Der Ruhestand galt einst als wohlverdiente Ruhephase nach Jahrzehnten harter Arbeit. Für die Generation X, die heute zwischen 40 und 60 Jahre alt ist, zeigt sich jedoch zunehmend eine andere Realität. Viele dieser ehemaligen Berufstätigen blicken mit großer Sorge auf ihre Ersparnisse zurück und stellen fest, dass ihr finanzielles Polster oft nicht ausreicht, um den gewohnten Lebensstandard oder gar ein erfülltes Leben im Alter zu sichern. Diese Unsicherheit hat dazu geführt, dass immer mehr Rentner der Generation X – ähnlich wie die jüngeren Jahrgänge der Generation Z – Nebenjobs annehmen, um ihre Einnahmen aufzubessern und zugleich mental sowie sozial aktiv zu bleiben. Dieses Phänomen spiegelt nicht nur eine finanzielle Notlage wider, sondern auch einen kulturellen Wandel in der Betrachtung des Ruhestands.
Die finanzielle Lage vieler Ruheständler ist angespannt. Inflationsraten, volatile Märkte und Unsicherheiten im Sozialversicherungssystem erzeugen eine Belastung, die selbst sorgfältig geplante Rentenvorsorge erschüttern kann. Eine aktuelle Umfrage von der Investmentbank D.A. Davidson zeigt, dass über 40 Prozent aller amerikanischen Rentner zumindest das Gefühl haben, ihre Ersparnisse könnten nicht zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten ausreichen.
Dieses Bild ist sicherlich auch auf viele europäische Länder übertragbar, in denen ähnliche wirtschaftliche Herausforderungen bestehen. Für die Generation X, die häufig zwischen gesicherten sozialen Systemen und einer zunehmend individualisierten Vorsorgewelt navigieren muss, führt das zu existenziellen Fragen: Haben sie genug gespart? Und wie sieht die Zukunft aus, wenn die private Rente nicht ausreicht? Die Antworten auf diese Fragen lauten für viele Betroffene: Nebenjob oder Zweitkarriere im Ruhestand. Die Bereitschaft, nach dem offiziellen Ausscheiden aus dem Berufsleben weiterhin zu arbeiten, nimmt deutlich zu. Dabei geht es nicht allein um finanzielle Zwänge. Neben dem monetären Aspekt spielt die soziale und geistige Aktivität eine zentrale Rolle.
Rentner berichten häufig, dass der Nebenjob Struktur in den Alltag bringt, soziale Kontakte stärkt und das Gefühl der Selbstwirksamkeit fördert. Diese Bewegung hin zu einer aktiveren und sozial eingebundenen Rentnergeneration ist ein wichtiger Schritt weg vom traditionellen Bild des passiven Ruhestands hin zu einer Gestaltung des Alters als Lebensphase mit neuen Möglichkeiten und Herausforderungen. Die Arten der Nebenjobs, die Rentner ausüben, sind vielfältig. Von Lehrtätigkeiten als Ersatz- oder Nachhilfelehrer, über die Tätigkeit als Immobilienmakler bis hin zu Fahrdiensten für On-Demand-Plattformen wie Uber – die Bandbreite ist groß. Dieses Spektrum zeigt, dass die „Nebenjobs“ nicht selten gut mit den bisherigen Kenntnissen und Interessen der Rentner harmonieren und so eine sinnstiftende und zugleich lukrative Beschäftigung ermöglichen.
Besonders die Flexibilität dieser Jobs ist für viele wichtig, da sie sich an den gewohnten Lebensrhythmus und gesundheitliche Bedürfnisse anpassen lassen. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Entscheidung für Nebenjobs ist die steigende Lebenserwartung. Die Menschen sind heute gesünder und leben länger als früher, was einen längeren Ruhestand mit sich bringt. Gleichzeitig steigen aber auch die Kosten, die im Alter anfallen – sei es für medizinische Versorgung, Hobbys oder soziale Aktivitäten. So bleibt trotz Ersparnissen oft eine Lücke, die durch zusätzliche Arbeit geschlossen wird.
