Vor 25 Jahren veröffentlichte Nintendo eines seiner mutigsten und zugleich außergewöhnlichsten Spiele: The Legend of Zelda: Majora’s Mask. Dieses Spiel, als direkte Fortsetzung des gefeierten Ocarina of Time, markierte einen drastischen Wandel in der Zelda-Reihe. Statt einer weiten, offenen Welt wurde der Spieler in die beunruhigende Welt von Termina entführt – eine Parallelwelt, deren Untergang innerhalb von nur 72 Spielstunden bevorstand. Majora’s Mask gilt nicht nur als das dunkelste Kapitel der Zelda-Saga, sondern auch als frühes Beispiel für den Einsatz von Multiversum-Elementen in Videospielen, die den Spieler auf eine ganz neue Weise in die Geschichte eintauchen lassen. Dieses Jubiläum ist Anlass, das Spiel im Detail zu analysieren und die Einflüsse zu betrachten, die es auf die Videospielwelt hatte, sowie die Wirkung seiner innovativen Erzählweise.
Majora’s Mask wurde in einer bemerkenswert kurzen Entwicklungszeit veröffentlicht. Nur knapp 18 Monate nach Ocarina of Time stellte Nintendo eine Fortsetzung bereit, die auf den ersten Blick simpler erscheinen mochte – doch Majora’s Mask entfaltete sich bald als Überraschung mit einem ausgefeilten Zeitmechanismus, der Rückspulen und wiederholtes Durchleben eines Zeitraums von drei Tagen erforderte. Genau diese Zeitmanipulation wurde zum Herzstück von Gameplay und Storytelling. Nur durch clevere Nutzung der Zeit konnte der Spieler die Schicksale der Bewohner von Termina beeinflussen und am Ende einen drohenden Katastrophenfall verhindern. Gleichzeitig lag eine ganz eigene Spannung in dem Wissen, dass der Weltuntergang unvermeidlich schien, man gegen die Zeit kämpfte und doch immer wieder alles zurücksetzen musste.
Die technische Basis von Majora’s Mask ist eng mit Ocarina of Time verbunden. Nintendo nutzte die bereits entwickelten Charaktermodelle erneut, um Entwicklungszeit zu sparen. Doch weit entfernt von einer einfachen Kopie erhielten Figuren vermeintlich bekannte Gestalten mit neuen Namen und Hintergründen – ein Konzept, das nahelegt, dass Majora’s Mask im Grunde ein Multiversum darstellt, in dem Varianten bekannter Charaktere in einer anderen Realität existieren. Diese Idee des Multiversums spielt geschickt mit der Erwartungshaltung und dem Vorwissen der Spieler. Sie erzeugt ein Gefühl von Vertrautheit und zugleich bizarrer Fremdheit, da sich selbst vertraute Gesichter merkwürdig verzerrt und gefährlich oder seltsam verhalten.
So begegnet man etwa Gorman, dem zornigen Leiter einer Wandertruppe, der das Gesicht der Figur Ingo aus Ocarina of Time trägt, aber im Kern eine ganz andere Persönlichkeit ist. Während Ingo als machthungriger Farmhelfer dargestellt wurde, zeigt Gorman eine komplexere Seite, die von Stress, Angst vor dem Scheitern und einer Sehnsucht nach Zusammenhalt geprägt ist. Diese doppelte Bedeutungsebene bereichert das Erzählen und macht es tiefgründiger als bloße Referenz. Es werden Erwartungen gebrochen, die zuvor in Ocarina aufgebaut wurden – ein spannender Kniff, der Unbehagen erzeugt und gleichzeitig die emotionale Wirkung verstärkt. Der Zeitdruck, der durch die ständig näher kommende Mondsichel verkörpert wird, gibt Majora’s Mask eine einzigartige Atmosphäre.
Die Spieler werden Zeuge, wie Figuren mit einer nahenden Apokalypse umgehen: Manche verleugnen, manche akzeptieren ihre Lage widerwillig, andere geraten in Panik. Diese emotionale Tiefe in der Narration war zu der Zeit in Videospielen selten. Durch das wiederholte Erkunden derselben 72 Stunden lernt man nicht nur die Bewohner Terminas kennen, sondern versteht auch ihre Ängste und Hoffnungen. Es entsteht ein dichtes Netz narrativer Fäden, die wie Zahnräder ineinandergreifen und den Spielern die Welt voll Lebendigkeit und Tragik zeigen. Das Maskensystem von Majora’s Mask ergänzt diese dichte Atmosphäre erheblich.
