Act schaffen klare Rahmenbedingungen, die Cloud-Anbieter erfüllen müssen, doch eigene Einrichtungen ermöglichen oft eine noch präzisere Einhaltung der Vorschriften. Für 37signals ist der Schritt weg von AWS ein klares Bekenntnis zu mehr Selbstbestimmung, Kosteneffizienz und technischer Innovation. Das Unternehmen zeigt, dass man durch strategisches Denken und technische Kompetenz nicht nur Abhängigkeiten von großen Anbietern verringern, sondern auch neue Potenziale erschließen kann. Diese Entscheidung dürfte andere Unternehmen zum Nachdenken anregen und den Trend der Cloud-Repatriierung weiter befeuern.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Migration von 37signals ein wegweisendes Beispiel für die Zukunft der Unternehmens-IT darstellt. Die Zeiten, in denen die Public Cloud als die einzige realistische Option galt, sind vorbei. Vielmehr ist eine differenzierte Betrachtung nötig, die sowohl wirtschaftliche als auch technische und rechtliche Aspekte berücksichtigt. Unternehmen, die ihre Infrastruktur selbst in die Hand nehmen, können nicht nur Kosten reduzieren, sondern auch mehr Transparenz, Sicherheit und Nachhaltigkeit erreichen. Die Lehren aus dem 37signals-Projekt zeigen, dass der Weg zurück zur eigenen Hardware nicht rückwärtsgewandt, sondern ein Schritt in Richtung effizienterer, nachhaltigerer und transparenterer IT-Modelle ist.
Gerade in einer Zeit, in der Flexibilität und Kontrolle an Bedeutung gewinnen, bietet die private und hybride Cloud eine attraktive Alternative, die neue Chancen eröffnet und zugleich klassische Herausforderungen der Public Cloud adressiert. Der Erfolg von 37signals bestätigt die wachsende Erkenntnis, dass jede Organisation ihre Cloud-Strategie individuell gestalten sollte. Ein Blick über den Tellerrand hinaus, weg vom Hype hin zur realistischen Umsetzung, gibt Unternehmen die Möglichkeit, ihr IT-Ökosystem zukunftssicher und wirtschaftlich erfolgreich zu gestalten.