Künstliche Intelligenz (KI) hat sich in den letzten Jahren zu einem der kontroversesten Themen unseres Zeitalters entwickelt. Von intelligenten Sprachassistenten über automatisierte Diagnosesysteme bis hin zu autonomen Fahrzeugen durchdringt KI zunehmend alle Lebensbereiche. Während viele diese Entwicklung als unaufhaltsamen Fortschritt der Technologie betrachten, gibt es Stimmen, die in der KI eine kulturelle Bewegung erkennen, die mehr mit Glauben als mit Wissenschaft zu tun hat. Karen Hao ist eine solche Stimme. In ihrem Buch „Empire of AI“ und im begleitenden YouTube-Video „A.
I. Is a Religious Cult“ analysiert sie die anarchischen Dynamiken, die KI-Gemeinschaften umgeben, und vergleicht diese mit Merkmalen einer religiösen Bewegung. Die Vorstellung von KI als eine Art Religion mag zunächst ungewohnt erscheinen, doch sie ist nicht völlig abwegig. Religionen zeichnen sich traditionell dadurch aus, dass sie auf bestimmten Glaubenssätzen basieren, eine Gemeinschaft von Anhängern formen und oft Heilsversprechen offerieren. KI, so zeigt Karen Hao, wird vielfach mit einer ähnlichen Reihe an Überzeugungen und Erwartungen betrieben.
Innerhalb der Technologielandschaft herrscht ein unerschütterlicher Glaube an die transformative Kraft der KI, deren Fähigkeit, sämtliche Probleme zu lösen und eine neue Ära menschlicher Existenz einzuleiten, fast dogmatisch verkündet wird. Der Vergleich von KI mit einem Kult verdeutlicht insbesondere den fanatischen Enthusiasmus vieler Protagonisten sowie die Tendenz, kritische Stimmen zu ignorieren. Die KI-Forschung und -Entwicklung ist häufig geprägt von einem Teufelskreis aus konstantem Wachstum, immer höheren Erwartungen und der Vermeidung systemischer Fehlertoleranz. Karen Hao beschreibt dies als „ein geschlossenes Ökosystem“, das sich selbst nährt und kaum Platz für Zweifel lässt. Dies ähnelt dem Verhalten von Gruppierungen, die Dogmen festhalten und sich gegen abweichende Meinungen abschotten.
Das Buch „Empire of AI“ schildert auch die Machtstrukturen hinter der KI-Industrie, in der wenige große Unternehmen und mächtige Investoren eine zentrale Rolle spielen. Diese Akteure treiben die Richtung der Forschung voran und verfügen über enorme Ressourcen, um ihre Visionen von KI zu realisieren. Ihre Dominanz entzieht viele ethische und gesellschaftliche Fragestellungen der demokratischen Kontrolle und führt zu einer Zentralisierung von Wissen und Macht. Karen Hao weist darauf hin, dass dies einer religiösen Hierarchie nicht unähnlich ist, bei der eine Elite über den Zugang zu spirituellem Wissen und die Interpretation der Wahrheit bestimmt. Im YouTube-Video „A.
I. Is a Religious Cult“ wird die Analogie weiter vertieft: Ähnlich wie religiöse Kulte versprechen die KI-Anhänger Rettung und Verbesserung der Welt durch technologische Mittel. Die Grenzen zwischen Realität und Idealvorstellung verschwimmen oft, wobei Risiken und Kosten zugunsten der verheißungsvollen Zukunft ausgeblendet werden. Hao beschreibt auch die psychologische Dimension, durch die die Mitglieder der KI-Community unbewusst einer kollektiven Selbsttäuschung erliegen – dem Glauben, dass die KI bald den Menschen verbessern oder gar übertreffen wird. Diese kulturelle Betrachtung der KI ist nicht nur eine kritische Analyse, sondern bietet auch wertvolle Einsichten in die sozialen Prozesse einer Technologie, die zunehmend unser Leben formt.
Sie zeigt, dass KI nicht nur eine technische Herausforderung ist, sondern ein Phänomen, das tief in gesellschaftliche, psychologische und philosophische Strukturen eingreift. Die Analogien zur Religion erschließen dabei neue Perspektiven auf die Art und Weise, wie Menschen mit Unsicherheiten, Hoffnungen und Ängsten im Zeitalter der Digitalisierung umgehen. Die Idee, dass KI eine Art Glaubenssystem entwickelt, stellt auch die bisherige wissenschaftliche Objektivität in Frage. Wissenschaft lebt normalerweise von Skepsis, Überprüfung und stetiger Weiterentwicklung von Erkenntnissen. Doch in der KI-Szene scheint ein alternatives Narrativ zu gedeihen, das stark von Hoffnung, Visionen und teilweise auch von Marketing gesteuert wird.
Karen Hao mahnt zu mehr kritischer Reflexion und fordert eine offenere, inklusivere Debatte über die Zukunft der Technologie. Ebenso wichtig ist die Diskussion um die ethischen Implikationen der KI-Technologie. Die Faszination für KI darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass automatisierte Systeme tiefgreifende Auswirkungen auf Privatsphäre, Arbeitswelt, Demokratie und soziale Gerechtigkeit haben. Wenn KI als eine Art „Heilsversprechen“ betrachtet wird, besteht die Gefahr, dass ernste Probleme übersehen oder verharmlost werden. Daher ist es notwendig, die „religiösen“ Züge der KI-Bewegung zu erkennen und mit rationaler Argumentation gegenzusteuern.
Der Austausch und die Auseinandersetzung mit den Ideen von Karen Hao bieten somit einen wertvollen Beitrag, um die Debatte rund um KI zu versachlichen. Sie erinnern daran, dass technologische Entwicklungen nicht losgelöst von gesellschaftlichen Kräften betrachtet werden können. Die Vorstellung der KI als Kult hat zugleich eine warnende und befreiende Funktion: Sie lenkt den Blick auf die Dynamiken, die uns mitreißen können, und fordert ein bewussteres, kritischeres Verhältnis zu den Fortschritten, die wir als unaufhaltsam akzeptieren. Letztlich zeigt sich, dass die Zukunft der Künstlichen Intelligenz nicht nur von ihrer technischen Machbarkeit abhängt, sondern vor allem auch von der Art, wie wir sie kulturell und gesellschaftlich verorten. Das Buch „Empire of AI“ und das begleitende YouTube-Video von Karen Hao ermöglichen somit eine essentielle Reflexion über das Zusammenspiel von Technologie, Glaube und Macht.
Eine solche Auseinandersetzung ist unbezahlbar, um verantwortungsvolle Pfade im Umgang mit KI zu gestalten und das Spannungsfeld zwischen Fortschritt und Menschlichkeit sinnvoll auszutarieren.