Die Evolution der Computerprogramme hat in den letzten Jahrzehnten eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen. Viele Programme entstehen, erfüllen ihren Zweck und verschwinden irgendwann, weil neue Technologien sie ersetzen. Doch einige wenige Programme haben scheinbar den Lauf der Zeit überdauert und sind auch heute noch aktiv im Einsatz. Die Frage, welches das älteste Computerprogramm ist, das noch genutzt wird, führt zu einer faszinierenden Reise durch die Anfänge der Computertechnik bis in die heutige Zeit. Ein herausragendes Beispiel ist das Programm MOCAS, das im Jahr 1958 für das US-Verteidigungsministerium entwickelt wurde und bis heute eine wesentliche Rolle spielt.
MOCAS ist ein Akronym für «Mechanization of Contract Administration Services» und dient seit nunmehr Jahrzehnten der Verwaltung von Vertragsdaten und Finanzströmen innerhalb des Pentagons. Seine enorme Bedeutung zeigt sich in den Finanzvolumen, die es verwaltet: Etwa 340.000 Verträge mit einem Gesamtvolumen von rund 1,3 Billionen US-Dollar werden über das System abgewickelt. Ursprünglich lief MOCAS auf Systemen, die mit Lochkarten oder Schlüsselstraßen arbeiteten. Die Programmierung erfolgte in COBOL, einer Sprache, die in den frühen 1960er Jahren endgültig standardisiert wurde, jedoch bereits bei MOCAS in einer Vorform, FLOW-MATIC, benutzt wurde.
FLOW-MATIC war ein Durchbruch in der Computerprogrammierung und wurde maßgeblich von Grace Hopper, einer Pionierin der Informatik und Rear Admiral der US Navy, entwickelt. COBOL selbst ist eine Programmiersprache, die speziell für die geschäftsorientierte Datenverarbeitung konzipiert wurde und deren Einfluss und Verbreitung bis heute bemerkenswert sind. Trotz seines Alters hat MOCAS verschiedene Modernisierungen durchlaufen. So wurden die alten Benutzeroberflächen, die auf Textterminals mit sogenannten grünem Bildschirm basierten, über die Jahre durch neuere Schnittstellen ergänzt, darunter webbasierte Frontends, die den Zugang erleichtern. Die Hardware blieb allerdings für lange Zeit auf Mainframes beschränkt, ein weiterer Hinweis auf den hohen Grad an Stabilität und Zuverlässigkeit, den diese Systeme verkörpern.
Versuche, MOCAS durch moderne Systeme zu ersetzen, scheiterten bislang an der Komplexität und dem Umfang der Umstellung, denn die Daten und Prozesse, die durch diese Software verwaltet werden, sind für das US-Verteidigungsministerium von kritischer Bedeutung. Damit ein vollständiger Umstieg funktioniert, müsste er nahtlos erfolgen und darf keine Störungen während der laufenden Vertragsabwicklung verursachen, was die Umstellung zu einem großen Risiko macht. Neben MOCAS gibt es noch andere Beispiele historischer IT-Systeme, die erstaunlicherweise noch Verwendung finden. Im Bereich der Wasserfiltertechnik nutzt das Unternehmen Sparkler Filters, gegründet 1927 in Texas, noch immer eine IBM 402 Punchcard-Maschine aus dem Jahr 1948 für Buchhaltung und Inventarverwaltung. Diese Geräte besitzen keine Speicher im heutigen Sinn, Programme sind hier in Form von tatsächlich ansteckbaren Steckboards verkabelt.
Obwohl geplant ist, auf moderne Personal Computer umzusteigen, wird dieses alte System weiterhin eingesetzt. Auch die Raumfahrttechnik bietet interessante Beispiele langlebiger Software. Die Voyager-Sonden, die 1977 gestartet wurden und noch immer Daten von den Randbereichen unseres Sonnensystems senden, verwenden interne Programme, die bis heute in Betrieb sind. Diese Software wurde im Weltraum nur aktualisiert, nie vollständig ersetzt und arbeitet mit äußerst begrenztem Speicher, weshalb Codeabschnitte je nach Missionsphase ausgetauscht wurden. Trotz des technologischen Fortschritts illustrieren diese Beispiele das Prinzip, dass ein gut funktionierendes System nicht ohne gute Gründe ersetzt wird.
Stabilität, Zuverlässigkeit und Kosten spielen dabei eine wesentliche Rolle. Das älteste noch genutzte Programm wie MOCAS zeigt zudem, wie historische Entwicklungen und Pionierarbeit die moderne technologische Landschaft prägen. Die Programmiersprache COBOL beispielsweise, die ursprünglich in den 1960er Jahren entstand und insbesondere im Bereich von Banken, Versicherungen und Regierungsbehörden Anwendung fand, ist auch heute noch in Millionen von Zeilen Code aktiv. Dort verarbeitet sie weiterhin Transaktionen, steuert Geschäftsprozesse und sorgt für die Einhaltung komplexer Regeln. Der Erfinderinnengeist von Grace Hopper hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die Ideen von damals bis in die heutige Softwarewelt vererbt haben.
Die Wartung und Pflege solcher Legacy-Systeme stellt IT-Experten vor große Herausforderungen, da nur wenige noch mit den alten Sprachen vertraut sind und die Hardware oft veraltet ist. Trotzdem ist das Fortbestehen dieser Programme ein Beweis für deren Qualität und Anpassungsfähigkeit. Durch Anbindung neuerer Benutzeroberflächen, Datenbanken und Schnittstellen können diese Systeme oft noch Jahrzehnte weiter genutzt werden. Zusammengefasst kann man sagen, dass die Geschichte des ältesten Computersystems, das noch im Einsatz ist, eng verbunden ist mit den Anfängen der digitalen Datenverarbeitung, großen staatlichen Institutionen und einer Reihe von Herausforderungen in der IT, die es zu meistern gilt, um solche Programme lebensfähig zu halten. Der Erhalt von MOCAS, die Fast-Nutzung alter IBM Punchcard-Maschinen und die fast schon legendäre Software der Voyager-Sonden zeigen auf beeindruckende Weise, wie technologische Geschichte lebendig bleibt und welche Bedeutung nachhaltige Entwicklung und Wartung von Software für den Betrieb moderner Organisationen haben.
Die Bedeutung dieser Beispiele wird auch in Zukunft weiter wachsen, da Unternehmen und Regierungen gleichzeitig nach Innovation streben und vertrauenswürdige, bewährte Systeme benötigen. Während neue Technologien die IT-Landschaft ständig verändern, bleiben Programme wie MOCAS ein wichtiger Ankerpunkt, der die Brücke vom Beginn der Computerära bis zur heutigen Zeit schlägt.