Die heutige Social-Media-Landschaft ist vielfältiger denn je. Unterschiedliche Plattformen setzen auf verschiedene Protokolle, seien es ActivityPub bei Mastodon oder ATProtocol bei Bluesky. Diese Vielfalt bietet viele Freiheiten, jedoch gehen damit auch Herausforderungen einher – insbesondere dann, wenn Nutzer ihre Social-Media-Experience auf eine andere Plattform verlegen möchten. Ein Problem, das bisher viele Nutzer davor abschreckte, neue Netzwerke auszuprobieren, da das Übertragen der gesamten sozialen Community oft mit mühsamem Neuaufbau verbunden war. Hier setzt Bounce an, ein innovatives Tool, das im Juni 2025 auf dem FediForum vorgestellt wurde und das Potenzial hat, die sozialen Medien grundlegend zu verändern.
Bounce ermöglicht die plattform- und protokollübergreifende Migration sozialer Netzwerke – und zwar ohne den Verlust der eigenen Follower oder bestehender Beziehungen. Das größte Hindernis beim Wechsel von sozialen Plattformen war lange Zeit der Verlust der eigenen Social Graph, also aller Kontakte, denen man folgt, und die einem folgen. Traditionell mussten Nutzer beim Anmelden auf einer neuen Plattform wieder komplett von vorne anfangen. Durch die fehlende Möglichkeit, die eigene Community und alle Follower mitzunehmen, war der Wechsel mit erheblichen Nachteilen verbunden. Dies führte dazu, dass Menschen bei nicht mehr optimalen Angeboten verharrten, anstatt bequem zu wechseln – ein Phänomen, das auch als Lock-In-Effekt bekannt ist.
Diese Problematik wurde besonders deutlich im offenen Sozialen Web. Gerade wer sich auf Protokoll-basierte Netzwerke wie ActivityPub oder ATProtocol verlässt, erwartet einen nahtlosen Wechsel zwischen Plattformen ohne soziale Verluste. Schließlich basieren beide auf offenen Standards, die eigentlich solche Wechsel ermöglichen sollten. Praktisch war dies jedoch bislang oft schwierig und verwirrend für Nutzer, da komplexe technische Voraussetzungen und mangelnde Automatisierung eine echte Abwanderung erschwerten. Die Idee hinter Bounce ist dabei so einfach wie genial: Es soll ein Tool sein, das den kompletten Social Graph eines Nutzers plattformübergreifend migriert – und zwar von Mastodon zu Bluesky oder umgekehrt.
Das Ziel ist, dass Nutzer nicht mehr zwischen Community und Plattform wählen müssen, sondern einfach ihr Netzwerk mitnehmen können, ohne Kompromisse eingehen zu müssen. Dabei kommt Bridgy Fed als technologische Basis ins Spiel, ein Dienst, der bereits zuvor als Brücke zwischen verschiedenen Protokollen diente und den Austausch von Inhalten zwischen ActivityPub- und ATProtocol-Plattformen ermöglicht. Bridgy Fed arbeitet über sogenannte "Bridged Accounts", also Brücken-Profile auf der jeweils anderen Plattform, die im Hintergrund die eigenen Beiträge synchronisieren. Ein Mastodon-Account etwa erhält einen Bluesky-kompatiblen Spiegel, der alle veröffentlichten Beiträge übernimmt. Reaktionen und Antworten von Nutzern auf der anderen Plattform werden wiederum zurückübersetzt, wodurch eine interaktive Kommunikation zwischen den Protokollen entsteht.
Diese Technik ermöglicht es, Inhalte nahtlos auszutauschen, ohne die Beschränkungen traditioneller API-Schnittstellen. Bounce hebt diese Technik auf eine neue Stufe, indem es die bestehenden Bridgy Fed Accounts nutzt, um die Identitäten und Verbindungen der Nutzer nicht nur zu synchronisieren, sondern zu übertragen. Es funktioniert im Grunde wie ein Umzugsunternehmen für die eigene soziale Identität – deshalb auch der Name Bounce, der sinnbildlich für das „Springen“ von einem Netzwerk ins andere steht. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass Nutzer damit nicht gezwungen sind, ihre bestehenden Communities zurückzulassen. Vielmehr reisen sowohl die Follower als auch viele der gefolgten Profile mit – ein Unterschied zu bisherigen Matching-Diensten, die oft nur Verbindungen auf Basis gleicher Accounts herstellen konnten, jedoch nicht die Follower selbst migrierten.