Link erhält eine Vielzahl von Masken, die ihm neue Fähigkeiten verleihen und verschiedene Charakterverhalten aktivieren. Manche Masken ermöglichen es, mit Wesen zu kommunizieren, die sonst unzugänglich wären, während andere das Aussehen verändern und so vollkommen neue Reaktionen hervorrufen. Das Maskenspiel funktioniert dabei sowohl als Gameplay-Element als auch als Metapher für die unterschiedlichen Identitäten und Rollen, die in Termina eingenommen werden – ein Vorbote für spätere Spiele, die Identität und Empathie thematisieren. Majora’s Mask ist damit nicht nur ein Spiel, sondern auch eine Untersuchung von Zeit, Identität und Schicksal in einem multiversalen Kontext. Die Welt Terminas steht als Spiegel zu Hyrule aus Ocarina of Time und nimmt bekannte Motive auf, um sie auf neue und teils verstörende Weise neu zu interpretieren.
Das führt dazu, dass Spieler mit vertrauten Elementen konfrontiert werden, die vertraut erscheinen und doch fremd sind – ein ständiges Spiel mit Erwartungen und Wahrnehmung. Diese komplexe Erzählweise in Kombination mit dem erzählerischen Einsatz der Zeitmechanik macht Majora’s Mask auch heute noch zu einem Meilenstein. Im Zeitalter von unzähligen Multiversum-Geschichten in verschiedenen Medien hebt sich Majora’s Mask durch seine einprägsame und zugleich düstere Atmosphäre ab. Es zeigt, wie das Multiversum-Konzept bereits vor zwei Jahrzehnten eingesetzt wurde, um Geschichten tiefgründiger und emotional herausfordernder zu gestalten. Für Nintendo bedeutete Majora’s Mask außerdem einen mutigen Schritt weg vom bewährten Erfolgsrezept.
Statt eines sicheren Nachfolgers lieferte man ein Spiel, das polarisiert und intensive Gefühle auslöst. Die düstere Stimmung und der ständige Zeitdruck weichen enorm von den bisherigen Abenteuern Links ab, weshalb es auch nicht für jeden Spieler sofort zugänglich war. Doch gerade diese Andersartigkeit machte es unvergesslich und zeitlos. Auch technisch setzte Majora’s Mask Maßstäbe: Die Freischaltung komplexer Zeitschleifen, die Veränderung von Spielwelten innerhalb kürzester Zeit und das Einbringen von Alltagsszenarien mit tief emotionalen Geschichten waren damals revolutionär. Die Mischung aus Alltag und Apokalypse, vertrauten Figuren in fremder Rolle, und einem aktiven Eingreifen in einen begrenzten Zeitrahmen schuf ein Spielerlebnis, das bis heute seinesgleichen sucht.
Die Resonanz der Fangemeinde und der Fachwelt zeigt, dass Majora’s Mask sich als Kultklassiker etabliert hat, dessen Einfluss weit über die Zelda-Reihe hinausgeht. Viele spätere Spiele übernahmen Elemente wie sich wiederholende Zeitschleifen, Masken und Identitätswechsel oder den Einsatz von Multiversum-Erzählungen als feste Bestandteile ihres Gameplays oder Storytellings. Speziell Indie-Titel und narrative Abenteuer orientieren sich gerne an Majora’s Mask wegen seiner emotionalen Balance zwischen Vertrautheit und Geheimnis. Heute, 25 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung, bietet Majora’s Mask sowohl Nostalgikern als auch neuen Spielern eine wertvolle Erfahrung. Die Neuauflage und verschiedene Compilation-Versionen erlauben es, das Spiel in moderner Aufmachung zu erleben und die vielschichtige Welt von Termina erneut zu entdecken.
Dabei bleibt das Spiel ein Paradebeispiel dafür, wie Videospiele als Medium komplexe Themen wie Tod, Verlust und Hoffnung in einem interaktiven Rahmen vermitteln können. Abschließend steht Majora’s Mask für Nintendos Innovationsgeist und den Mut, bekannte Formeln zu brechen und neue Wege zu gehen. Seine Nutzung von Multiversum-Elementen, Zeitmanipulation als Gameplay und erzählerischem Mittel sowie die düstere Atmosphäre haben das Medium Videospiel nachhaltig geprägt. Es bleibt ein Beweis dafür, wie tiefgreifend und emotional ein Videospiel sein kann – weit über die Unterhaltung hinaus. Im Zeichen des 25.
Jubiläums erinnert Majora’s Mask daran, dass in der Vielfalt von Welten und Zeiten die spannendsten Geschichten entstehen.