Die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 2020 markierte nicht nur aus politischer Sicht ein bedeutendes Ereignis, sondern stellte auch eine neue Herausforderung und ein Untersuchungsfeld hinsichtlich der Rolle sozialer Medien in politischen Kampagnen dar. Plattformen wie Facebook und Instagram haben sich mittlerweile als zentrale Kanäle für politische Werbung etabliert, die darauf ausgerichtet ist, potenzielle Wähler zu erreichen, zu informieren und gegebenenfalls zur Teilnahme an Wahlen zu motivieren. Doch wie effektiv sind diese Werbemaßnahmen wirklich? Eine aktuelle Untersuchung, durchgeführt vom National Bureau of Economic Research (NBER), gibt hierzu aufschlussreiche Antworten.Die Studie analysierte das Verhalten von über 60.000 Nutzern auf Facebook und Instagram, die vor der US-Wahl sechs Wochen lang entweder politische Werbung angezeigt bekamen oder deren Newsfeeds von solchen Anzeigen vollständig befreit wurden.
Ziel war es herauszufinden, ob das Entfernen von politischen Werbeanzeigen Auswirkungen auf das politische Wissen, die Politisierung, die Wahrnehmung der Legitimität der Wahl, die politische Beteiligung und letztendlich auch auf die Wahlbeteiligung sowie die Kandidatenbeliebtheit hat.Eine der überraschendsten Erkenntnisse der Studie war, dass die Mehrheit der politischen Werbeanzeigen gezielt die bereits überzeugten Anhänger der jeweiligen Parteien adressierte. Das bedeutet, dass die politischen Kampagnen vor allem bestehende Sympathisanten mit Botschaften versorgten, die deren Haltung festigen sollten, anstatt Wähler anderer Richtungen zu beeinflussen oder unentschlossene Wähler von ihrer Position zu überzeugen. Besonders häufig waren Fundraising-Anzeigen, also Werbeanzeigen, die darauf abzielten, finanzielle Mittel für die Kampagnen zu generieren. Diese Fokussierung auf Supporter spiegelt eine Strategie wider, mit der Parteien sicherzustellen versuchen, ihre Basis zu mobilisieren und zu stärken.
Trotz der großen Menge und Breite politischer Werbeanzeigen auf den Plattformen führten deren Entfernung im Rahmen der Studie zu keinen messbaren Veränderungen in wesentlichen Bereichen der politischen Teilhabe. Die Untersuchung zeigte, dass weder politische Kenntnisse noch die Wahrnehmung von Wahllegitimität signifikant betroffen waren. Auch die politische Spaltung, die besonders im US-amerikanischen Kontext häufig thematisiert wird, wies keine Verschiebungen auf. Dies galt sowohl für Demokraten als auch für Republikaner.Die Erkenntnisse werfen wichtige Fragen zur Rolle sozialer Medien bei politischen Kampagnen auf.
Soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram sind ohne Zweifel mächtige Werkzeuge, um breite Bevölkerungsgruppen auf einer unmittelbaren und personalisierten Ebene zu erreichen. Gerade während Wahlkämpfen ist die direkte Ansprache der Nutzer über gezielte Werbeanzeigen eine wesentlich effizientere Methode im Vergleich zu traditionellen Medienkanälen wie Fernsehen oder Print. Doch die Studie des NBER legt nahe, dass trotz der scheinbar großen Reichweite politische Werbung in sozialen Medien nicht automatisch zu einer stärkeren politischen Bindung oder höheren Wahlbeteiligung führt.Dieses Ergebnis stimmt mit anderen Erkenntnissen in der politischen Kommunikationsforschung überein, die betonen, dass politische Überzeugungen und Wahlentscheidungen oft tief verwurzelte Einstellungen widerspiegeln, die durch einzelne Werbekampagnen nur begrenzt veränderbar sind. Die Zielgruppenansprache auf bereits überzeugte Wähler fokussiert, verstärkt tendenziell nur bestehende Meinungen und trägt wenig dazu bei, politische Debatten oder das demokratische Engagement insgesamt zu intensivieren.
Ferner zeigen die Resultate auch, dass politische Werbung auf Facebook und Instagram hinsichtlich der Meinungsbildung oder der Mobilisierung der Wählerschaft keine unmittelbaren Effekte erzielt. Dies ist besonders relevant in einem Kontext, in dem oft vor den vermeintlichen manipulativen Auswirkungen sozialer Medien auf demokratische Prozesse gewarnt wird. Die Studie legt nahe, dass solche Effekte, wenn überhaupt vorhanden, subtil oder von anderen Faktoren abhängig sind, die über reine Werbeanzeigen hinausgehen.Im Hinblick auf Fundraising spielt die politische Werbung hingegen eine unbestrittene Rolle. Die Geldbeschaffung ist essenziell für jede Wahlkampagne, und die gezielte Ansprache loyaler Unterstützer per Werbung scheint eine effektive Methode zur Mittelgenerierung zu sein.
Dass dies im Rahmen der Studie nachgewiesen wurde, unterstreicht die Bedeutung der Monetarisierung sozialer Medien für politische Akteure.Darüber hinaus stellt die Studie auch die Frage, wie politische Werbung gestaltet werden könnte, um über die Schonung der Stammwähler hinaus Wirkung zu entfalten. Eine intensivere Ansprache von unentschiedenen Wählern sowie das Fördern des politischen Dialogs und Diskurses könnten hier Ansätze sein, um politische Werbung auf sozialen Medien zukunftsfähiger und einflussreicher zu machen.Die Implikationen dieser Forschung reichen weit. Sie geben nicht nur Aufschluss über die Mechanismen der politischen Meinungsbildung und Mobilisierung in der digitalen Ära, sondern liefern auch wichtige Anhaltspunkte für politische Strategen, Forscher und Gesetzgeber.