Digitale Zentralbankwährungen, besser bekannt als CBDCs, haben seit einiger Zeit großes Interesse in der Finanzwelt und darüber hinaus geweckt. Sie wurden als bahnbrechende Innovation gefeiert, die das Potenzial besitzt, die Art und Weise, wie wir Geld nutzen und übertragen, grundlegend zu verändern. Doch trotz dieses Hypes und der ambitionierten Projekte weltweit ist der Erfolg dieser digitalen Währungen bislang äußerst begrenzt, was nun auch von einer ehemaligen Führungskraft eines der größten Krypto-Unternehmen kritisch beleuchtet wird. Die frühzeitigen Hoffnungen, dass CBDCs die Antwort auf viele bestehende Probleme im Zahlungsverkehr, der finanziellen Inklusion und der Geldpolitik sein könnten, haben sich bislang nicht vollumfänglich bestätigt. Olga Goncharova, ehemalige Leiterin der Regierungsbeziehungen im GUS-Raum bei Binance und aktuell Geschäftsführerin der Beratungsfirma Rizz Go, spricht Klartext: Aus ihrer Sicht erweisen sich CBDCs häufig als überteuerte und wenig innovative Nachahmungen der traditionellen Fiat-Währungen, die Nutzer und Unternehmen bereits über Online-Banking oder Zahlungsapps komfortabel nutzen.
Der lang erwartete technologisch revolutionäre Durchbruch, der den Start dieser digitalen Zentralbankwährungen begleiten sollte, fehlt den meisten Projekten bisher. Zwar gibt es weltweit zahlreiche Initiativen und Pilotprogramme, doch keine Region oder Nation konnte bislang eine wirkliche Massenakzeptanz erreichen. Das Verhalten und die Gewohnheiten der Nutzer ändern sich langsamer als erhofft, und viele der angestrebten Vorteile bleiben theoretischer Natur. Ein Paradebeispiel für diese Herausforderungen ist China mit seiner digitalen Zentralbankwährung, dem digitalen Yuan. China zählt zu den Pionieren auf diesem Gebiet und hat bereits mehr als ein Jahrzehnt in die Forschung und Entwicklung investiert.
Die digitalen Yuan-Tests laufen bereits seit 2014, und das Land hat beim Ausbau seines digitalen Zahlungsnetzwerks enorme Anstrengungen unternommen, um die neue Währung im Alltag der Bevölkerung zu etablieren. Dennoch bleibt der Marktanteil des digitalen Yuan im Zahlungsverkehr bisher vergleichsweise gering. Berichte über Vorstände, die aufgrund von Misserfolgen in diesem Projekt abberufen wurden, unterstreichen die Schwierigkeiten, die mit der Einführung einer solchen Digitalwährung verbunden sind. Die Erwartungen an einen schnellen Wandel des Finanzsystems haben sich bislang nicht erfüllt, und das Projekt steht exemplarisch für viele ähnliche Initiativen weltweit. Auch die Europäische Union verfolgt ehrgeizige Pläne mit ihrer digitalen Variante des Euro.
Dabei steht das Ziel der strategischen Autonomie im Vordergrund. Der digitale Euro soll vor allem die Abhängigkeit von privaten Zahlungsdienstleistern wie Visa und Mastercard verringern. In einer Welt, in der globale Finanzkonzerne dominieren, ist es für die EU entscheidend, mehr Kontrolle über ihre Währungssysteme zu behalten und sich unabhängiger zu machen. Der digitale Euro wird daher nicht nur als technologische Neuerung betrachtet, sondern vor allem als geopolitisches Instrument zur Stärkung der wirtschaftlichen Souveränität Europas. Das Projekt kämpft jedoch mit diversen Herausforderungen.
So gibt es noch keine endgültige Entscheidung, ob der digitale Euro auf einer Blockchain-Technologie basieren soll. Die Europäische Zentralbank sieht derzeit weder ausreichend überzeugende Anwendungsfälle für programmierbare Währungen noch möchte sie die damit verbundenen technologischen Risiken eingehen. Zudem stellen sich alteingesessene Banken und andere Akteure gegen den digitalen Euro, was sich negativ auf die Marktdurchdringung auswirkt. Eine weitere interessante Sichtweise auf die Zukunft der CBDCs liefert Lambis Dionysopoulos, Forscher an der Universität von Nikosia und Mitglied des EU Blockchain Observatory and Forum. Er sieht für CBDCs vor allem in Krisenzeiten eine potenzielle Rolle.
