Die Antarktis ist ein Kontinent von unvergleichlicher geologischer und klimatischer Bedeutung. Unter ihrer gewaltigen Eiskappe lagert jedoch eine Landschaft, die die Geheimnisse unserer Erdgeschichte birgt. Die Entdeckung einer uralten Flusslandschaft unter dem Ostantarktischen Eisschild im Jahr 2023 hat neue Perspektiven auf die Entwicklung des antarktischen Eisschildes und den Einfluss vergangener Klimaveränderungen eröffnet. Diese Landschaft erzählt von einer Zeit, in der die Region eisfrei war und von Flüssen geformt wurde – lange bevor der heutige massive Eisschild entstand. Die Grundlage dieser Erkenntnis bilden umfassende geophysikalische Untersuchungen, bei denen Radarecho-Sounding (RES) Daten genutzt wurden, um das Profil des Untergrundes unter der dicken Eisschicht sichtbar zu machen.
Der Ostantarktische Eisschild, der vor etwa 34 Millionen Jahren entstand, galt bisher als eine fast vollständig von Eis bedeckte Region. Dennoch haben Forscher anhand von Satellitendaten und bodengebundenen Messungen ein ausgedehntes uraltes Flussnetz entdeckt, das darunter erhalten geblieben ist. Diese Flusslandschaft wurde durch fluviale Prozesse geformt, bevor das Eis begann, das Land zu bedecken. Die Analyse der Talstrukturen zeigt eine dendritische Verzweigung, typisch für Flusssysteme, die sich durch kontinuierlichen Wasserschnitt gebildet haben. Gleichzeitig findet sich eine U-förmige Talform, welche auf eine nachträgliche Modifizierung durch lokale Gletscher hindeutet.
Diese Kombination ist ungewöhnlich und hebt den Stellenwert der Landschaft für das Verständnis antarktischer Landschafts- und Eisdynamiken hervor. Interessanterweise ist dieses Flussnetz in drei getrennte Hochlandblöcke unterteilt, die heute von tiefen glazialen Fjorden getrennt sind. Die Forscher konnten mittels Flexurmodellen nachweisen, dass diese Blöcke wahrscheinlich ehemals eine zusammenhängende Landmasse bildeten, bevor tektonische Bewegungen und glaziale Erosion diese zerteilten. Dabei wurde die Landschaft durch lokal warmbasige Gletscher modelliert, die Täler tief einschliffen, während die angrenzenden Hochflächen von kaltem, weniger erosivem Eis bedeckt blieben. Die erhaltene topographische Struktur bezeugt demnach eine lange Periode, in der warme und kalte Basistemperaturen des Eises abwechselnd die Landschaft beeinflussten.
Die Bedingungen zur Erhaltung dieser Landschaft sind bemerkenswert, da sie auf eine überwiegend kaltbasige Grundtemperatur des Eises hinweisen. Dies bedeutet, dass das Eis an der Basis gefroren war und kaum Bewegung oder Abschleifung von Gestein bewirkte. Die Forschung zeigt ebenfalls, dass dieser Zustand bereits seit mindestens 14 Millionen Jahren, möglicherweise sogar seit der ersten großflächigen antarktischen Vergletscherung vor etwa 34 Millionen Jahren, besteht. Dies hat weitreichende Implikationen für das Verständnis der Stabilität und Dynamik des Ostantarktischen Eisschildes im Verlauf der Erdgeschichte. Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen aus dieser Entdeckung ist, dass der Wechsel zwischen lokalen, warmbasigen Gletschern und der Ausdehnung eines kalten, kontinentalen Eisschildes sehr schnell erfolgt sein muss.
Diese „Snap-Change“-Mechanismen könnten erklären, warum solch alte Landschaften erhalten bleiben können, ohne durch wiederholte Eisbewegungen vollständig erodiert zu werden. Darüber hinaus wächst durch die Studie das Verständnis dafür, wie das Klima und tektonische Prozesse die antarktische Landschaft geformt haben. Die Verbindung zwischen der Flusslandschaft und der nachfolgenden glazialen Erosion zeigt, dass der Kontinent einst wesentlich wärmer und eisfrei war, und wie die eiszeitlichen Entwicklungsphasen das Relief veränderten. Die aktivierten tektonischen Strukturen während des Auseinanderbrechens Gondwanas spielten eine wichtige Rolle bei der Entstehung heutiger geologischer Geheimnisse unter dem Eis. Das erhaltene Flussnetz erstreckt sich über mehr als 32.
