Die Liquidität ist ein wesentlicher Faktor für die Funktionsfähigkeit und Stabilität von Finanzmärkten. Sie beschreibt die Leichtigkeit, mit der Vermögenswerte gekauft oder verkauft werden können, ohne den Preis maßgeblich zu beeinflussen. Während die Kryptowährungsmärkte in den letzten Jahren enorme Fortschritte bei der Effizienz gemacht haben, zeigt ein Bericht von S&P Global, dass die Liquidität im Kryptosektor weiterhin deutlich hinter derjenigen traditioneller Finanzmärkte zurückbleibt. Diese Diskrepanz hat vielfältige Ursachen, die sowohl technischer als auch struktureller Natur sind, und sie beeinträchtigen die Gesamtentwicklung der Kryptoindustrie. Im Zentrum der Problematik steht die Fragmentierung des Kryptomarktes.
Im Gegensatz zu den meisten traditionellen Finanzmärkten, die häufig zentralisiert oder zumindest eng reguliert sind, ist der Kryptomarkt über zahlreiche Handelsplattformen verteilt. Diese Plattformen unterscheiden sich stark in Bezug auf Handelsvolumen, Liquiditätsreserven und technische Infrastruktur. So ergeben sich große Unterschiede in der Tiefe der Orderbücher, der Spreads zwischen Kauf- und Verkaufspreisen und der Handelbarkeit verschiedener Kryptowährungspaare. Besonders auffällig ist dies bei den sogenannten Fiat-Krypto-Paaren, also Handelsverbindungen zwischen Kryptowährungen und staatlich ausgegebenen Währungen. Diese weisen im Vergleich zu Krypto-zu-Krypto-Paaren deutlich geringere Liquidität und dünnere Orderbücher auf.
Zudem ist die Infrastruktur der Krypto-Handelsplätze nicht einheitlich. Zentralisierte Börsen, wie beispielsweise Binance, sind hinsichtlich ihrer Funktionsweise traditionellen Börsen ähnlich. Sie arbeiten mit orderbuchbasiertem Handel und bieten meist hohe Ausführungsgeschwindigkeiten bei relativ engen Spreads. Diese Börsen dominieren das Handelsvolumen und sorgen deshalb für die meiste Handelsliquidität. Auf der anderen Seite stehen dezentrale Börsen, sogenannte DEXs, die mit automatisierten Market Makern (AMMs) arbeiten.
Diese Modelle ermöglichen es Händlern, Vermögenswerte zu tauschen, ohne die Kontrolle über ihre Wallets abzugeben, was für viele Nutzer attraktiv ist. Allerdings bringen AMMs technische Herausforderungen mit sich, wie höhere Preisabweichungen (Slippage) und Impermanenter Verlust, gerade in Phasen hoher Volatilität oder bei großen Handelsvolumina. Untersuchungen von S&P Global zeigen, dass trotz dieser Herausforderungen wichtige Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und USDT bei gewissen Handelsparametern durchaus mit Mid-Cap-Aktien mithalten können. Dazu gehören unter anderem enge Bid-Ask-Spreads. Dies ist ein deutliches Zeichen für den Fortschritt und die zunehmende Reife des Marktes.
Dennoch bleibt der Gesamtmarkt ineffizient im Vergleich zur traditionellen Finanzwelt, da dezentrale Börsen insgesamt eine geringere Liquidität aufweisen und viele kleine und mittlere Handelsplätze weiterhin kaum tiefe Märkte bereitstellen können. Neben der Markstruktur beeinträchtigen auch politische und sicherheitstechnische Risiken die Liquidität. Kryptobörsen stehen oft im Zentrum geopolitischer Spannungen oder politischer Unsicherheiten, was zu abrupten und lokal begrenzten Ausfällen der Liquidität führen kann. Ein Beispiel hierfür ist die Marktsituation in Südkorea im Dezember 2024, als eine politische Krise auf der Handelsplattform Upbit zu einem starken Rückgang des Bitcoin-Preises in der lokalen Währung führte. Sicherheitsvorfälle, wie der Hack der Plattform Bybit im Februar desselben Jahres, sorgten ebenfalls für nachhaltige Einbußen beim Handelsvolumen und minderten somit die Liquidität erheblich.
