Die fortschreitende Digitalisierung und die zunehmende Verbreitung von Edge-Computing-Anwendungen stellen hohe Anforderungen an schnelle und energieeffiziente Datenverarbeitung. Klassische digitale Systeme, die Differentialrechnungen und Bewegungsdetektion durchführen, stoßen oftmals an ihre Grenzen – insbesondere bei zeitkritischen Anwendungen wie der Echtzeit-Bildverarbeitung oder der intelligenten Überwachung. Hier setzt die innovative In-Memory Ferroelectric Differentiator Technologie an, die mit einer neuartigen Hardwarelösung Differentialrechnungen direkt innerhalb des Speichers ermöglicht und somit Datenübertragungen und Energieverbrauch drastisch reduziert. Die Grundidee hinter der In-Memory Berechnung ist es, Rechenoperationen direkt in der Speichereinheit durchzuführen, anstatt Daten zwischen Speicher und Prozessor zu übertragen. Dieses Prinzip gewinnt in Zeiten großer Datenmengen und hochdynamischer Prozesse zunehmend an Bedeutung.
Ferroelectric Random Access Memory (FeRAM) bietet aufgrund seiner nichtflüchtigen Speicherfähigkeit und der Fähigkeit zur schnellen Umschaltung von Polarisationen ideale Voraussetzungen für solche Anwendungen. Durch die Nutzung der Umschaltvorgänge ferroelectrischer Domänen kann in einem sogenannten ferroelectric differentiator die Differenz zwischen aufeinanderfolgenden Datenzuständen als physikalischer Effekt extrahiert werden. Die aktuell in der Forschung erprobten Implementierungen basieren auf 40×40 Arrays aus ferroelectric polymerbasierten Kapazitoren, genauer gesagt aus P(VDF-TrFE) Copolymeren. Diese organischen ferroelectrischen Materialien zeichnen sich durch robuste chemische Stabilität, verlässliche Polarisationseigenschaften und Biokompatibilität aus. Ihre ausgeprägte nichtlineare Domänendynamik erlaubt eine präzise Steuerung der Umschaltprozesse, wobei nur Zeichenänderungen zwischen benachbarten Bildern eine Polarisationsumkehr auslösen – dies ist essenziell für die Extraktion von Differenzinformationen.
Die besondere Architektur der passiven Crossbar-Arrays aus diesen ferroelectrischen Kapazitoren minimiert die sogenannten „Sneak Paths“, also unerwünschte Signalüberschneidungen in komplexen Schaltkreisen. Dies wird durch den schmalen Umschaltbereich sowie die nichtlineare Bewegung der Domänenwände erreicht. Dadurch lassen sich Signale zuverlässig und reproduzierbar programmieren und auslesen, was die Grundlage für präzise in-memory Differenzberechnungen bildet. Ein wesentlicher Vorteil der In-Memory Ferroelectric Differentiator Technologie liegt in ihrer Fähigkeit, mathematische Differentialfunktionen analog zu berechnen. Experimentell zeigt sich, dass die Summierung der durch Domänenschaltvorgänge integrierten Ladungen linear mit der Anzahl geänderter Speicherzellen korreliert, wodurch Differenzen analog quantifiziert werden können.
Dies wurde zum Beispiel durch die Berechnung erster und zweiter Ableitungen einer Parabelfunktion eindrucksvoll demonstriert. Die Ergebnisse zeigen dabei eine sehr gute Übereinstimmung mit theoretischen mathematischen Lösungen und unterstreichen die hohe Genauigkeit ihres analog-nichtflüchtigen Berechnungspotenzials. Neben der theoretisch-mathematischen Anwendung ist die Technologie hervorragend für visuelle Rechenaufgaben geeignet. So können Bilddifferenzen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Frames einer Videosignalfolge in Echtzeit und energiesparend berechnet werden, indem die Differenzinformationen aus den Domänenschaltvorgängen extrahiert werden. Dies entspricht der Funktion eines biologischen Differenzierers, wie er in neuronalen Netzwerken des Auges oder Gehirns vorkommt, und kann zur Bewegungsdetektion in Überwachungssystemen oder intelligenter Bildanalyse dienen.
