Am 28. April 2025 ereignete sich in Spanien und Portugal ein weitreichender Stromausfall, der Millionen von Menschen betroffen hat und zahlreiche Kritiker und Experten zum Nachdenken über die Stabilität moderner Stromnetze veranlasste. Der Vorfall zeigt auf drastische Weise, wie verletzlich auch fortschrittliche Energienetze gegenüber ungewöhnlichen Ereignissen sind. Dabei werfen die Ursachen, das Krisenmanagement und die Wiederherstellung des Stromnetzes wichtige Fragen für die Energiewende, Netzmodernisierung und Krisenvorsorge auf. Der Stromausfall begann mit einem hochkomplexen Zusammenspiel verschiedener Faktoren.
Nach Angaben der portugiesischen Netzbetreiber REE und REN führten seltene atmosphärische Phänomene zu ungewöhnlichen Vibrationen an Hochspannungsleitungen im 400-kV-Bereich. Technisch beschreibt man dieses Phänomen als „Conductor Gallop“ oder „induzierter atmosphärischer Schwingungseffekt“. Wechselnde Temperaturen sorgten dafür, dass sich Leitungen auf bis zu 120 Grad Celsius erwärmten und dabei mechanische Schwingungen entwickelten, die zu Synchronisationsproblemen zwischen verschiedenen Teilen des Netzes führten. Dies wiederum führte dazu, dass Schutzmechanismen automatisiert ausgelöst wurden, um Schäden an Anlagen zu verhindern, aber im Ergebnis eine Kettenreaktion von Abschaltungen auslösten. Begleitet wurde dieses umfangreiche Ereignis von einem terrestrischen Brand in Südwestfrankreich, der eine wichtige Hochspannungsleitung zwischen Perpignan und Narbonne beschädigte.
Obwohl französische Netzbetreiber betonten, dass das Feuer nicht die direkte Ursache gewesen sei, trugen solche externen Störfaktoren zusätzlich zur Instabilität bei und zeigten die empfindlichen Abhängigkeiten innerhalb des europäischen Stromverbunds. Spanien und Portugal sind Teil des sogenannten „Kontinentaleuropäischen Synchronverbunds“, das größte elektrische Netz der Welt, dessen auf Dauer synchronisierte Frequenz (meistens 50 Hz) für eine stabile Stromversorgung sorgt. Doch gerade diese Synchronität macht das Netz auch anfällig: Wenn eine Region ausfällt, kann sich dies schnell auf andere Gebiete auswirken, wenn keine ausreichenden Schutzmechanismen und Netztrenngeräte funktionieren. Die plötzliche Abschaltung von etwa 15 Gigawatt Stromleistung – ein Drittel der gesamten Last in Spanien – führte dazu, dass thermische Kraftwerke, Pumpspeicherkraftwerke und Kernkraftwerke automatisch abgeschaltet wurden, um Schäden zu vermeiden. Wind- und Solaranlagen produzierten zwar noch weiterhin, allerdings waren sie nicht in der Lage, die Leistungsdefizite vollständig auszugleichen, da sie abhängig von Wetterbedingungen und mit geringerer Trägheit arbeiten.
Weil Netze mit einer hohen Einspeisung erneuerbarer Energien weniger rotierende Masse besitzen und damit weniger Inertie aufweisen, ist die Frequenzstabilität schwieriger zu wahren. Das machte die Abregelung und Synchronisierung der Netze bei der Wiederherstellung besonders herausfordernd. Die Wiederherstellung des Netzes geschah gestaffelt und mit großer Sorgfalt. Dabei wurden zunächst einzelne Kraftwerksinseln hochgefahren, die über spezielle „Blackstart“-Fähigkeiten verfügen. Dies sind besonders ausgerüstete Kraftwerke, meist Pumpspeicherkraftwerke oder Gaskraftwerke, die ohne Fremdstromanschluss starten können.
Sie liefern dann die benötigte Energie, um weitere Anlagen wieder anzufahren und mit dem bestehenden Netz zu synchronisieren. Dieser Prozess erfordert eine präzise Steuerung von Frequenz, Spannung und Phasenlage, um gefährliche Spannungsspitzen oder mechanische Überbeanspruchung der Generatoren zu vermeiden. In Verbindung mit der besonderen Netzstruktur der Iberischen Halbinsel bestehen geringe Anschlusskapazitäten nach Frankreich und damit eine gewisse Isolation von anderen europäischen Netzen. Der sogenannte „Interferenzgrad“ der Verbindungsleitungen beträgt lediglich etwa 2 %, was verglichen mit anderen Regionen sehr niedrig ist. Das führte dazu, dass Portugal praktisch isoliert war und den Blackstart-Prozess quasi autark durchführen musste, was den Wiederanlauf verzögerte.