Diese Ereignisse zeigen, wie sensibel und anfällig fragmentierte Liquiditätsnetzwerke im Kryptobereich sein können und wie tiefgreifend externe Schocks die Handelsaktivität beeinflussen. Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Faktor ist die Rolle der Stablecoins, die als Brücke zwischen traditionellen Währungen und Kryptowährungen dienen. Stablecoins weisen im Krypto-zu-Krypto-Handel meist eine vergleichsweise hohe Liquidität auf, da sie technisch einfacher integriert sind und weniger regulatorische Hürden als Fiat-Zahlungen überwinden müssen. Dennoch gibt es für Stablecoins im Bereich von Fiat-Handelspaaren noch diverse Herausforderungen. Bankenregulatorische Vorgaben und Compliance-Anforderungen erschweren die Abwicklung von Fiattransaktionen, was dazu führt, dass Fiat-Handelspaare meist mit dünneren Orderbüchern und größeren Spreads zu kämpfen haben.
Die zunehmende regulatorische Klarheit und die Weiterentwicklung von Stablecoins könnten dieses Ungleichgewicht jedoch in Zukunft verringern und die Rolle von Stablecoins im globalen Finanzsystem weiter stärken. Auch die Markteinführung von ETFs (Exchange Traded Funds) für Bitcoin und Ether in den USA zeigt positive Effekte auf die Liquidität der Kryptomärkte. Durch den Zugang institutioneller Anleger zu regulierten Finanzprodukten erhöht sich das Handelsvolumen, und damit auch die Tiefe der Märkte. Obwohl das Volumen von ETF-Verkäufen und -Käufen bislang noch unterhalb der zugrunde liegenden Vermögenswerte liegt, stellt dies einen wichtigen Schritt zur Integration von Kryptowährungen in die traditionelle Finanzwelt dar. Die technische Gestaltung der Märkte selbst trägt ebenfalls dazu bei, dass die Liquidität in Krypto noch nicht das Niveau traditioneller Märkte erreicht hat.
Orderbücher sind häufig fragmentiert, und Cross-Exchange-Arbitrage wird durch unterschiedliche Systemzeiten, Netzwerkverzögerungen und regulatorische Barrieren erschwert. Slippage, also die Abweichung des erwarteten Handelspreises zum tatsächlichen Ausführungspreis, ist bei vielen Krypto-Handelspaaren immer noch ein großes Problem, vor allem bei volatilen Token beziehungsweise in Zeiten starker Marktbewegungen. Auf Plattformen wie Uniswap ist zu beobachten, dass stabile Handelspaare aus Stablecoins niedrige bis nahe null Slippage aufweisen, während ETH-Paare, aufgrund ihrer größeren Volatilität, höhere Preisschwankungen durch Slippage zeigen. Institutionelle Investoren spielen eine zunehmende Rolle und treiben den Reifegrad der Märkte nach oben. Sie profitieren von deutlich ausgebauten Handelsinfrastrukturen, regulatorischem Schutz und breiteren, tieferen Märkten.
Ihre Präsenz schafft insgesamt stabilere Marktbedingungen, doch zugleich sind sie auf effiziente Liquiditätslösungen angewiesen, die sie noch nicht flächendeckend vorfinden. Insbesondere der Handel großer Volumen wird durch Fragmentierung und mangelnde Marktbreite häufig erschwert. Zusammengefasst zeigt sich, dass die Liquidität im Kryptosektor trotz deutlicher Fortschritte und vorhandener Effizienzgewinne weiterhin vor bedeutenden Herausforderungen steht. Die Marktfragmentierung, technische und regulatorische Hürden sowie externe Einflüsse wie politische Krisen oder Sicherheitsvorfälle drücken auf die Handelsqualität. Dennoch liefern zentrale Handelsplattformen zuverlässige Liquidität für große Kryptowährungen, und die Entwicklung neuer Produkte wie ETFs stärkt die Marktstabilität.
Mit zunehmender regulatorischer Klarheit, verbesserter Infrastruktur und einer wachsenden Zahl institutioneller Anleger ist zu erwarten, dass sich die Liquidität weiter verbessert und die Kryptoindustrie enger mit der traditionellen Finanzwelt verflochten wird. Dies dürfte langfristig zu effizienteren, stabileren und zugänglicheren Märkten führen, die den dynamischen Charakter der digitalen Vermögenswerte angemessen abbilden.