So entsteht ein echtes Gefühl der Kontinuität und das Verlassen einer Plattform wird nicht mehr als Verlust empfunden. Ein weiterer Vorteil von Bounce ist die Protokollunabhängigkeit. Solange die jeweiligen Plattformen ActivityPub oder ATProtocol unterstützen, kann Bounce die Migration realisieren. Dadurch ist das Tool nicht auf eine enge Auswahl an Plattformen limitiert, sondern hat das Potenzial, mit einer Vielzahl von offenen Netzwerken zu arbeiten. Dies macht das Konzept zu einem echten Schritt hin zu einem nutzerzentrierten offenen Web, in dem die Menschen ihre Daten und sozialen Beziehungen selbst kontrollieren können.
Technisch gesehen wird bei Bounce das Bouncing durch das gegenseitige "Moving" der gebridgten Accounts realisiert. Die Bluesky-Konten, die von Bridgy Fed im Zuge der Verbindung bereitgestellt werden, werden in das Mastodon-Profil integriert und umgekehrt. Damit wird die Profilebene zwischen den beiden Protokollen verbunden, ohne dass Nutzer manuell Accounts neu anlegen oder Verbindungen suchen müssen. Das System stellt sicher, dass Follower auf beiden Seiten des Brückenschlags erhalten bleiben. Ein kleiner Wermutstropfen besteht momentan noch darin, dass Nutzer von auf Bluesky nicht gebridgten Account-Interaktionen auf Mastodon nicht unmittelbar sehen können.
Doch die Entwickler von Bounce arbeiten bereits an einer Lösung, die Benachrichtigungen über nicht-gebundene Interaktionen ermöglichen wird, wodurch die Kommunikation weiter vollständig werden soll. Darüber hinaus verfolgt Bounce das Ziel, hierfür eine breitere Community zu gewinnen. Je mehr Plattformen und Nutzer mit Bridgy Fed verbunden werden, desto größer wird das durch Bounce realisierbare soziale Netzwerk. Die Vision ist ein offenes soziales Web, in dem Nutzer vollkommene Freiheit genießen, jederzeit und ohne Datenverlust ihr soziales Netzwerk zu verlagern oder zu replizieren. Die Rolle von Bounce dabei ist entscheidend, um diese Vision Realität werden zu lassen.
Das Team von A New Social, einer Non-Profit-Organisation, trägt einen großen Anteil an der Entwicklung von Bounce und Bridgy Fed. Die Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, soziale Medien vom plattformzentrierten zu einem menschenzentrierten Erlebnis zu transformieren. Dabei setzen sie auf Open-Source-Tools und offene Protokolle sowie auf die Unterstützung der Gemeinschaft, um eine demokratischere und dezentralere Online-Welt zu fördern. Bounce markiert eine neue Phase in dieser Entwicklung, mit Beta-Versionen, die in Kürze für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Interessierte Anwender und Entwickler sind eingeladen, sich zu beteiligen und die Weiterentwicklung aktiv mitzugestalten.
Diese Einbindung stärkt nicht nur die Funktionalität, sondern auch die Akzeptanz und Reichweite des Tools. Für Nutzer, die erwägen, eine neue Plattform auszuprobieren oder umzuziehen, bietet Bounce einen entscheidenden Vorteil: den Erhalt der eigenen sozialen Beziehungen. Das macht den Schritt leichter, reduziert die Angst vor dem so genannten Plattform-Lock-in und fördert eine authentischere Vernetzung über Grenzen hinaus. Gerade in der aktuellen Zeit, in der Datenschutz, Kontrolle über persönliche Daten und offene Kommunikation immer wichtiger werden, stellt Bounce einen wirklich willkommenen Fortschritt dar. Die Kombination aus Bridgy Fed und Bounce zeigt zudem auch, wie technische Innovation und Open-Source-Gemeinschaften soziale Normen und Praktiken positiv verändern können.
Sie liefern Werkzeuge, die es erlauben, das digitale Leben transparenter, flexibler und sozial vertrauenswürdiger zu gestalten – fernab von den Zwängen großer, proprietärer Plattformen. Insgesamt ist Bounce ein wegweisendes Projekt, das sowohl technische Herausforderungen meistert als auch gesellschaftlich anerkannte Bedürfnisse aufgreift. Es macht deutlich, dass wir uns auf dem Weg zu einem offenen sozialen Web befinden, in dem Menschen nicht länger machtlos an Plattformen gebunden sind, sondern die Kontrolle über ihre Identitäten und sozialen Beziehungen selbst in der Hand haben. Die Zeit des Umzugsstress im digitalen Raum neigt sich damit dem Ende zu. Wer heute also überlegt, seinen sozialen Netzwerk-Standort zu wechseln, sollte Bounce auf dem Radar haben.
Das Tool verspricht nicht nur eine einfache und komfortable Lösung, sondern bringt auch die soziale Medienwelt ein Stück näher zusammen – über Protokolle hinweg, über Plattformen hinaus, am Menschen orientiert. Bounce ist mehr als nur ein Migrationstool – es ist ein echter Game-Changer für die Zukunft der sozialen Vernetzung.