Im Mai 2025 sorgte ein umfangreicher Leak von fast 50.000 E-Mails aus der russischen Stiftung »Pravfond« weltweit für Aufsehen. Die Stiftung, offiziell als »Stiftung zur Unterstützung und zum Schutz der Rechte von im Ausland lebenden Landsleuten« bekannt, hatte sich seit ihrer Gründung im Jahr 2012 den Schutz von Russen im Ausland auf die Fahne geschrieben. Doch die internen Dokumente zeigen ein anderes Bild: Pravfond fungiert als Instrument des russischen Staates zur Förderung geopolitischer Ziele, indem es Spione verteidigt, Propagandaprojekte finanziert und Einflussnetzwerke aufbaut – stets unter dem Deckmantel humanitärer und rechtlicher Hilfe.Die russische Stiftung operierte über ein Jahrzehnt und vergab dabei mehr als tausend Förderungen in Millionenhöhe auf der ganzen Welt.
Der Großteil der finanziellen Mittel floss an Anwaltskanzleien, Medienprojekte und vermeintliche Unterstützer der russischen Präsenz im Ausland. Besonders aktiv zeigte sich Pravfond in den baltischen Staaten, in der Ukraine sowie in verschiedenen ehemaligen Sowjetrepubliken, Schlüsselregionen, die für die russische Außenpolitik hohe Priorität besitzen. Trotz EU-Sanktionen gegen die Stiftung im Jahr 2023 wurden Gelder weiterhin in europäische Länder transferiert, was mögliche Verstöße gegen Sanktionen nahelegt.Die geleakten E-Mails enthüllen, wie Pravfond direkt mit russischen Geheimdiensten zusammenarbeitete. So finanzierte die Organisation die Verteidigung von Personen, die wegen Unterstützung der russischen Militärinteressen oder Spionagevorwürfen inhaftiert waren.
Beispielhaft ist Alexander Franchetti, ein paramilitärischer Anführer in der Krim nach der russischen Annexion 2014, der durch Pravfond juristische Unterstützung erhielt, als er in Prag festgenommen wurde. Ebenso wurde der in Lettland verurteilte Spion Sergejs Sidorovs von der Stiftung finanziell unterstützt, um seine Verteidigung zu sichern.Neben der rechtlichen Unterstützung von Einzelpersonen zeichnen die Dokumente ein Bild von gezielter Informationsarbeit. Pravfond finanzierte pro-russische Medien, produzierte Geschichtsbücher mit revisionistischen Darstellungen über die Sowjetzeit und organisierte kulturelle Veranstaltungen zur Propaganda-Verbreitung. Speziell in den baltischen Staaten wurden Telegram-Kanäle und lokale Nachrichtenportale subventioniert, um eine loyale Haltung gegenüber Russland in der Bevölkerung zu fördern.
Das Ausmaß der Verstrickung zwischen Pravfond und russischen Geheimdiensten wurde durch Aussagen von europäischen Sicherheitsvertretern bestätigt. Vertreter aus Estland und Lettland sehen in der Stiftung eine Verlängerung der russischen Nachrichtendienste, die unter dem Deckmantel rechtlicher Hilfsangebote die Kontrolle und Lenkung der russischsprachigen Diaspora ermöglichen. Die Führung der Stiftung selbst hat auf Anfragen zu den Vorwürfen nicht reagiert.Eine besonders brisante Verbindung bestand zu ehemaligen KGB- und FSB-Offizieren, die im Zusammenhang mit der Aufarbeitung sowjetischer Repressionen in Litauen aktiv wurden. Pravfond unterstützte sowohl die juristische Verteidigung ehemaliger sowjetischer Elitesoldaten als auch Kampagnen, die die Ermittlungen gegen diese Personen diskreditierten.
Auf diese Weise wurde nicht nur juristischer Beistand geleistet, sondern auch eine gezielte Einflussnahme betrieben, um das Narrativ Moskaus zu stützen und die eigene Darstellung der Geschichte durchzusetzen.Darüber hinaus finanziert die Stiftung Netzwerke von »Legal Support Centers«, die in verschiedenen Ländern Dienste für russische Migranten anbieten, von Übersetzungen bis zu Rechtsberatung. Doch auch hier verbergen sich teils politische und ideologische Agenden. Einige dieser Zentren arbeiten eng mit pro-russischen Organisationen zusammen, koordinieren Medieninhalte nach Kreml-Vorgaben und veranstalten kulturelle Events mit ideologischer Ausrichtung. Solche Einrichtungen bilden eine wichtige Grundlage für die Verbreitung russischer Interessen im Ausland.
Ein weiterer bemerkenswerter Fall betrifft Simeon Boikov, einen provokativen pro-russischen Aktivisten in Australien, der nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung Zuflucht in der russischen Konsulatlounge suchte. Pravfond unterstützte ihn finanziell und politisch, verhandelte mit russischen Diplomaten und erreichte sogar, dass ihm die russische Staatsbürgerschaft verliehen wurde. Er betreibt weiterhin mediale Aktivitäten mit großer Reichweite und ist ein Beispiel für die vielfältigen Einflusskanäle der Stiftung.Die geleakten Dokumente beweisen eindrücklich, wie ein vermeintlicher Schutzfonds für Landsleute in Wahrheit ein vielschichtiges Werkzeug zur geopolitischen Einflussnahme ist. Pravfond nutzt rechtliche Hilfe als Türöffner, um Vertrauen in liberalen Gesellschaften zu gewinnen, um dann gezielt Informationen und politische Strategien zu steuern.
Dabei ist das Vorgehen geschickt, da es sich rechtlich und humanitär präsentiert, gleichzeitig aber verdecke Operationen des russischen Staates unterstützt.Die Enthüllungen werfen grundsätzliche Fragen zur Wirksamkeit von Sanktionen und Überwachung auf. Sie zeigen, wie Staaten hybride Instrumente einsetzen, um Einfluss zu nehmen, ohne offen in Erscheinung zu treten. Gleichzeitig sind sie ein Weckruf für westliche Sicherheitseinrichtungen und Gesellschaften, sich stärker mit den verborgenen Formen der Einflussnahme auseinanderzusetzen und Schutzmechanismen weiter zu entwickeln.Die komplexen globalen Aktivitäten von Pravfond zeigen, dass russische Strategien nicht allein auf militärische Aktionen oder offene Propaganda setzen, sondern auf subtile Netzwerke, in denen rechtliche Unterstützung, Diasporapolitik, kulturelle Arbeit und Geheimdienste ineinander greifen.
Wer die von den geleakten E-Mails offengelegten Verbindungen und Operationen versteht, gewinnt ein wichtiges Puzzlestück im Verständnis russischer Außenpolitik und Geheimdiensttaktiken in der Gegenwart.Abschließend lässt sich sagen, dass Pravfond mehr als nur eine Stiftung für »Landsleute im Ausland« ist. Sie ist eine scharfsinnige Machtprojektion, die ihre Wurzeln im russischen Staatsapparat hat und systematisch daran arbeitet, das internationale Umfeld im Sinne der russischen Interessen zu gestalten und zu beeinflussen. Die Veröffentlichung der E-Mails durch investigative Journalistennetzwerke wie OCCRP und Partner bietet einen seltenen und wichtigen Einblick in diese Schattenwelt der globalen Einflussnahme.