000 Quadratkilometer mit Flussläufen von bis zu 75 Kilometern Länge. Um diese Landschaft genauer zu verstehen, wurde eine Kombination aus Satellitenbilddaten, hochauflösenden Eisdickenmessungen und geophysikalischer Radarinterferometrie genutzt. Dabei wird deutlich, dass heutige Eisdynamiken, wie die langsame Bewegung des Ostantarktischen Eisschildes und lokale thermische Bedingungen, stark von der darunterliegenden Topographie beeinflusst werden. Diese wiederum sind ein Produkt der vorangegangenen Umwelteinflüsse und geologischer Umwälzungen. Die Region um die Aurora- und Schmidt-Subglazialbecken, in der das Flussnetz entdeckt wurde, ist besonders volatil und gilt als potentieller Ort für zukünftige Eisrückzüge, die durch den Klimawandel und Erwärmung der Ozeane hervorgerufen werden könnten.
Die Tatsache, dass das uralte Landschaftsrelikt hier gut erhalten ist, deutet darauf hin, dass der Eismantel in den letzten Millionen Jahren weitgehend stabil geblieben und kaum in diese Region zurückgezogen ist. Das kann bedeuten, dass erhebliche Erwärmungsphasen notwendig wären, um die Eisoberfläche so weit zurückzuverlegen, dass diese uralter Raum wieder freigelegt wird. Mit Blick auf das heutige und zukünftige Klima, in dem die atmosphärischen CO2-Werte wieder Niveaus erreichen, die seit Millionen von Jahren nicht mehr existierten, stellt sich die Frage, wie sich der Ostantarktische Eisschild verhalten wird. Experimente deuten darauf hin, dass eine signifikante Erwärmung zu einer erneuten Retraktion und möglicherweise zur Bildung isolierter Eiskappen auf den heutigen Hochländern führen könnte, ähnlich wie in der Vergangenheit, als lokale Gletscher diese einst die Oberfläche prägten. Die Erforschung dieser antarktischen Flusslandschaft hebt auch die Notwendigkeit hervor, weitere Regionen des Kontinents systematisch zu kartieren und zu untersuchen.
Zahlreiche verborgene Relikte könnten Einblicke in die Erdgeschichte bieten, die ansonsten verloren wären. Präzise Vermessungen, neben Nehmen von Gesteins- und Sedimentproben auf dem subglazialen Grund, könnten helfen, das Alter der Landschaft genauer zu bestimmen und das Verständnis der Eisgeschichte zu schärfen. Zusammenfassend hat die Entdeckung dieser uralten Flusslandschaft unter dem Ostantarktischen Eisschild die wissenschaftliche Sicht auf die lange und komplexe Wechselwirkung zwischen Klima, Tektonik und Gletscherentwicklung erweitert. Die Befunde unterstützen die Vorstellung eines raschen Umschwungs vom eisfreien Flussland zu einem beständigen, großflächigen Eisschild mit kaltem Basisklima, der seit mindestens 14 Millionen Jahren existiert. Diese Erkenntnisse sind nicht nur für die Geowissenschaft von hoher Bedeutung, sondern auch für das moderne Verständnis der Auswirkungen des heutigen Klimawandels auf die polaren Eisschilde und den globalen Meeresspiegelanstieg.
Durch fortgesetzte Forschung und technologische Fortschritte werden zukünftig weitere Geheimnisse des antarktischen Untergrundes gelüftet werden. Die gewonnenen Erkenntnisse können nicht zuletzt dazu beitragen, Vorhersagen über das zukünftige Verhalten der Eisdecken zu verbessern und so Strategien zum Umgang mit den Folgen des globalen Wandels zu unterstützen.