Im April 2025 erreichte China einen historischen Höchststand bei den Re-Exporten von Flüssigerdgas (LNG). Mit über 280.000 Tonnen, so zeigen es Schiffstracking-Daten von Bloomberg, hat die Volksrepublik die bislang höchste Menge an LNG innerhalb eines einzelnen Monats ins Ausland weiterverkauft. Dieser enorme Umschlag entspricht etwa 7,7 Prozent der gesamten LNG-Importe Chinas für den Monat und unterstreicht eine tiefgreifende Veränderung in der Dynamik des globalen Gasmarktes. Die Ursache dieses Rekords liegt vor allem in der schwachen inländischen Nachfrage.
Der vergangene Winter war ungewöhnlich mild, wodurch sich die Heizkosten reduzierten und der Bedarf an LNG für Wärmeproduktionen deutlich sank. Gleichzeitig konnten große Vorräte aufgebaut werden, was den aktuellen Bedarf zusätzlich drückt. In einem Umfeld, in dem die Lager gut gefüllt sind und die kalte Jahreszeit relativ moderat verlief, sieht China derzeit keine dringende Notwendigkeit, seine LNG-Importe hochzufahren. Eine weitere treibende Kraft hinter der gesteigerten Re-Export-Aktivität sind die attraktiven Preise im Ausland. Europa beispielsweise sucht seit einiger Zeit nach alternativen Gasquellen, um den Ausfall russischer Pipeline-Lieferungen zu kompensieren.
Chinas LNG-Bestände bieten angesichts dieser geopolitischen Verschiebungen eine willkommene Möglichkeit, den Bedarf europäischer Länder zu decken. Zudem ist es für China wirtschaftlich sinnvoll, LNG, das im Inland weniger gebraucht wird, gewinnbringend weiterzuverkaufen. Die Praxis der Re-Exporte von LNG ist für China eher ungewöhnlich, gewinnt seit November letzten Jahres jedoch zunehmend an Bedeutung. Während es vor November nur selten zu Rückexporten kam – mit einem letzten bekannten Fall im Januar 2024 – stiegen die Volumina seither sprunghaft an. Die Daten von Bloomberg zeigen eine kontinuierliche Zunahme von Mengen, die ab Anfang 2025 aus chinesischen Häfen verschifft werden.
Die Analytics-Firma Kpler schätzt, dass China allein im April etwa 160.000 Tonnen LNG exportiert hat, was deutlich zum globalen flüssigen Gasmarkt beiträgt. Für die europäischen Märkte ist Chinas erhöhte Re-Export-Tätigkeit eine wichtige Entlastung. Die Versorgungssicherheit in Europa wurde in den letzten Jahren durch politische Spannungen und reduzierte russische Lieferungen erheblich belastet. Gleichzeitig bleiben die europäischen Gasspeicher nur zu rund 38 Prozent gefüllt, was unter dem saisonalen Fünfjahresdurchschnitt von etwa 49 Prozent liegt.
Der zusätzliche LNG-Zufluss aus chinesischen Lagerbeständen hilft dabei, diese Defizite auszugleichen und bietet den europäischen Käufern eine zusätzliche Quelle, um ihren Energiebedarf zu sichern. Auch für die USA und andere LNG-Exportländer stellt der Trend der chinesischen Re-Exporte eine veränderte Marktdynamik dar. Seit Monaten verzeichnen die chinesischen Importe von LNG einen Abwärtstrend, der sich im April weiter fortsetzte. Das Einkaufsvolumen sank gegenüber dem Vorjahr signifikant um 38 Prozent, wie die 30-Tages-Bewegungsdurchschnittswerte belegen. Dies hängt auch mit tariflichen Belastungen zusammen, die den Import von amerikanischem LNG für China unattraktiver machen.
Stattdessen wurden viele der ursprünglich für China bestimmten Lieferungen bereits an europäische Käufer umgeleitet, die höhere Preise zahlen. Diese Marktverschiebungen reflektieren ein komplexes Geflecht aus wirtschaftlichen, politischen und klimatischen Faktoren. Chinas milder Winter, gepaart mit hohen Vorräten und sinkender Nachfrage, trifft auf Europas Suche nach alternativen Gaslieferanten und geopolitische Spannungen, die traditionelle Versorgungswege erschweren. Innerhalb dieses Kontextes hat China seine Rolle auf dem globalen LNG-Markt neu definiert: Weg von einem reinen Importland hin zu einem bedeutenden Umschlagspunkt und sogar Händler. Die Rolle der Schiffstracking-Technologien und Datenanalysen ist hierbei nicht zu unterschätzen.
Unternehmen wie Bloomberg und Kpler bieten wertvolle Einblicke in Lieferketten, Volumina und Handelsströme, die sonst schwer transparent wären. Diese Informationen helfen Energieversorgern, Regulierungsbehörden und Analysten dabei, Handlungsstrategien für Marktanpassungen zu entwickeln und rechtzeitig auf Versorgungsengpässe oder Preisschwankungen zu reagieren. Neben dem wirtschaftlichen Vorteil für China beeinflussen die Re-Exporte auch die Nachfrage auf anderen regionalen Märkten, zum Beispiel in Asien und Südamerika, wo ebenfalls eine Nachfrage nach LNG besteht. Diverse Akteure wie Gail in Indien suchen aktiv nach LNG-Lieferungen auf frei vereinbarten DES-Basis (Delivered Ex Ship), die im kommenden Jahr stärker genutzt werden könnten. Auch aus Produktionsstätten in Malaysia und Angola wurden in jüngster Zeit vermehrt Lieferungen an unterschiedliche Weltregionen verschickt, um einer globalen Nachfrage gerecht zu werden.
Die Zukunft des LNG-Handels wird weiterhin stark von den weltweiten Energie- und Klimapolitiken geprägt sein. Während China innenpolitisch mit dem Übergang zu nachhaltigeren Energiequellen ringt, bleibt LNG eine wichtige Brückentechnologie, die Flexibilität in der Versorgung bietet. Die anhaltende Volatilität der Nachfrage und das Aufkommen von Flüssiggasterminals in verschiedenen Weltregionen könnten zudem die Bedeutung des Re-Exports noch weiter erhöhen. Für Marktteilnehmer bedeutet dies, dass sie sich auf eine zunehmende Verflechtung und Komplexität des Handels einstellen müssen. Abschließend lässt sich sagen, dass Chinas Rekord bei den LNG-Re-Exporten ein Indikator für die tiefgreifenden Veränderungen im globalen Energiemarkt ist.
Schwache inländische Nachfrage, geopolitische Faktoren und wirtschaftliche Überlegungen vereinen sich, um China zunehmend als Akteur nicht nur auf der Import-, sondern auch der Export-Seite zu positionieren. Für Europa und andere potenzielle Abnehmerländer bietet dies Chancen, die Energiesicherheit zu stärken und Schwankungen besser zu bewältigen. Die kommenden Monate werden zeigen, ob dieser Trend nachhaltig ist und welchen Einfluss er auf die Preisentwicklung und Investitionsentscheidungen im LNG-Sektor haben wird.