Finanzberater wie Patrick Doherty betonen, dass viele ihrer Klienten entdecken, dass sie auch im Ruhestand aktiv bleiben möchten und sich die Einnahmen aus Nebenjobs zur Erfüllung ihrer Wünsche zunutze machen. Dieses veränderte Verständnis von Ruhestand führt dazu, dass die Generation X verschiedene Ansprüche an ihr Alter entwickelt. Weg von der Idee des kompletten Arbeitsendes hin zur Vorstellung eines flexiblen, gestalten und zugleich erfüllenden Lebensabschnitts. Die Rolle eines Nebenjobs in diesem Zusammenhang ist nicht nur finanzielle Sicherheit. Er dient auch der mentalen Fitness und verhindert Einsamkeit, ein Thema, das gerade bei älteren Menschen zunehmend in den Fokus rückt.
Viele Rentner berichten, dass der soziale Kontakt mit Kollegen, Kunden oder Schülern ihnen neue Energie gibt und das Gefühl, gebraucht zu werden, stärkt. Die Bereitschaft, sich noch einmal beruflich zu engagieren, mindert auch Ängste vor dem Verlust der eigenen Bedeutung oder Identität. Für viele ist der Job ein Symbol ihrer Leistungsfähigkeit und ein Mittel, aktiv Teil der Gesellschaft zu bleiben. Das ist ein bedeutender Faktor für die psychische Gesundheit im Alter. Somit werden Nebenjobs in der heutigen Zeit zunehmend als Bereicherung und nicht als Last erlebt.
Eine weitere Parallele zur Generation Z ist sichtbar: Das Bedürfnis nach flexiblen Arbeitsmodellen und die Suche nach sinnstiftenden Tätigkeiten. Während die Generation Z oft aus dem Wunsch heraus Nebenjobs annimmt, um erste finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen, suchen Rentner dieser Tage ebenfalls nach Beschäftigungen, die mehr als nur Geld bringen. Dabei lässt die Pandemie Erkenntnisse erkennen, die Arbeit im Ruhestand auch digital und ortsunabhängig anbieten kann. Die technische Affinität der Generation X ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, was neue Möglichkeiten eröffnet, etwa durch Online-Unterricht, Beratung oder kreative Tätigkeiten im Homeoffice. Diese Entwicklung stellt auch die Finanzplanung vor neue Herausforderungen.
War früher eine klare Trennung zwischen Berufsleben und Ruhestand üblich, verschwimmen diese Grenzen zunehmend. Finanzplaner raten dazu, schon frühzeitig Nebenjobs als Teil der Ruhestandsstrategie zu betrachten. So kann die finanzielle Lücke, die durch unerwartete Ereignisse oder schlechte Börsenphasen entsteht, besser überbrückt werden. Doch unabhängig davon ist es essenziell, mental und körperlich fit zu bleiben, um langfristig neben dem Ruhestand auch einer zweiten oder dritten Beschäftigung nachgehen zu können. Die Frage, ob Nebenjobs im Alter mehr Anzeichen einer Notlage oder einer bewussten Entscheidung sind, ist sicher nicht pauschal zu beantworten.
Für viele ist es ein Mittel der finanziellen Absicherung angesichts von Unsicherheiten. Für andere wiederum eine Chance, den Lebensabend aktiv zu genießen. Das Bild des Rentners als komplettem Freizeitmenschen wandelt sich und öffnet neue Möglichkeiten einer Gesellschaft, die sich auf den demografischen Wandel einstellt und gleichzeitig neue Lebensmodelle akzeptiert. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Generation X mit Blick auf den Ruhestand eine kritische Phase durchlebt. Die finanziellen Rücklagen erweisen sich in vielen Fällen als unzureichend, und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erschweren eine entspannte Absicherung.
Doch genau hier setzt eine kreative und flexible Antwort an: Das Aufnehmen von Nebenjobs. Mit dieser Strategie übernehmen die Betroffenen eine aktive Rolle in der Gestaltung ihres Lebensabends. Sie orientieren sich dabei an den jüngeren Generationen und beweisen, dass Alter kein Hindernis für neuen Tatendrang, soziale Teilhabe und finanzielle Stabilität sein muss. Die Verschiebung des Rentenbildes hin zu vielseitigen Lebensentwürfen wird auch in den kommenden Jahren spannend bleiben und erhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaft und Wirtschaft haben.