Die Diskussion um die Kosten für Arzneimittel in den Vereinigten Staaten ist seit Jahren ein zentrales Thema in der politischen und öffentlichen Debatte. Immer wieder stehen die USA wegen ihrer im internationalen Vergleich sehr hohen Medikamentenpreise in der Kritik. In diesem Kontext hat der ehemalige US-Präsident Donald Trump im Mai 2025 einen weitreichenden Erlass unterzeichnet, der die Einführung eines Systems vorsieht, das unter dem Namen Most Favored Nation (MFN) bekannt ist und faktisch als Internationale Referenzpreisgestaltung (International Reference Pricing, IRP) bezeichnet werden kann. Ziel dieses Erlasses ist es, die Arzneimittelpreise in den USA an den niedrigsten Preisen vergleichbarer Medikamente in anderen Ländern zu orientieren und dadurch eine erhebliche Preissenkung herbeizuführen. \n\nDas Prinzip der Internationalen Referenzpreisgestaltung basiert darauf, dass die Preise für ein bestimmtes Medikament in mehreren Ländern, die als Referenzländer ausgewählt werden, erfasst und analysiert werden.
Anhand dieser Daten bestimmt der Gesetzgeber oder die zuständige Behörde den maximal zulässigen Preis für das Medikament im eigenen Land. Das System wird bereits von über 75 Ländern weltweit erfolgreich genutzt und gilt als eines der wirksamsten Werkzeuge zur Regulierung und Begrenzung von Arzneimittelpreisen. Bei der Umsetzung eines solchen Systems sind jedoch zahlreiche komplexe Faktoren zu berücksichtigen, etwa die Auswahl der Referenzländer, die Art der Produkte, die unter das System fallen sollen, sowie die genaue Methodik zur Preisberechnung. \n\nDer von Trump initiierte Erlass zeigt die Absicht, die Preise der USA mit den niedrigsten Preisen anderer Industrienationen oder ausgewählter Staaten zu vereinheitlichen. Laut dem Text des Executive Order soll das US-Gesundheitsministerium innerhalb kürzester Zeit pharmazeutische Hersteller darüber informieren, welche Preise als akzeptabel gelten.
Sollten diese Unternehmen nicht freiwillig kooperieren und die Preise senken, sieht der Erlass die Einführung verbindlicher Regeln vor, um die Umsetzung der MFN-Preise zu erzwingen. Zudem werden bei Nichtbeachtung weitreichende Maßnahmen gegen Pharmafirmen angedroht, darunter behördliche Ermittlungen im Bereich wettbewerbswidriger Praktiken, die Überprüfung von Exportlizenzen und sogar das mögliche Entziehen von Zulassungen für Medikamente, die als „unangemessen vermarktet“ eingestuft werden. \n\nObgleich das Vorhaben auf den ersten Blick ehrgeizig und erfolgversprechend erscheint, ist es kritisch zu bewerten, wie praktikabel die Einführung eines IRP-Systems in den Vereinigten Staaten tatsächlich sein wird. Die bisher kommunizierten Details zum Erlass zeigen vor allem, dass seitens der US-Regierung eine starke Abschreckungsstrategie gewählt wurde, während fundamentale Aspekte der Ausgestaltung des IRP-Systems nur unzureichend näher erläutert wurden. Die Herausforderung liegt unter anderem darin, dass eine reine Orientierung am niedrigsten Preis im Ausland nicht zwangsläufig die Komplexität der Märkte abbildet und somit unter Umständen zu unbeabsichtigten Konsequenzen führen könnte.
\n\nDie Zusammensetzung des Referenzwarenkorbs, also die Auswahl der Länder, deren Preise Maßstab sein sollen, ist einer der Kernpunkte eines funktionierenden IRP-Systems. Es ist nicht klar, welche Staaten Trump genau ins Auge gefasst hat, doch wahrscheinlich sind dabei Länder mit ähnlich entwickelten Gesundheitssystemen und regulatorischen Rahmenbedingungen gemeint, um die Vergleichbarkeit sicherzustellen. Hinzu kommt die Frage, ob bei der Erhebung der Preise bestimmte Anpassungen vorgenommen werden, etwa um Kaufkraftunterschiede zwischen Ländern zu berücksichtigen oder Preisnachlässe, die in anderen Märkten zum Einsatz kommen, einkalkuliert werden sollen. Ohne eine solche Anpassung könnten verzerrte Preisniveaus entstehen. \n\nDarüber hinaus ist zu bedenken, welche Arzneimittelkategorien in das Programm fallen.