Kombiniert mit CMOS-Bildsensoren, die die einzelnen Videopixel als zeitlich kodierte Spannungssignale bereitstellen, erlaubt das ferroelectrische Capacitor-Array eine direkte zeitliche Erfassung der Differenzen. Diese Echtzeit-Detektion von Bewegungen reduziert nicht nur die Komplexität der Verarbeitung, sondern auch den Energieverbrauch erheblich, da aufwändige Datenübertragungen zum Mikrocontroller und die darauf folgende digitale Differenzberechnung entfallen. Die Frequenzgrenze der derzeit verwendeten organischen ferroelectrischen Polymerkapazitoren liegt etwa bei einem Megahertz, was für viele Anwendungen ausreichend schnell ist. Mit weiterem Fortschritt bei der Verwendung anorganischer Ferroelektrika, deren Domänenschaltzeiten im Sub-Pikosekundenbereich liegen, ist zudem eine signifikante Geschwindigkeitserhöhung zu erwarten. Diese Geschwindigkeitssteigerung wäre insbesondere für hochdynamische Bildverarbeitungsszenarien wie autonome Fahrzeuge, Robotik oder Echtzeitüberwachungssysteme von großer Bedeutung.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die ausgezeichnete Retentionsfähigkeit der ferroelectrischen Domänen, die über Tage hinweg stabil bleibt. Dies erlaubt die langfristige Speicherung von Bilddaten und Differenzen, was für Anwendungen mit langsamen Dynamiken, wie etwa Überwachung über viele Stunden oder Tage, von Vorteil ist. Auch die Erkennung von Bildunterschieden über sehr große Zeitintervalle, beispielsweise bei der Inspektion von industriellen Bauteilen oder bei Sicherheitsanwendungen, wird damit möglich. Beispielsweise kann das System Veränderungen auf Siliziumwafern bei der Halbleiterfertigung erkennen und somit fehlerhafte Produkte rasch aussortieren. Ebenso lassen sich Bewegungen oder Veränderungen auf Bahnstrecken oder an Sicherheitsanlagen zuverlässig feststellen, was in einem automatisierten Sentinel- oder Überwachungssystem Anwendung findet.
Diese Aufgaben würden traditionell große Rechenressourcen und Speicher benötigen, können mit der in-memory ferroelectric differentiator Lösung aber deutlich ressourcenschonender umgesetzt werden. Die Herstellung ist für den großindustriellen Einsatz vielversprechend, da P(VDF-TrFE)-Filme kostengünstig mit konventionellen Lösungsmitteln verarbeitet werden können. Durch die Verwendung passiver Crossbar Arrays ohne zusätzliche selektive Schaltelemente im Einzelnen lassen sich Systeme mit hoher Speicherdichte und Skalierbarkeit fertigen. Die hohe Homogenität und Reproduzierbarkeit der einzelnen Kapazitorzellen unterstützt eine fehlerarme Serienfertigung. Trotz der vielen Vorteile bleibt noch Optimierungspotenzial.
Die Variation der Polarisationswerte der einzelnen Zellen beeinflusst die Genauigkeit analoger Differenzberechnungen; hierfür können durch zusätzliche Schaltungsarchitekturen Gewichtungen implementiert werden, die Fehler kompensieren. Auch die eingesetzten Betriebsspannungen sind aktuell mit 20 bis 40 Volt vergleichsweise hoch – durch die Verwendung dünnerer Ferroelektrika oder moderner hafniumbasierter Ferroelectrika könnten diese aber signifikant reduziert werden, was die Integration in mobile und IoT-Geräte erleichtert. Die Integration in bestehende CMOS-Prozesse stellt einen weiteren wichtigen Entwicklungsschritt dar. Aktuelle Forschungen fokussieren auf die Kombination der ferroelectrischen Differenzierersysteme mit Bildsensoren direkt auf einem Chip, so dass die Datenübertragung zwischen Sensor und Speicher auf ein Minimum reduziert wird. Dies könnte zu völlig neuen Konzepten für intelligente Kameras und Edge-Computing-Hardware führen.
Nicht zuletzt ist der niedrige Energieverbrauch von ungefähr 0,24 Femtjoule pro Differenzberechnung ein herausragendes Merkmal. Dies liegt deutlich unter dem Verbrauch herkömmlicher digitaler Mikrocontroller für Differenzberechnung, was insbesondere bei batteriebetriebenen Geräten oder energieeffizienten Sensoren ein großes Plus darstellt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die In-Memory Ferroelectric Differentiator Technologie eine vielversprechende Plattform für die Zukunft der energieeffizienten, schnellen und kompakten Differenzialrechenoperationen ist, die sowohl im wissenschaftlichen Bereich als auch in industriellen Anwendungen und bei zukünftigen intelligenten Sensorlösungen neue Standards setzen kann. Ihre einzigartigen Eigenschaften erlauben erstmals, komplexe mathematische und visuelle Differenzoperationen unmittelbar dort durchzuführen, wo die Daten gespeichert sind, was eine neue Ära der Rechentechnik auf Hardwareebene einläutet.