Die Huntington-Krankheit (HD) ist eine erblich bedingte neurodegenerative Erkrankung, die durch die Expansion von trinukleotidischen CAG-Wiederholungen im Huntingtin-Gen (HTT) verursacht wird. Diese TNR (Trinukleotid-Repeat)-Erweiterungen verändern den Genotyp und führen zu defekten Proteinen, welche die Nervenzellen im Gehirn schädigen und progressive motorische, kognitive sowie psychiatrische Symptome auslösen. Die Anzahl der CAG-Wiederholungen bestimmt dabei maßgeblich den Schweregrad und Beginn der Erkrankung. Längere, ununterbrochene Repeat-Trakte sind besonders instabil und neigen im Laufe des Lebens zu somatischen Expansionen, was wiederum zu einer weiteren Verstärkung der Neurodegeneration führt. Daher gilt die Verhinderung oder Stabilisierung dieser somatischen Repeat-Expansionen als ein zentrales therapeutisches Ziel in der Forschung zu Huntington und verwandten TNR-Erkrankungen.
Traditionell stehen kaum kurative Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die das Fortschreiten der Krankheit auf molekularer Ebene aufhalten. Moderne Genom-Editierungstechniken eröffnen jedoch neue Perspektiven, indem sie gezielt Genvariationen korrigieren, ohne dabei das komplette Genom zu zerstören. Besonders Basen-Editing stellt eine innovative Technologie dar, die einzelne Nukleotide präzise an der DNA sequenz verändern kann, ohne doppelte DNA-Strangbrüche zu verursachen. Dies ist besonders geeignet zur Einführung von sogenannten Interruptions — also gezielten, nicht pathogenicen Unterbrechungen innerhalb der repetitiven CAG-Trakte, welche die genomische Stabilität verbessern. Studien mit Patientenfibroblasten und Modellorganismen zeigen mittlerweile, dass durch den gezielten Einsatz von cytosin- und adenin-Baseneditoren signifikant weniger somatische Repeat-Expansionen auftreten.
Konkret wurden mittels cytosin-Baseneditoren CAG-Sequenzen an bestimmten Stellen zu CAA-Codons verändert, die beide Glutamin kodieren, aber genetisch als Interruptions die Neigung zu Expansionen bremsen. Auch im Mausmodell der Huntington-Krankheit konnte nach Behandlung mit AAV-vermitteltem Basen-Editing eine deutliche Reduktion der somatischen Repeat-Expansion beobachtet werden, insbesondere im Hirngewebe der Striatum- und Kortexregion, die für die Symptomausprägung zentral sind. Der Einsatz von speziell entwickelten hochpräzisen Cas9-Varianten mit erweitertem PAM-Spektrum ermöglichte eine effiziente und zielgenaue Bearbeitung der HTT-CAG-Traktoren. Hierbei wurde an mehreren Stellen innerhalb der langen Wiederholungsregion eine kontrollierte Mutation vorgenommen, die weder den Proteincode veränderte noch unerwünschte Nonsense-Mutationen hervorbrachte. Die hohe Spezifität wurde durch umfassende Off-Target-Analysen mittels CIRCLE-seq und Ganzgenomsequenzierung überprüft.
Dabei zeigte sich, dass die meisten Off-Target-Events ausschließlich in nicht-kodierenden oder synonymeren Bereichen auftraten, sodass potenzielle Nebenwirkungen minimiert werden können. Die molekularen Mechanismen hinter somatischen Repeat-Expansionen sind komplex und haben mit der Bildung instabiler DNA-Strukturen, wie Haarnadel- und R-Loop-Formationen, zu tun, welche eine fehleranfällige DNA-Reparatur triggern. Interruptions innerhalb der repetitiven Sequenzen verhindern diese schädlichen Strukturen oder erleichtern die korrekte Reparatur, wodurch das Fortschreiten somatischer Erweiterungen gehemmt wird. Interessanterweise korrelieren natürliche Interruptionsvarianten bei HD-Patienten mit einem deutlich verzögerten Krankheitsbeginn, was die therapeutische Relevanz der Baseneditierung unterstreicht. Neben Huntington betreffen ähnliche Expandierende TNRs weitere neurodegenerative Erkrankungen, wie beispielsweise Friedreich-Ataxie, die durch GAA-Repeat-Expansionen im FXN-Gen charakterisiert ist.