Werden nur patentgeschützte Medikamente berücksichtigt, oder werden auch Generika und Biosimilars einbezogen? Ebensowenig ist klar, ob sich die Preisregelungen ausschließlich auf rezeptpflichtige Medikamente erstrecken oder auch nicht rezeptpflichtige Präparate und hospitalverabreichte Arzneimittel umfassen. Die Häufigkeit der Preisüberprüfung spielt ebenfalls eine Rolle: Sollen Preise nur bei der Markteinführung eines Medikaments bestimmt werden, oder soll es regelmäßige Preisanpassungen im Zeitverlauf geben? In anderen Ländern wird häufig ein dynamisches Modell angewandt, damit die Preisgestaltung auf Veränderungen im Markt und Wettbewerb reagieren kann. \n\nDie von Trump angedrohten Sanktionen gegen Pharmaunternehmen, die nicht kooperieren, könnten zwar die Unternehmen zwingen, ihre Preispolitik zu überdenken, bergen jedoch auch die Gefahr von Handelskonflikten und rechtlichen Auseinandersetzungen. Die Prüfung von Exportlizenzen und das Rücknehmen von Vermarktungserlaubnissen sind ungewöhnliche Maßnahmen, die starke Reaktionen seitens der Industrie auslösen dürften. Solche Konfrontationen könnten die Verfügbarkeit bestimmter Medikamente in den USA gefährden oder Investitionen im Pharmasektor hemmen, was letztlich negative Folgen für Patienten haben könnte.
\n\nSowohl Experten als auch Marktbeobachter warnen zudem davor, dass die USA mit der Einführung eines IRP-Systems stärker als andere Länder den Druck auf die Pharmaindustrie erhöhen und sich daher intensivere strategische Reaktionen einstellen müssten. Beispielsweise könnten Hersteller versuchen, Exportmärkte mit niedrigen Preisen durch Lizenzbeschränkungen oder Vertriebsrestriktionen zu schützen oder den Markteintritt in den USA verzögern. Gleichzeitig könnte ein System, das vorrangig auf dem niedrigsten international verfügbaren Preis basiert, die Innovation im Pharmabereich beeinträchtigen, wenn Unternehmen den US-Markt als weniger lukrativ betrachten. \n\nDie Debatte um die Arzneimittelpreisgestaltung in den USA ist dabei Teil eines größeren Trends, der sich weltweit abzeichnet: Die Suche nach Lösungen, die einerseits faire und bezahlbare Medikamentenpreise ermöglichen und andererseits die Innovationskraft der pharmazeutischen Industrie erhalten. Internationale Referenzpreise gelten vielfach als Weg, transparente und nachvollziehbare Preisvorgaben zu schaffen.
Ob dieses Modell in einem so komplexen Markt wie dem der USA funktionieren kann, wird maßgeblich davon abhängen, wie detailliert und durchdacht die Umsetzung gestaltet wird. \n\nDie wachsende öffentliche und politische Aufmerksamkeit für die Pharmapreise in den USA unterstreicht, wie dringend eine Reform benötigt wird. Trumps neuer Erlass markiert dabei einen wichtigen Schritt in Richtung Internationalisierung der Preisgestaltung, weist aber zugleich auf zahlreiche ungelöste Herausforderungen hin. Die kommenden Monate werden zeigen, wie die Pharmaindustrie, politische Entscheidungsträger und Regulierungsbehörden mit den offenen Fragen umgehen und ob sich das MFN-System tatsächlich als effektives Instrument zur Preisregulierung etablieren kann. \n\nInsgesamt stellt die Wiedereinführung eines IRP-basierten Systems in den USA eine potenziell revolutionäre Entwicklung dar, die das bestehende Preisgefüge aufbrechen könnte.
Für Patienten könnte dies günstigere Medikamente bedeuten, während Hersteller und Marktteilnehmer sich auf neue Rahmenbedingungen einstellen müssen. Im Fokus steht die Balance zwischen Kostensenkung, Versorgungssicherheit und Innovationsanreizen – eine Herausforderung, die nicht nur die USA, sondern die gesamte globale Gesundheitswirtschaft beschäftigt.