Die Landschaft der Investitionen in Indien hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert, insbesondere im Bereich der sogenannten Special Situations, bei denen Anleger gezielt nach Möglichkeiten in notleidenden Vermögenswerten suchen. Das Mid-Market-Segment indes gewinnt immer mehr an Bedeutung, da es den idealen Mix aus Wachstumspotenzial und Restrukturierungschancen bietet. Dabei handelt es sich um Unternehmen und Vermögenswerte, die aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten unter Wert gehandelt werden, aber bei erfolgreicher Sanierung eine überdurchschnittliche Rendite generieren können. Ein zentraler Treiber dieser Entwicklung in Indien ist das Insolvenzsicherungs- und Restrukturierungsgesetz, das sogenannte Insolvency and Bankruptcy Code (IBC), das 2016 eingeführt wurde. Vor diesem Gesetz war das Insolvenzsystem in Indien unübersichtlich und ineffizient, was lange Zeit zu hohen faulen Krediten bei Banken sowie ausgeprägten Liquiditätsproblemen bei Unternehmen führte.
Mit der Einführung des IBC wurden feste Fristen für die Abwicklung von Insolvenzfällen eingeführt, dem Prozess wurde mehr Transparenz verliehen, und die Rolle der Gläubiger wurde gestärkt. Dies schuf erstmals einen investierbaren Markt für notleidende Kredite und Sanierungsfälle. Trotz der Fortschritte bleibt das Umfeld komplex, denn die vollständige Abwicklung von Fällen dauert oft länger als das angestrebte Limit, und die Erholungsquoten sind stark von der Branche und der Qualität der Vermögenswerte abhängig. Strategische Industrien wie Stahl oder Infrastruktur verzeichnen mitunter Rückflüsse von über 90 Prozent, während eher veraltete Unternehmenssegmente deutlich niedrigere Erholungsquoten erzielen. Dennoch hat diese Entwicklung das Verhalten von Unternehmen verändert: Die Bedrohung durch eine Insolvenzanmeldung wirkt vielfach als Anreiz für frühzeitige Gespräche zur Schuldenrestrukturierung, was dem Bankensystem insgesamt zugutekommt.
Der indische Finanzmarkt hat sich zudem rasch professionalisiert. Fonds, Asset Reconstruction Companies (ARCs), Private-Equity-Gesellschaften und spezialisierte Restrukturierungsteams sind heute aktiv am Markt tätig und kämpfen in einem zunehmend kompetitiven Umfeld um attraktive Deals. Dieses Ökosystem zeichnet sich durch eine enorme Bandbreite an Fähigkeiten aus, die notwendig sind, um komplexe Sanierungsprozesse erfolgreich zu gestalten. Dazu gehören neben finanzieller Expertise auch juristische Fähigkeiten, genaue Kenntnis lokaler Regularien sowie operative Sanierungsfähigkeit. In den letzten Jahren haben sowohl inländische als auch internationale Anleger den Wert dieses Marktes erkannt.
Während ausländische Investoren oft durch Partnerschaften oder Joint Ventures mit lokalen Marktakteuren operieren, unterstreicht dies die Bedeutung von lokalem Know-how und Netzwerken in Indien. Die Herausforderungen bei der Abwicklung von Special Situations umfassen traditionelle Probleme, wie etwa das Überwinden von Forderungsgläubigerausschüssen, die komplexe Handhabung gerichtlicher Auseinandersetzungen sowie das Management teilweise schwieriger Promoter und Unternehmensleitungen. Diese Aufgaben erfordern Fingerspitzengefühl und strategische Verhandlungsmacht, was mit reiner Kapitalstärke allein nicht zu lösen ist. Ein bemerkenswertes Beispiel für die Attraktivität des indischen Marktes ist die Beteiligung globaler Schwergewichte aus dem Bereich der distressed Assets. Fonds wie Oaktree Capital, KKR, Bain Capital oder Apollo investieren zunehmend in Indiens Special Situations, teilweise direkt und zunehmend auch über strategische Kooperationen mit indischen Akteuren.
