Das Space Launch System (SLS) ist das Flaggschiff-Raketensystem der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. Es wurde über Jahre hinweg mit enormen finanziellen Mitteln entwickelt, um Menschen sicher zum Mond und später zum Mars zu bringen. Doch die Zukunft des SLS steht mittlerweile auf der Kippe. Sollte der US-Kongress tatsächlich entscheiden, die Finanzierung des SLS-Programms einzustellen, hätte dies tiefgreifende Konsequenzen für die US-Raumfahrt und könnte eine grundlegende Neuausrichtung der amerikanischen Weltraumstrategie einläuten. Die geplante Abschaffung betrifft nicht nur die SLS-Rakete, sondern auch die Orion-Raumkapsel und das Lunar Gateway, die eng mit den Artemis-Mondmissionen verbunden sind.
Diese möglichen Kündigungen stammen aus den Vorschlägen der damaligen US-Regierung für den Bundeshaushalt, der als „Skinny Budget“ bekannt wurde, und haben bei Experten und in der Raumfahrtgemeinschaft eine breite Diskussion ausgelöst. Obwohl die Programme seit mehr als einem Jahrzehnt mit deutlicher Unterstützung vom Kongress vorangetrieben wurden, zeichnet sich eine wachsende Bereitschaft zur Veränderung ab, vor allem im Rahmen einer neu ausgerichteten Raumfahrtstrategie mit stärkeren Bezügen zur Privatwirtschaft. Die Folgen einer Streichung dieser Schlüsselprogramme wären weitreichend: Erstens würde das Ende von SLS und Orion nach der Artemis III-Mission bedeuten, dass zukünftige Mondmissionen nicht mehr mit diesen sicherheitsbewährten, aber kostenintensiven Systemen durchgeführt werden könnten. Zweitens könnten wichtige geplante Infrastrukturprojekte wie das Lunar Gateway, eine geplante Raumstation in Mondumlaufbahn, die als Basislager für weitere Erkundungen dienen sollte, ebenfalls gestrichen oder zumindest stark verzögert werden. Die NASA würde folglich auf alternative Lösungen angewiesen sein, um ihre erklärten Ziele für die bemannte Raumfahrt im Erdorbit, am Mond und auf dem Mars zu verfolgen.
Eine vielversprechende Option ist dabei die verstärkte Zusammenarbeit mit kommerziellen Raumfahrtunternehmen. Die NASA hat bereits erfolgreiche Beispiele für diese Strategie, unter anderem das Commercial Orbital Transportation Services (COTS)-Programm, das private Firmen wie SpaceX und Northrop Grumman dazu befähigte, Fracht zur Internationalen Raumstation (ISS) zu transportieren und darüber hinaus bemannte Flüge anzubieten. Analog zu COTS könnte die NASA in Zukunft kommerzielle Anbieter mit der Entwicklung und dem Betrieb von Transportlösungen für Mondmissionen betrauen. Tatsächlich steht ein „Lunar COTS“ im Raum, welches eine komplett privatwirtschaftlich realisierte Kette von Raumfahrtdiensten vorsieht, die den Start vom Erde-Orbit, die Landung auf dem Mond und die Rückkehr zur Erde umfassen würde. SpaceX mit seiner Starship-Rakete und Raumschiff gilt hierbei als Hauptkandidat, die ihre technische Machbarkeit bereits während der Artemis III-Mission demonstrieren konnten.
Auch Blue Origin, in Kooperation mit etablierten Luft- und Raumfahrtunternehmen wie Lockheed Martin, könnte Teil dieses neuen Kompetenznetzwerks werden. Ein entscheidender Vorteil dieser kommerziellen Herangehensweise ist die potenzielle Kostenreduktion im Vergleich zu den extrem hohen Entwicklungsausgaben des NASA-eigenen SLS-Systems. Außerdem eröffnet die Einbindung privater Akteure eine gewissermaßen „marktgetriebene“ Flexibilität und Innovationsdynamik, die staatlich dominierte Programme oft vermissen lassen. Die Verschiebung hin zu einem Modell, bei dem die NASA „Dienstleistungen“ anstelle von Hardware kauft, könnte auch die Kontinuität der Exploration sichern, indem Kosten und Risiken auf mehrere Unternehmer verteilt werden. Allerdings ist nicht nur der Mond im Fokus künftiger Planungen.
