Das Konzept des Sequence-of-Returns-Risikos wird oft unterschätzt, ist jedoch von enormer Bedeutung für jeden, der sich auf den Ruhestand vorbereitet oder bereits in dieser Phase ist. Es geht darum, wie die Reihenfolge der jährlichen Renditen eines Anlageportfolios Einfluss auf die Nachhaltigkeit der Entnahmen im Ruhestand hat. Das Risiko besteht darin, dass negative oder schwache Renditen in den ersten Jahren des Ruhestands einen unverhältnismäßig großen Schaden anrichten können, was letztlich die Haltbarkeit des finanziellen Polsters massiv reduziert. Viele Anleger kennen das allgemeine Marktrisiko und verstehen, dass schwankende Kurse Teil des Investmentprozesses sind. Weniger beachtet wird jedoch die spezielle Auswirkung der Reihenfolge dieser Renditen, vor allem wenn gleichzeitig Entnahmen vorgenommen werden.
Dies bedeutet, dass ein Grafiktief, das in den ersten Jahren des Ruhestands auftritt, zu erheblichen Problemen führen kann, während die gleiche Entwicklung zu einem späteren Zeitpunkt weniger dramatisch wäre. Der Grund dafür liegt in der Kombination von Entnahmen und schwankenden Kursen. Während der Börsenzyklen gibt es Jahre mit positiven und Jahre mit negativen Renditen. Wenn Anleger in der Wachstumsphase investieren, dann sind auch negative Jahre nicht unbedingt ein Grund zur Sorge – sie können über längere Zeiträume ausgeglichen werden. Im Ruhestand jedoch ist das Kapital nicht mehr nur zum Aufbau da, sondern wird regelmäßig zur Finanzierung des Lebensunterhalts entnommen.
Ein Beispiel verdeutlicht diese Problematik besonders gut: Stellen Sie sich vor, ein Anleger geht in den Ruhestand und plant jedes Jahr etwa drei Prozent seines Anfangsvermögens zu entnehmen, angepasst an die Inflation. Wenn in den ersten drei Jahren die Märkte deutlich fallen, muss dieser Anleger aus einem schrumpfenden Portfolio Entnahmen vornehmen. Um die benötigte Summe zu erreichen, muss er mehr Anteile verkaufen, wodurch er einen größeren Teil seines Vermögens realisieren muss, wenn die Preise besonders niedrig sind. Dadurch verringert sich die Basis, die später wachsen kann. Selbst wenn sich der Markt nach diesen Verlustjahren wieder erholt, profitieren die Anleger von einem viel niedrigeren Kapitalstock.
Im Gegensatz dazu, wenn ein Anleger eine negative Marktentwicklung erst später im Ruhestand erlebt, ist das angesparte Kapital bereits deutlich geschrumpft, und die verbleibende Zeitspanne für den Ruhestand ist kürzer. Die Entnahmen belasten somit die Erholung nicht mehr so stark und das Vermögen hält im Durchschnitt länger. Dieses Phänomen zeigt sich auch in der Praxis, wenn man historische Daten von Aktien- und Rentenmärkten betrachtet. Verschiedene Untersuchungen machen deutlich, dass der Zeitpunkt eines Börsenabschwungs unmittelbar zu Beginn des Ruhestands die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass das Vermögen nicht für die gesamte Ruhestandsdauer ausreicht. Es wird daher empfohlen, in der Finanzplanung nicht nur langfristige Renditeerwartungen zu berücksichtigen, sondern die Volatilität und deren Zeitpunkt bei Entnahmen mit einzubeziehen.
Für Ruhestandsplanungen bedeutet das, dass die Risikobetrachtung anders erfolgen muss als während der Arbeitsjahre. Anleger sollten Strategien in Erwägung ziehen, die das Sequence-of-Returns-Risiko minimieren oder abfedern können. Dazu gehören flexible Entnahmestrategien, bei denen die Höhe der Auszahlungen in schlechten Marktphasen reduziert wird, um das Vermögen zu schonen. Auch eine breitere Diversifikation der Anlagen, Liquiditätsreserven oder der Verzicht auf feste Entnahmeraten können helfen, das Risiko abzumildern. Darüber hinaus ist es für jüngere Anleger wichtig, sich bewusst mit dem Sequence-of-Returns-Risiko auseinanderzusetzen, da die finanziellen Auswirkungen eines frühen Markteinbruchs im Ruhestand weitreichend sind.
Ein flexibles Zeitmanagement des Ruhestands, also beispielsweise ein späterer Rentenbeginn oder ein gleitender Übergang in die Ruhephase, kann ebenfalls zur Risikominimierung beitragen. Die Rolle der Sozialversicherungssysteme oder staatlichen Renten ist hierbei ebenfalls nicht zu unterschätzen. Da diese Einkommensströme oft festgelegt sind und unabhängig von den Kapitalmärkten gezahlt werden, können sie ein Sicherheitsnetz bieten, das das Vermögen im Portfolio schont und somit das Sequence-of-Returns-Risiko mindert. Insgesamt ist das Verständnis dieses Risikos ein wesentlicher Faktor für ein erfolgreiches und nachhaltiges Vermögensmanagement im Ruhestand. Wer die potenziellen Gefahren der Reihenfolge der Renditen kennt, kann seine Finanzstrategie strategischer und resilienter gestalten.
So lässt sich das Ziel sicherstellen, dass das angesparte Kapital bis zum Lebensende reicht und ein sorgenfreier Ruhestand ermöglicht wird. Anleger und Berater sollten daher nicht nur auf die durchschnittlichen Renditen schauen, sondern auch mögliche Szenarien mit ungünstiger Reihenfolge der Erträge durchspielen und entsprechende Maßnahmen planen. Das erhöht die Robustheit der Ruhestandsplanung und bietet mehr Sicherheit im Angesicht von Marktschwankungen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Sequence-of-Returns-Risiko wesentlich mehr als nur ein theoretisches Konstrukt ist. Es prägt die Wirklichkeit vieler Ruheständler und entscheidend, wie lange das eigene Vermögen ausreicht.
Ein fundiertes Wissen und der bewusste Umgang mit dieser Thematik können den Unterschied zwischen einem finanziell sorgenfreien Ruhestand und finanziellen Engpässen ausmachen.