In einer überraschenden und weitreichenden Entscheidung hat die US-amerikanische Securities and Exchange Commission (SEC) zahlreiche vorgeschlagene Regulierungen, die während der Amtszeit der Biden-Administration erarbeitet wurden, zurückgezogen. Dies betrifft insbesondere wichtige Regelungen im Bereich Kryptowährungen, wie etwa jene zu dezentralen Finanzprotokollen (DeFi) und die Verwahrung digitaler Vermögenswerte. Die Entwicklung signalisiert einen deutlichen Richtungswechsel in der US-Regulierungspolitik, der weitreichende Folgen für den Krypto-Markt und die Akteure der Branche haben könnte. Die zurückgezogenen Regelungen waren ursprünglich darauf ausgelegt, den Kryptosektor stärker zu überwachen und den Schutz der Anleger zu verbessern. Insbesondere die Regeln zur Krypto-Verwahrung und die Definition von Handelsplattformen wurden intensiv diskutiert.
Die SEC unter der Leitung des ehemaligen Vorsitzenden Gary Gensler hatte mehrere Maßnahmen vorgeschlagen, die vor allem auf die Integration von dezentralen Plattformen in das traditionelle Regulierungssystem abzielen sollten. Eine der zentralen Rücknahmen betrifft die Regel 3b-16, welche die Definition des Begriffs „Exchange“ erweitert hätte. Ziel war es, auch dezentrale Finanzsysteme als Handelsplattformen einzustufen, wodurch diese unter die Kontrolle der SEC gefallen wären. Diese Ausweitung hätte bedeutet, dass viele DeFi-Protokolle und -Plattformen künftig als regulierte Börsen gelten müssen – ein Schritt, der insbesondere bei Projektentwicklern und Krypto-Enthusiasten für viel Besorgnis sorgte. Mit der Rücknahme dieser Regel bleiben viele DeFi-Projekte erst einmal von einer solchen Einstufung verschont und damit außerhalb des strengen behördlichen Rahmens.
Gleichzeitig wurde eine weitere bedeutende Regelung gestrichen: die sogenannte „Safeguarding Advisory Client Assets“-Regel, die die Verwahrungspflichten von Investitionsberatern verschärft hätte. Sie sollte sicherstellen, dass alle Kundengelder, inklusive Digitalwährungen, nur bei sogenannten „qualifizierten Verwahrern“ – in der Regel regulierten Banken oder Broker-Dealer – gehalten werden dürfen. Viele Krypto-Börsen und Wallet-Anbieter erfüllen diese strengen Anforderungen jedoch nicht, weshalb diese Regel potenziell massive Auswirkungen auf die gesamte Krypto-Branche gehabt hätte. Die Rücknahme entlastet daher viele Anbieter und Investoren, die auf flexiblere Verwahrungsmodelle angewiesen sind. Die Entscheidung, diese Regeln zurückzuziehen, erfolgte im Kontext einer breiteren politischen und regulatorischen Neuorientierung.
Während die Biden-Administration eine strengere Kontrolle auf Krypto-Angelegenheiten anstrebte, hat die aktuelle US-Regierung unter Donald Trump einen Kurs der Deregulierung eingeschlagen, der den Finanz- und insbesondere den Kryptomarkt flexibler gestalten möchte. Experten sehen darin einen Versuch, den US-Markt wettbewerbsfähiger zu gestalten und gleichzeitig Innovationen nicht durch übermäßige Bürokratie zu behindern. Die Rücknahme der genannten Vorschriften ist Teil einer größeren Reihe von Regulierungsmaßnahmen, die seit März 2022 bis November 2023 diskutiert, aber nie endgültig umgesetzt wurden. Die SEC kommunizierte, dass sie diese Regelungen nicht weiter verfolgen werde, es jedoch nicht ausgeschlossen sei, in der Zukunft neue Vorschläge einzubringen, sollte sich die regulatorische Perspektive erneut ändern. Diese Flexibilität deutet darauf hin, dass die Regulierung des Kryptosektors weiterhin dynamisch bleibt und in den kommenden Monaten und Jahren neue Entwicklungen zu erwarten sind.