Analog dazu konnten adenine Baseneditoren dazu verwendet werden, das GAA-Repeat durch Einführung von GGA- oder GAG-Interruptions zu stabilisieren. Auch hier führt die Unterbrechung der Wiederholungen zu einer deutlich reduzierten Somatikexpansion und einer Verbesserung der Genexpression. Die Umsetzung dieser Strategien in vivo mittels Adeno-assoziierter Viren bietet ein attraktives Werkzeug für die Therapieforschung. In Neonatalmäusen konnten mit intracerebroventrikulären Injektionen der AAV9-Vektoren effiziente Transduktionen der relevanten Hirnareale erzielt werden. Die kontinuierliche Expression der Baseneditoren resultierte in einem progressiven Anstieg der Interruptionsrate über mehrere Wochen hinaus mit einem nachhaltigen Rückgang charakteristischer Repeat-Expansionen.
Außerdem wurden in den transduzierten Neuronen auch Kontraktionen der Repeatlänge verzeichnet, was eine potenzielle Verjüngung des To-repeat-Trakts darstellt. Hinsichtlich der Sicherheit ist besonders die sorgfältige Auswertung von unerwünschten Off-Target-Editierungen von zentraler Bedeutung. Die umfassenden Analysen beinhalteten mehrere Ebenen der Validierung und zeigten, dass die meisten durch die Baseneditoren eingeführten Veränderungen entweder harmlos oder mit natürlichen Variationen vergleichbar sind. Eine kleine Anzahl von nicht-synonymen Off-Target-Modifikationen wurde identifiziert, deren funktionelle Konsequenzen jedoch überwiegend als benign eingeschätzt wurden. Die Entwicklung noch weiter verbesserter Deaminasevarianten und optimierter Expressionssysteme könnte dies zukünftig weiter minimieren.
In der Gesamtschau ergeben die aktuellen Forschungsergebnisse eine vielversprechende Perspektive, wie Präzisionsgenomeditierung eingesetzt werden kann, um die molekularen Ursachen der Huntington-Krankheit zu adressieren. Durch das gezielte Einfügen von Interruptions in die CAG-Repeat-Trakte lässt sich die somatische Instabilität deutlich senken, was sowohl den natürlichen Krankheitsverlauf verlangsamen als auch die Symptomatik positiv beeinflussen könnte. Die Integration dieser Ansätze in tierexperimentelle Modelle liefert eine essenzielle Grundlage für zukünftige therapeutische Studien, die den Sprung in die klinische Anwendung vorbereiten. Trotz der Erfolge gibt es noch Herausforderungen zu lösen. So adressieren die bisher verwendeten Tiermodelle nur begrenzt die komplexen motorischen und neurodegenerativen Symptome, die bei Patienten auftreten.
Weiterführende Studien mit neuen, besser geeigneten Modellen könnten dabei helfen, den kausalen Zusammenhang zwischen stabilisierten Repeat-Strukturen und klinischer Besserung zu festigen. Außerdem sind die derzeitigen AAV-Vektoren vornehmlich auf neuronale Zellen ausgerichtet, was die potenzielle Therapie von peripheren Geweben, die bei Huntington und verwandten Erkrankungen ebenfalls betroffen sind, limitiert. Hier könnten alternative Vektorkonzepte und Verabreichungswege zum Tragen kommen. Nicht zuletzt ist die langfristige Sicherheit und Kontrolle über die Expression der Baseneditoren ein kritisches Kriterium für die Translation in die klinische Anwendung. Die Entwicklung transienter oder regulierbarer Expressionssysteme, sowie weiter optimierte Editoren mit minimalem Off-Target-Profil, wird entscheidend sein, um Nebenwirkungen zu minimieren und die Wirksamkeit zu maximieren.
Abschließend kann festgehalten werden, dass die gezielte Editierung von TNRs mittels Basen-Editing einen revolutionären Schritt in der Behandlung von Huntington und anderen Repeat-Erkrankungen darstellt. Durch die Verringerung der somatischen Repeat-Expansionen wird die pathologische Progression auf DNA-Ebene angegangen, was neue Hoffnung auf wirksame Interventionen schafft. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie sich diese bahnbrechenden Technologien in klinische Therapien überführen lassen, um das Leben der Betroffenen wesentlich zu verbessern.