In solchen Phasen gewännen digitale Zentralbankwährungen an Bedeutung, weil der Staat und die Zentralbank mehr Verantwortung und Handlungsbedarf im Finanzsektor übernehmen müssten. Beispiele für solche Krisen könnten die Finanzkrise von 2008 oder die Covid-19-Pandemie sein. Dionysopoulos hebt hervor, dass gerade Handelsgeschäfte und der Großhandelssektor von CBDCs profitieren könnten, ebenso Länder, die ihre finanzielle Unabhängigkeit von den USA und deren Währungssystem reduzieren wollen. Die alltägliche Nutzung im Einzelhandel sieht er auf absehbare Zeit jedoch eher kritisch. Russland ist ebenfalls sehr aktiv im Bereich CBDCs.
Die Einführung des digitalen Rubels, der bereits mehrere Testphasen durchlaufen hat, wird jedoch immer wieder verschoben. Offizielle Stellen äußerten zuletzt, dass eine umfassende Einführung später als ursprünglich geplant erfolgen wird. Dabei steht der digitale Rubel vor allem nicht für eine vorrangige Reduktion der Abhängigkeit von ausländischen Zahlungssystemen, wie es in der EU der Fall ist. Vielmehr soll er dazu beitragen, interne Zahlungsvorgänge effizienter zu gestalten. Die weitere konkrete Ausgestaltung und der Erfolg des digitalen Rubels hängen stark davon ab, wie klare und praktische Ziele für Nutzer und Wirtschaft formuliert werden können.
Zusätzlich gibt es in Russland Bestrebungen, stabile Kryptowährungen zu etablieren, die an den Rubel gekoppelt sind – eine Entwicklung, die Parallelen zu amerikanischen Stablecoin-Initiativen aufweist. Insgesamt zeigt sich, dass CBDCs zumeist nicht die erhofften technologischen und wirtschaftlichen Innovationen bringen. Viele Projekte wirken bislang wie teure Imitate etablierter Fiat-Währungen, die Kunden mit bestehenden Zahlungsdiensten ohnehin nutzen können. Die anfängliche Euphorie hat sich in vielen Fällen in Ernüchterung verwandelt, da die Einführung hakt und die Akzeptanz gering bleibt. Die komplexe Verflechtung von politischen Interessen, regulatorischen Anforderungen, technologischem Fortschritt und Nutzerverhalten führt dazu, dass das schnelle Versprechen einer digitalen Finanzrevolution noch in weiter Ferne liegt.
Gleichzeitig unterstreicht die derzeitige Lage auch die Bedeutung von laufenden Forschung und Entwicklung, da CBDCs in Notsituationen oder zur Wahrung finanzieller Autonomie weiterhin eine wichtige Rolle spielen könnten. Im langfristigen Blickwinkel besteht daher die Aussicht, dass Zentralbanken durch eine behutsame, realistische Herangehensweise und konkrete Anwendungsfälle nachhaltige digitale Zahlungsmittel implementieren können. Dabei ist jedoch klar, dass der Weg zum Erfolg mit vielen Herausforderungen gepflastert ist und eine simple Übertragung existierender fiat-basierter Zahlungssysteme auf eine digitale Form nicht genügt. Für Verbraucher, Unternehmen und Investoren bedeutet dies, dass sie CBDCs zwar aufmerksam verfolgen sollten, jedoch mit vorsichtigem Optimismus. Die digitale Transformation des Finanzwesens steckt nach wie vor in den Kinderschuhen, und die meisten Länder stehen noch vor der Frage, wie sie ihre Ziele sinnvoll mit digitaler Währung verbinden können.
Mit Blick auf die Zukunft bleibt es also spannend, ob und wie digitale Zentralbankwährungen ihren versprochenen Mehrwert wirklich entfalten und den Status quo in der Finanzwelt nachhaltig verändern werden.