Regulatorische Anpassungen, wie die Erlaubnis von 100 Prozent ausländischem Eigentum an Asset Reconstruction Companies und die Einführung spezieller AIF-Strukturen (Alternative Investment Funds) durch die Securities and Exchange Board of India, erleichtern zudem den Marktzugang. Die Renditeerwartungen in diesem Segment sind aufgrund der Chancen und Risiken beachtlich. Zielrenditen liegen häufig im Bereich von etwa 18 bis 24 Prozent brutto, und Investoren können durch den Erwerb von Krediten zu Preisen zwischen 30 und 40 Cent auf den Dollar von attraktiven Bewertungsabschlägen profitieren. Diese Margen sind im Vergleich zu entwickelten Märkten weiterhin deutlich höher, da hier die Konkurrenz erhöht und die Asset-Preise bereits stärker komprimiert sind. Somit befindet sich der indische Markt momentan in einer seltenen Phase, die Investoren ermöglicht, günstig einzusteigen und von der erwarteten wirtschaftlichen Erholung zu profitieren.
Ein weiterer Faktor, der den Mid-Market-Sektor in Indien interessant macht, ist die breit gefächerte Branchenbasis. Während traditionelle Industrien wie Stahl, Infrastruktur, Textilien und Immobilien dominieren, wachsen zugleich neue Bereiche wie strukturierte Konsumfinanzierung und erneuerbare Energien zusehends in das Feld hinein. Die wirtschaftliche Dynamik Indiens, gestützt durch ein erwartetes Wachstum von über sechs Prozent jährlich, die ausreichende Liquidität im Bankensystem und eine politische Ausrichtung auf Infrastruktur- und Finanzreformen, schafft ein Umfeld, das neben der Verbesserung der Unternehmenslagen für eine nachhaltige Wertsteigerung sorgen kann. Die Synergie zwischen Restrukturierung und makroökonomischem Aufschwung erinnert an frühere Phasen in anderen Märkten, etwa die USA der 1990er Jahre oder Europa nach der Finanzkrise. Damals spielten wirtschaftliche Erholungen und niedrige Zinsen eine wesentliche Rolle, um den Wert von Investmentgelegenheiten in notleidenden Vermögenswerten signifikant zu steigern.
Gegenwärtig steht Indien am Beginn eines ähnlichen Zyklus, was eine noch bevorstehende Zweitrundenchance für Investoren bedeutet, die bereits früh im Prozess eingestiegen sind. Zusammenfassend zeigt sich, dass das Management von Special Situations im indischen Mid-Market-Segment eine Kombination aus rechtlicher Expertise, operativer Kompetenz und Marktkenntnis verlangt. Investoren, die diese Faktoren beherrschen und die aktuellen Marktbedingungen verstehen, haben beste Chancen, profitabel zu agieren und von hohen Renditen zu profitieren. Der Markt steht dabei vor einer anspruchsvollen, aber lohnenden Herausforderung, in der sich schnelle Reaktionen, fundierte Due-Diligence-Prüfungen und strategische Partnerschaften als Erfolgsfaktoren herauskristallisieren. Wer heute in diesen speziellen Bereich investiert, sichert sich damit einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil, denn die Bewertungsunterschiede sind noch offenbar und die Strukturen des Marktes entwickeln sich weiter.
Die Kombination aus wachsender Wirtschaft, reger Aktivität im Bereich der distressed Assets und verbesserten regulatorischen Rahmenbedingungen macht das indische Mid-Market-Segment zu einem der spannendsten Investitionsfelder im Bereich der Special Situations weltweit. Für Investoren, die nicht nur Kapital, sondern auch Wissen und lokales Engagement mitbringen, eröffnen sich hier langfristige Chancen auf attraktive, risikoangepasste Renditen.