Der globale Lebensmittelriese Nestlé hat angekündigt, die Art und Weise zu verändern, wie das Unternehmen seine Verkäufe hinsichtlich deren gesundheitlichen Qualität offenlegt. Diese Ankündigung erfolgt im Kontext wachsender Erwartungen von Investoren, Verbrauchern und Interessengruppen, die verstärkt auf eine transparentere Kommunikation und konkrete Maßnahmen zur Förderung gesünderer Lebensmittel drängen. Nestlés CEO Laurent Freixe erklärte in einem LinkedIn-Post, dass das Unternehmen künftig zusätzliche Daten veröffentlichen wird, die sich an den Kriterien der Access to Nutrition Initiative (ATNi) orientieren. Die ATNi gilt als eine wichtige Benchmark für die Bewertung von Ernährungsqualität und Unternehmensverantwortung im Lebensmittelsektor. Der Schritt von Nestlé ist mehr als nur eine Anpassung technischer Berichtsstandards.
Er reflektiert den strategischen Willen, die Wahrnehmung und Bewertung der Produktpalette im Hinblick auf deren gesundheitliche Aspekte signifikant zu verbessern. Dabei wird künftig die sogenannte sales weighted average metric („umsatzgewichteter Durchschnitt“) sowohl auf einzelne Produktkategorien als auch auf das gesamte Portfolio angewandt. Diese Kennzahl ermöglicht ein differenziertes Bild zur Häufigkeit und zum Umsatzanteil verschiedener Produktqualitäten und gibt Aufschluss darüber, welche Produkte in welchem Umfang zum Gesamtumsatz beitragen. Ein zentrales Element der Neuausrichtung ist der verstärkte Einsatz des Health Star Rating (HSR) Systems. Dieses Bewertungssystem wird von den Regierungen Australiens und Neuseelands offiziell unterstützt und dient als Grundlage zur Nährwertprofilierung.
Seit März 2023 hatte Nestlé angekündigt, das HSR-System als Standard zur Bewertung der Produkte zu übernehmen und damit das bisherige interne Bewertungskonzept aufzugeben. Das HSR-System bewertet Lebensmittel auf einer Skala von 0,5 bis 5 Sternen, basierend auf verschiedenen ernährungsbezogenen Kriterien wie Zucker-, Salz- und Fettgehalt sowie dem Anteil an positiven Inhaltsstoffen wie Ballaststoffen oder Proteinen. Bislang hatte es Kritik vonseiten der Lobbygruppe ShareAction gegeben, die Nestlés bisherigen Umgang mit der Offenlegung als unzureichend bemängelte. ShareAction pochte darauf, dass Nestlé bei der Erfassung und Berichterstattung nicht den offiziellen HSR-Richtlinien folgte, beispielsweise in Bezug darauf, welche Produkttypen von der Berichterstattung ausgenommen sein sollten. Nestlé will nun weiterhin Spezialbereiche wie spezialisierte Ernährung, Tiernahrung sowie reine Kaffeeprodukte getrennt getrennt berichten, stellt aber sicher, dass für die übrigen Kategorien eine detaillierte Aufschlüsselung nach HSR in Einklang mit den ATNi-Richtlinien erfolgt.
In den veröffentlichten Zahlen für das Jahr 2024 zeigt sich bereits eine Grundlage für die künftige Berichterstattung: Produkte mit einem Health Star Rating von 3,5 und mehr machten 38 Prozent des Nettoumsatzes aus, wenn Tiernahrung und Nicht-Lebensmittelprodukte ausgeschlossen wurden. Der Anteil liegt bei 30 Prozent, wenn diese Segmente einbezogen werden. Produkte mit mittlerer HSR-Bewertung zwischen 1,5 und 3,5 erzielten ohne Tier- und Non-Food-Produkte 20 Prozent des Umsatzes, mit ihnen 16 Prozent. Produkte mit einer HSR-Bewertung unter 1,5 stehen für 21 Prozent des Nettoumsatzes ohne und 17 Prozent mit den nicht essbaren Sortimenten. Die Zielsetzung von Nestlé ist ambitioniert: Bis 2030 will der Konzern den Verkauf von Produkten mit höherer Nährwertqualität um 20 bis 25 Milliarden Schweizer Franken steigern, was umgerechnet etwa 24 bis 30 Milliarden US-Dollar entspricht.
Dadurch soll nicht nur die Profitabilität verbessert, sondern auch das Image gestärkt werden, um den wachsenden Anforderungen in Bezug auf Gesundheit, Nachhaltigkeit und Konsumententransparenz gerecht zu werden. Die Bedeutung dieses strategischen Wandels von Nestlé kann im weiteren Kontext der globalen Nahrungsmittelbranche verstanden werden. Verbraucher suchen zunehmend nach gesünderen und verantwortungsbewusster hergestellten Produkten. Investoren wiederum fordern ein stärkeres Engagement im Sinne der sogenannten Environmental, Social and Governance (ESG)-Kriterien. Nestlés Anpassungen der Berichtsformate und Produktbewertungen sind somit auch Teil einer umfassenderen Trendwende hin zu mehr Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Verantwortung.
Zugleich stellt sich die Herausforderung, eine Balance zu finden zwischen traditionellen, häufig als weniger gesund eingestuften Produkten und dem stetig wachsenden Markt für Spezialnahrung und Lebensmittel mit gesundheitsfördernden Eigenschaften. Die bisherige Abhängigkeit von Produkten mit niedrigeren Health Star Ratings zeigt, dass eine Umorientierung der Produktpalette Zeit und konsequente Umsetzung erfordert. Der Aktionär und die Öffentlichkeit verlangen daher konkrete Fortschritte und ambitionierte Ziele, um die gesundheitliche Qualität der Produkte deutlich zu verbessern. Nestlés Integration der ATNi-Richtlinien bei der Berichterstattung zu Gesundheitlichkeit bedeutet auch, dass das Unternehmen sich einem externen Standard verpflichtet und so die Vergleichbarkeit und Glaubwürdigkeit seiner Angaben erhöht. Auch die detaillierte Offenlegung der unterschiedlichen Produktkategorien sorgt für eine bessere Nachvollziehbarkeit der Aussagen zur Nährwertqualität und damit für mehr Vertrauen bei den Stakeholdern.
Der Schritt zur größeren Transparenz und zur Verstärkung der Gesundheitsorientierung wird zudem von brancheninternen und externen Experten begrüßt und könnte als Vorbild für andere Unternehmen gelten. Eine klare und nachvollziehbare Kommunikation zur Ernährungsgesundheit stärkt das öffentliche Vertrauen und kann langfristig Wettbewerbsvorteile sichern. Die kommende nichtfinanzielle Berichterstattung von Nestlé wird somit nicht nur Einblicke in die aktuelle Produktqualität geben, sondern auch den Fortschritt im Kontext des selbstgesetzten ambitionierten Ziels dokumentieren. Durch einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess wird Nestlé in der Lage sein, Belege für die Wirkung seiner Maßnahmen zu liefern und auf Veränderungen im Konsumentenverhalten sowie auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse flexibel reagieren zu können. In der Gesamtschau zeigt sich, dass Nestlé mit der Umstellung seiner Berichterstattung einen wichtigen Schritt in Richtung verantwortungsvollerer Unternehmensführung macht.