Im Jahr 2017 erlebte der Markt für Initial Coin Offerings (ICOs) einen außerordentlichen Boom, der sowohl Investoren als auch Entwickler weltweit anzog. ICOs galten als revolutionäres Mittel zur Kapitalbeschaffung für Blockchain-Projekte, wobei Investoren Zugang zu neuen digitalen Währungen erhielten, noch bevor diese an offiziellen Börsen gelistet wurden. Doch die Euphorie wurde schnell von ernüchternden Wahrheiten getrübt: Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des ICO-Beratungsunternehmens Statis Group waren über 80 Prozent der ICOs des Jahres 2017 betrügerisch. Diese gravierenden Funde werfen entscheidende Fragen über die Sicherheit, Transparenz und den langfristigen Wert von ICO-Investitionen auf. Die Analyse nahm den gesamten Lebenszyklus der ICOs aus dem Jahr 2017 unter die Lupe – von der Idee und dem ICO-Verkauf bis hin zur Handelsphase an Krypto-Börsen.
Besonders auffällig ist, dass trotz eines hohen Anteils an Scam-Projekten das tatsächliche investierte Kapital überwiegend in qualitativ hochwertige ICOs floss. Über 70 Prozent der gesamten Investitionssumme ging in vielversprechende Projekte, während Betrugsprojekte zwar mengenmäßig dominieren, aber verhältnismäßig wenig Kapital auf sich vereinigten. In Zahlen ausgedrückt beläuft sich die Gesamtfinanzierung von ICOs in diesem Zeitraum auf beeindruckende 11,9 Milliarden US-Dollar. Davon entfallen rund 1,34 Milliarden US-Dollar, also etwas mehr als zehn Prozent, auf betrügerische Projekte. Auffällig sind insbesondere drei Großbetrugsfälle: Pincoin mit 660 Millionen Dollar, Arisebank mit 600 Millionen Dollar und Savedroid mit 50 Millionen Dollar.
Diese drei Viertel des Scam-Kapitals sind ein deutliches Warnzeichen dafür, welche Summen bei fehlender Regulierung oder Kontrolle verloren gehen können. Neben dem monetären Schaden offenbart die Studie zudem zahlreiche Fälle von sogenannten „Dead Coins“. Dies sind Kryptowährungen, die seit längerer Zeit nicht mehr auf Börsen gelistet sind und bei denen keine aktiven Code-Entwicklungen auf Plattformen wie GitHub mehr stattfinden. Aktuelle Berichte von Plattformen wie Coinopsy und DeadCoins bestätigen diese Entwicklung: Zum Stichtag Juni 2018 gab es bereits über tausend tote Projekte, wobei sich die Zahl monatlich weiter erhöhte. Die Sicherheitslage im Umfeld der Kryptowährungen bleibt ebenfalls besorgniserregend.
Laut einer weiteren Studie der Sicherheitsfirma Carbon Black wurden alleine in der ersten Hälfte des Jahres 2018 digitale Währungen im Wert von etwa 1,1 Milliarden US-Dollar gestohlen. Hacker und Cyberkriminelle nutzen dabei das Darknet und zahlreiche Online-Marktplätze aus, um unerkannt umfangreiche Diebstähle zu begehen. Die Dunkelziffer dürfte demnach hoch sein, da mehr als 12.000 Marktplätze und über 34.000 Angebote im Zusammenhang mit Kryptodiebstahl existieren.
Der enorme Betrugsanteil und die zahlreichen verstorbenen Projekte belegen letztlich die hoher Risiken am ICO-Markt während des Boomjahres 2017. Investoren und Interessenten sollten daraus lernen, dass eine kritische Prüfung von Whitepapern, Teams und Technologie unerlässlich ist, bevor Kapital in neue Projekte fließt. Der Mythos vom schnellen Reichtum und revolutionären Geschäftsmodell allein genügt keinesfalls, um eine sichere Investition zu gewährleisten. Gleichzeitig sind die Daten aber auch ein Zeichen für die Entwicklung hin zu mehr Professionalität und Reife im Krypto-Sektor. Während 2017 vielfach noch chaotische Zustände herrschten, steigen seit 2018 die Mittelzuflüsse vor allem bei qualitativ hochwertigen ICOs, wie die von PwC und der Swiss Crypto Valley Association veröffentlichte Analyse zeigt.
Diese meldeten für das erste Halbjahr 2018 Finanzierungsvolumina von 13,7 Milliarden US-Dollar – fast doppelt so viel wie im gesamten Vorjahr. Diese Entwicklung stellt klar, dass ICOs trotz der Risiken weiterhin eine bedeutende Rolle in der Zukunft der Blockchainfinanzierung spielen könnten, sofern entsprechende Standards eingeführt und die Transparenz erhöht wird. Regulatoren weltweit wurden durch diese Warnsignale bereits wachgerüttelt und versuchen seitdem mit neuen Gesetzen und Auflagen, den Markt zu stabilisieren und Investoren zu schützen. Für Investoren bedeutet das, dass sie bei ICOs mehr denn je auf Sorgfalt und fundierte Analysen setzen sollten. Ein Blick auf das Entwicklerteam, die technische Umsetzung, die Community-Beteiligung und das Geschäftsmodell sind wichtige Indikatoren.
Projekte mit aktivem GitHub-Repositorium, realistischen Roadmaps sowie ernstzunehmenden Partnerschaften und Beratern sind häufiger verlässlich als anonym geführte Kampagnen mit übertriebenen Versprechen. Zusammenfassend zeigt die Studie über die ICOs von 2017, dass der Markt zu dieser Zeit vor allem von Spekulationen, mangelnder Regulierung und betrügerischen Absichten geprägt war. Die hohe Anzahl von Scam-ICOs und „toten“ Kryptoprojekten ist ein Warnsignal für ungeübte und uninformierte Anleger, die durch zweifelhafte Projekte oft hohe Verluste einstecken müssen. Die Erfahrung lehrt, dass der rege Handel und das große Interesse an neuen Kryptowährungen zunehmend professioneller und transparenter gestaltet werden müssen, um langfristiges Vertrauen und nachhaltige Innovation zu sichern. Die Geschichte der ICOs dient daher als lehrreiches Beispiel dafür, wie junge Technologien ihren Platz im Finanzmarkt finden können – nicht ohne Risiken, aber mit dem Potenzial für echte Fortschritte, wenn Lehren gezogen und geeignete Schutzmechanismen etabliert werden.
Die kommende Zeit wird zeigen, wie sich der Markt weiterentwickelt und ob die Digitalisierung der Finanzwelt durch ICOs und deren Weiterentwicklungen nachhaltig und sicher gelingt.