Neben den direkt auf Krypto bezogenen Maßnahmen betraf die Welle der Aufhebungen auch andere regulatorische Bereiche. Beispielsweise wurden Cybersecurity-Berichts- und Risikomanagement-Regeln für Investmentberater und Fonds ausgesetzt, die auch Auswirkungen auf digitale Vermögensverwalter und Krypto-Fonds hatten. Auch eine ursprünglich geplante Vorschrift zur Meldung von Positionen bei sicherheitsbasierten Derivaten wurde zurückgezogen, was ebenfalls die Spielräume für Unternehmen mit großen Krypto-Derivate-Exposures erweitern dürfte. Ein weiterer Bereich, der von den Rücknahmen betroffen ist, betrifft erweiterte Umwelt-, Sozial- und Governance-Anforderungen (ESG) für börsennotierte Unternehmen. Die SEC kündigte an, dass solche erweiterten Berichtspflichten zunächst nicht weiter verfolgt werden sollen.
Obwohl dies nicht unmittelbar mit Krypto zu tun hat, zeigt es den generellen Trend zu weniger strenger Regulierung in mehreren Segmenten des Kapitalmarktes. Die Reaktionen in der Krypto-Community fielen gemischt aus. Einige sehen die Aufhebungen als positiven Schritt hin zu einer liberaleren und innovationsfreundlicheren Regulierung, die es den Unternehmen ermöglicht, schneller und flexibler zu agieren. Andere warnen davor, dass fehlende klare Regeln langfristig zu Unsicherheiten und möglichen Risiken für Anleger führen könnten. Vor allem bei der Verwahrung digitaler Assets ist das Fehlen strenger Vorschriften ein zweischneidiges Schwert: Einerseits fördert es Innovation, andererseits birgt es Risiken bezüglich Sicherheit und Vertrauen.
Auch große Akteure der Branche äußerten sich zu den Änderungen. Paul Grewal, Chief Legal Officer der Krypto-Börse Coinbase, begrüßte die Entscheidung für die Rücknahme der Regel 3b-16 und anderer Vorschläge auf der Social-Media-Plattform X. Dies verdeutlicht, wie eng die Regulatorik und die Marktakteure miteinander verflochten sind und wie Regulierungsentscheidungen unmittelbare Auswirkungen auf Geschäftspraktiken und strategische Ausrichtungen haben können. Mit Blick auf die internationale Perspektive bleibt die Situation weitgehend uneinheitlich. Während die USA nun eine Phase der Deregulierung eingeleitet haben, arbeiten andere Regionen wie die Europäische Union und asiatische Staaten weiterhin an verschärften Regulierungen, um Investorenschutz zu verbessern und Marktstabilität zu gewährleisten.
Dies führt zu einem internationalen Geflecht von Regeln, mit dem sich globale Krypto-Unternehmen auseinandersetzen müssen. Die Rücknahme der Biden-Ära-Krypto-Regeln durch die SEC markiert somit einen Wendepunkt für den amerikanischen Kryptomarkt. Sie schafft kurzfristig mehr Handlungsspielraum für Unternehmen und Investoren, könnte aber auch die Debatte über die Notwendigkeit eines schützenden regulatorischen Rahmens neu entfachen. Für Marktteilnehmer bedeutet dies, dass sie künftig noch flexibler und vorausschauender agieren müssen, um auf mögliche neue regulatorische Maßnahmen vorbereitet zu sein. Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass die US-Behörde durch den Verzicht auf zuvor geplante Vorschriften den Kryptomarkt deutlich entlastet hat, was Innovationen und Wachstum fördern kann.
Gleichzeitig bleibt die Ungewissheit über zukünftige Regelungen bestehen, da die SEC ausdrücklich offenlässt, bei Bedarf erneut aktiv zu werden und neue Vorschläge zu unterbreiten. Die Krypto-Community und Investoren sollten daher nicht nur die aktuellen Entwicklungen beobachten, sondern sich auch auf mögliche künftige Änderungen einstellen. Die Korrespondenz zwischen regulatorischer Vorsicht und Innovationsförderung bleibt ein zentraler Balanceakt, der in der kommenden Zeit noch viele Akteure und Bereiche der Branche beschäftigen wird. Besonders in einem so dynamischen Feld wie Kryptowährungen und DeFi sind klare, aber flexible Rahmenbedingungen entscheidend. Die zurückgenommenen Regelungen zeigen, wie komplex dieser Prozess ist und wie sich politische Wechsel und wirtschaftliche Realitäten gegenseitig beeinflussen.
In jedem Fall bleibt der US-Markt ein wichtiger Impulsgeber und Beobachtungsobjekt für den weltweiten Umgang mit digitalen Assets. Die aktuellen Entscheidungen der SEC setzen neue Maßstäbe und werden die Diskussion über die richtige Regulierung von Kryptowährungen weiter prägen. Anleger, Unternehmen und Regulatoren gleichermaßen sind aufgerufen, diesen Prozess aufmerksam zu begleiten und sich auf eine sich ständig wandelnde Landschaft einzustellen.