In der heutigen Zeit sind die Kluften zwischen Arm und Reich größer denn je, und die Strategien, mit denen Wohlhabende ihren Reichtum sichern und ausbauen, stehen häufig im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Insbesondere die Vermeidung von Steuern, speziell von Kapitalertragssteuern. Einer der einflussreichsten Stimmen in diesem Kontext ist Scott Galloway, Professor für Marketing an der New York University Stern School of Business und erfolgreicher Unternehmer. In seinen jüngsten Kommentaren beleuchtet Galloway eine Taktik, die reiche Investoren nutzen, um ihre Steuerlast zu minimieren, ein Prozess, den er prägnant mit den Worten „Investieren, dagegen leihen und sterben“ zusammenfasst. Um zu verstehen, wie diese Strategie funktioniert, ist es wichtig, zuerst zu klären, was Kapitalertragssteuern sind.
Diese Steuern fallen an, wenn Vermögenswerte, wie Aktien oder Immobilien, verkauft werden und der Verkaufspreis über dem Kaufpreis liegt. In vielen Ländern, einschließlich der Vereinigten Staaten, werden Kapitalerträge bei einem Verkauf besteuert, was dazu führt, dass Anleger oft zögern, Vermögenswerte zu veräußern. Gerade wohlhabende Bürger finden die Regelungen jedoch zu ihrem Vorteil. Galloway erklärt, dass die Reichen oft Vermögenswerte kaufen und im Laufe der Zeit deren Wert steigern. Statt die Vermögenswerte jedoch zu verkaufen, um Gewinne zu realisieren, leihen sich viele von ihnen Geld, indem sie ihre Vermögenswerte als Sicherheit verwenden.
Dadurch können sie liquid werden, ohne ihre Investitionen verkaufen und damit die darauf anfallende Steuer zahlen zu müssen. Diese Form der Nettowertversteigerung ist für viele wohlhabende Anleger attraktiv, da sie ihre Steuerschuld effektiv minimiert und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit bietet, weiterhin von den potenziellen Wertsteigerungen ihrer Vermögenswerte zu profitieren. Ein praktisches Beispiel könnte der Immobilienmarkt sein. Ein reicher Investor könnte eine Wohnung oder ein Gebäude kaufen, das im Laufe der Jahre an Wert gewinnt. Anstatt das Eigentum zu verkaufen, um die Gewinne zu realisieren, könnte der Investor eine Bank um ein Darlehen bitten und die Immobilie als Sicherheit verwenden.
Mit dem erhaltenen Geld könnte er dann in andere Vermögenswerte investieren oder sogar seinen Lebensstil verbessern, ohne dass dabei sofortige Kapitalertragssteuern fällig werden. Es ist eine Gewinnstrategie, die zwar rechtlich einwandfrei, aber moralisch oft als unfair wahrgenommen wird. Ein weiterer Aspekt, den Galloway hervorhebt, ist die Bedeutung des Erbes. Wenn wohlhabende Personen sterben, wird ihr Vermögen in der Regel an die nächste Generation übertragen. In vielen Ländern gibt es bei der Erbschaft erhebliche Steuervergünstigungen, die es ermöglichen, dass der Wert der Vermögenswerte nicht zu den hohen Kapitalgewinnsteuern führt, die bei einem Verkauf anfallen würden.
Somit wird das Vermögen nicht nur über Generationen hinweg erhalten, sondern die Steuerlast wird auch enorm reduziert. Galloway nennt diesen Vorgang einen „Steuern von den Reichen an die Armen“-Prozess, da es faktisch eine Umverteilung von Mitteln ist, die nicht auf dem Weg des Verkaufs und der anschließenden Besteuerung erfolgt. Diese Dynamik wirft viele Fragen über Gerechtigkeit und Chancengleichheit auf. Kritiker argumentieren, dass solche Strategien die Einkommensungleichheit weiter verschärfen und die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter öffnen. Während der Durchschnittsbürger oft für Real-Gains aus den Käufen von Wertpapieren oder Immobilien zur Kasse gebeten wird, genießen die Reichen Schlupflöcher, die es ihnen ermöglichen, ihr Vermögen ohne die entsprechenden Lasten zu maximieren.
Darüber hinaus hat die Diskussion über Steuervermeidung und Einkommensungleichheit in den letzten Jahren an Intensität gewonnen, besonders im Zuge von wirtschaftlichen Krisen wie der COVID-19-Pandemie, die viele Menschen in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht hat. Das Angebot an Hilfsmaßnahmen für Geringverdiener steht oft im Kontrast zu den riesigen Vermögen, die durch solche strategischen Schritte in der Hand von Reichen angehäuft werden. In seinen Schriften und Vorträgen fordert Galloway häufig zu einer Reformierung des Steuersystems auf. Er plädiert für eine gerechtere Verteilung der Steuerlast und mehr Transparenz bei den rechtlichen Möglichkeiten, die wohlhabende Investoren nutzen können. Die Schaffung eines Buches, in dem die Transaktionen gut dokumentiert sind und für jeden aufgeschlüsselt werden, würde es beispielsweise schwieriger machen, anonyme Investitionen zu verstecken und die Steuerverpflichtungen zu umgehen.
Neben der Verbesserung der steuerlichen Gerechtigkeit könnte eine Reform auch dazu beitragen, dass die Bürger mehr Vertrauen in das wirtschaftliche System entwickeln. Das Gefühl, dass „die Reichen die Regeln zu ihren Gunsten manipulieren“, kann die gesellschaftliche Stabilität gefährden und das Vertrauen in demokratische Institutionen untergraben. Doch während die Politik über mögliche Veränderungen diskutiert, bleibt die Grundstrategie der Reichen häufig unberührt. Viele Bundesstaaten, einschließlich Kalifornien, haben bereits Maßnahmen ergriffen, um wohlhabendere Bürger besser zur Kasse zu bitten, doch der Fokus auf die Vermeidung von Kapitalertragssteuer wird weiterhin ein bedeutendes Thema bleiben. In einer Welt, in der Geld Macht ist, gibt es viele Wege, das eigene Vermögen zu schützen und zu vermehren.
Scott Galloways kritische Sicht auf das Thema zeigt auf, dass es nicht nur um finanzielle Strategien geht, sondern auch um ethische Entscheidungen, die die Lebensqualität und die soziale Gerechtigkeit betreffen. Ob durch Investitionen, Darlehen oder die Weitergabe von Vermögen – die Diskussion zeigt ein komplexes Bild, das unserer Gesellschaft weiterhin große Herausforderungen stellt.