Mars-Missionen erhalten laut aktuellen Haushaltsvorschlägen ebenfalls eine höhere Priorität, wenn auch in anderer Ausgestaltung als ursprünglich geplant. Während die Pläne für das Mars-Sample-Return-Projekt, das Gesteinsproben vom roten Planeten zur Erde bringen sollte, vorerst gestoppt wurden, gibt es Pläne, die Mars-Eroberung verstärkt kommerziellen Unternehmen zu überlassen. Die Förderung von Start-ups und Raumfahrt-Unternehmen, die Missionen zum Mars mit Versorgungsgütern oder später mit Menschen planen, könnte zu einem vielseitigen und kostengünstigeren Marsprogramm führen. Insbesondere die Entwicklung wiederverwendbarer Landersysteme, die sowohl auf dem Mond als auch auf dem Mars eingesetzt werden können, wird als zukunftsträchtiger Ansatz betrachtet. Doch trotz vielversprechender Aussichten bleibt die Unsicherheit groß.
Das Weißes Haus hat in der Vergangenheit bereits mehrfach ambitionierte Pläne vorgestellt, die durch den Kongress nicht immer mitgetragen wurden. Gerade die politische Dimension spielt hier eine bedeutende Rolle, da viele Abgeordnete in ihren Wahlkreisen Arbeitsplätze mit Bezug zu den SLS-Programmen sichern wollen. Somit ist unklar, ob und in welchem Umfang eine Streichung aller SLS-bezogenen Projekte tatsächlich durchgesetzt werden kann. Sollte der Kongress die Einsparungen nicht akzeptieren, könnte es sogar zu einem Rechtsstreit über die Finanzierung kommen, der bis zum Obersten Gerichtshof reichen würde. Führende Köpfe bei NASA und im Weißen Haus, wie der designierte NASA-Administrator Jared Isaacman, müssten sich in diesem komplexen Geflecht aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft behaupten, um eine tragfähige Zukunftsstrategie durchzusetzen.
Als ein entscheidender Fortschritt wird die Etablierung eines Nationalen Weltraumrats gesehen, der von einem hohen Regierungsvertreter geführt wird und die Entwicklung einer konsistenten, langfristigen Raumfahrtpolitik sicherstellen soll. Insgesamt steht die US-Raumfahrt vor einem gewaltigen Umbruch, sollte das SLS-Programm tatsächlich beendet werden. Das Ende des staatlich geführten Schwerlastsystem könnte den Übergang zu einer Ära der kommerziellen Raumfahrt als Kernmotor der bemannten Erforschung markieren. Dies öffnet Chancen für Innovation, Kosteneffizienz und eine breitere industrielle Teilhabe, bringt jedoch auch Herausforderungen hinsichtlich Zuverlässigkeit, Sicherheit und langfristiger Planung mit sich. In jedem Fall wird die Entscheidung, die Zukunft der NASA und der amerikanischen Raumfahrtprogramme zu prägen, enorme Auswirkungen auf die internationale Raumfahrtlandschaft und die globale wissenschaftliche Gemeinschaft haben.
Die kommenden Monate werden daher zeigen, ob die USA ihre führende Rolle in der bemannten Weltraumerkundung in einem neuen Modell fortsetzen können oder ob fundamentale Veränderungen auf dem Weg zum Mond und Mars unausweichlich sind. Die Zeit nach dem SLS könnte eine neue Ära einläuten – von der staatlichen Raumfahrt zum kommerziellen Abenteuer im All. NASA und ihre Partner stehen am Scheideweg, der über Erfolg und Misserfolg der Vision vom Menschen im All entscheidet. Die Welt schaut gespannt zu.