Spanien konnte sich zumindest durch Frankreich und Marokko ebenfalls stufenweise wieder mit dem europäischen Verbund zusammenschließen. Die Folgen des Stromausfalls waren vielfältig. Über Stunden hinweg waren Millionen Menschen ohne Stromversorgung, was zu Ausfällen bei grundlegenden Dienstleistungen führte. Ampelanlagen versagten, was beträchtliches Verkehrschaos verursachte, der Bahnverkehr kam zum Erliegen, komplette Stadtteile lagen im Dunkeln. Mobilfunknetze blieben teilweise noch für einige Zeit funktionsfähig, da viele Basisstationen mit Batterien oder Dieselgeneratoren ausgestattet sind.
Jedoch führten überlastete Netzwerke und ausfallende Funkanlagen zu fast vollständigen Kommunikationsunterbrechungen. Besonders kritisch wurde die Lage in Krankenhäusern, Altenheimen und bei medizinisch abhängigen Personen bewertet. Zwar verfügt ein Großteil der Einrichtungen über Notstromaggregate, aber die Kohärenz von Versorgung, insbesondere bei längeren Ausfällen, stellt eine enorme Herausforderung dar. Auch Geschäfte, Supermärkte und Tankstellen waren betroffen. Einige konnten dank Dieselaggregaten teilweise geöffnet bleiben, andere schlossen komplett.
Die Abhängigkeit von bargeldlosen Bezahlsystemen zeigte sich als Schwäche, da viele Kassensysteme ohne Strom nicht oder nur eingeschränkt funktionierten, während Leute ohne Bargeld in einer schwierigen Lage waren. Interessanterweise verlagerte sich in einigen Regionen der öffentliche und soziale Alltag ins Freie. Menschen trafen sich auf Straßen und Plätzen, die Atmosphäre wurde mitunter als gemütlich beschrieben – ein ungewohnter Rückfall in Zeiten vor der ständigen technischen Vernetzung. Gleichzeitig ließ sich aber auch eine gewisse Unsicherheit und Besorgnis über die weitere Entwicklung spüren. Die schnelle und koordinierte Reaktion der Netzbetreiber wurde international gewürdigt, doch die Situation offenbarte auch bestehende Schwachstellen in der europäischen Strominfrastruktur.
Der Stromausfall löste in der Politik und bei Fachleuten intensive Diskussionen aus. Kritische Stimmen hinterfragen, inwiefern die zunehmende Integration erneuerbarer Energien unter anderem wegen der fehlenden Trägheit und der damit sinkenden Netzstabilität zu solchen Ereignissen beitragen könnte. Andere betonen, dass es weniger die erneuerbaren Energien an sich sind, sondern vielmehr mangelnde Investitionen in Netzmodernisierung, Speichertechnologien und die Erhöhung der Netzkapazitäten. Besonders die niedrige Anzahl an Hochspannungstrassen zwischen Iberien und dem übrigen Europa wird als kritischer Flaschenhals gesehen. Langfristige Lehren aus diesem Ereignis betreffen die notwendige Flexibilisierung der Stromnetze.
Ein moderner Energiemix benötigt neben erneuerbaren Quellen vor allem geeignete Speichertechnologien – von Batteriespeichern über Pumpspeicherkraftwerke bis hin zu innovativen Ansätzen wie Druckluft- oder Schwungradspeichern. Darüber hinaus gewinnt die Digitalisierung des Stromnetzes an Bedeutung: Intelligente Netze („Smart Grids“) können Lasten und Einspeisungen schneller ausgleichen, Informationen effizienter austauschen und so das Risiko von Kaskadenausfällen reduzieren. Zusätzlich rückt die Dezentralisierung der Stromversorgung in den Fokus. Prominente Beispiele hierfür sind private und kommunale Solaranlagen mit Batteriespeichern, sogenannte Microgrids oder Insellösungen, die zumindest in Krisensituationen eine gewisse Grundversorgung sicherstellen können – auch unabhängig vom Hauptnetz. Dies könnte zukünftig vor allem in ländlichen oder isolierten Regionen die Versorgungssicherheit deutlich erhöhen.
Der Vorfall hat zudem gesellschaftliche Aspekte aufgezeigt. Das stark ausgeprägte Vertrauen auf elektronische Zahlungsmittel wurde durch die Störung erschüttert, viele realisierten erst in dieser Krise ihren Bedarf an Bargeldreserven. Auch kommunale Krisenorganisationen und die Bevölkerung insgesamt zeigten, wie wichtig lokale Information, gegenseitige Hilfe und eine gute Vorbereitung auf Ausnahmesituationen sind. Abschließend zeigt der Stromausfall in Spanien und Portugal eindrucksvoll, wie komplex und anfällig moderne Energiesysteme sind, gerade in einer Übergangsphase hin zu nachhaltigen Energiequellen. Die Integration von Umweltbedingungen, technischer Infrastruktur, regulatorischen Rahmenbedingungen und gesellschaftlicher Resilienz ist eine enorme Herausforderung.
Daher ist es essenziell, aus solchen Ereignissen zu lernen, Investitionen in Widerstandsfähigkeit zu forcieren und die Diskussion um den Energieübergang ausgewogen zu führen – mit dem Ziel, Versorgungssicherheit, Effizienz und Nachhaltigkeit zu vereinen.