Korallenriffe gehören zu den wertvollsten und artenreichsten Ökosystemen der Erde. Sie sind nicht nur atemberaubend schön, sondern auch überlebenswichtig für zahlreiche Meeresbewohner und für Millionen von Menschen, die von ihnen abhängen. Doch die weltweiten Korallenriffe werden derzeit durch das schlimmste Bleaching-Ereignis in der Geschichte der Aufzeichnungen schwer getroffen. Laut der Internationalen Korallenriff-Initiative (ICRI) sind inzwischen 84 Prozent der Korallenriffe der Welt bleichebedingt geschädigt – ein dramatischer Anstieg, der den Zustand der Korallenriffe auf ein bisher unbekanntes Level der Gefährdung hebt. Diese Entwicklung ist eine unmittelbare Konsequenz der Erderwärmung und der Erwärmung der Meere, die in den letzten Jahren Rekordwerte erreicht haben.
Die Ozeane speichern rund 90 Prozent der zusätzlichen Wärme, die durch den Klimawandel entsteht, und diese Erhöhung der Wassertemperatur setzt die Korallen unter enormen Stress. Korallen sind in einer engen Symbiose mit winzigen Algen, sogenannten Zooxanthellen, die in ihrem Gewebe leben. Diese Algen sind nicht nur die Nahrungsquelle der Korallen, sondern sorgen auch für ihre strahlenden Farben. Steigt die Wassertemperatur über einen bestimmten Schwellenwert, produzieren die Algen giftige Stoffe, woraufhin die Korallen sie ausstoßen. Dies führt zu ihrem charakteristischen „Ausbleichen“, bei dem die Korallen weiß erscheinen und stark geschwächt sind.
Ohne ihre Algen sterben die Korallen entweder ab oder werden anfällig für Krankheiten. Die aktuellen Beobachtungen zeigen, dass es sich bei der aktuellen Bleiche um das vierte globale Ereignis dieser Art seit 1998 handelt. Schon die vorherigen Ereignisse, insbesondere die von 2014 bis 2017, hatten zwei Drittel der Korallen betroffen, was die Tragweite der jetzigen Bleiche unterstreicht. Seit 2023 ist der massive Korallenverlust in vollem Gange, und es ist ungewiss, wann sich die Situation erholen wird. Die enormen Auswirkungen auf die Korallenriffe betreffen nicht nur die Meeresbiologie, sondern auch ganze Volkswirtschaften und die Küstengemeinden, die unmittelbare Vorteile aus den Riffen ziehen.
Korallenriffe schützen Küsten vor Erosion und Stürmen, bieten Lebensraum für etwa ein Viertel aller bekannten Meeresarten und sind die Basis für Fischerei und Tourismus, die weltweit Milliarden von Dollar erwirtschaften. Der Verlust dieser Ökosysteme hätte daher verheerende Folgen für die globale Ernährungssicherheit und die Lebensgrundlage vieler Menschen. Ein weiterer besorgniserregender Effekt der Korallenbleiche ist die immer häufigere Überschreitung des Schwellenwerts für die Korallensterblichkeit. Die NOAA musste sogar ihre Warnskala erweitern, um die steigende Gefährdung der Korallen besser abbilden zu können. Wissenschaftler weltweit warnen davor, dass wir uns in eine neue Ära begeben, in der der Begriff einer nur gelegentlichen Bleiche obsolet wird, denn die Wassertemperaturen könnten dauerhaft auf einem Niveau verbleiben, das Korallen in ihrer Entwicklung und Regeneration stark beeinträchtigt.
Neben den steigenden Temperaturen wirkt sich auch die Versauerung der Meere negativ auf die Korallen aus. Das durch die Aufnahme von CO2 entstehende Kohlensäure im Meerwasser erschwert es den Korallen, ihre Kalkskelette aufzubauen – ein essentieller Prozess für ihr Überleben und Wachstum. Inmitten dieser düsteren Situation gibt es dennoch Hoffnung durch innovative Maßnahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung von Korallenriffen. Forschungszentren und Naturschutzorganisationen weltweit entwickeln Strategien wie das Züchten von Korallen in kontrollierten Umgebungen – spielerisch als „Korallenzuchten“ bezeichnet –, die später in die Natur zurückverpflanzt werden können. Besonders Projekte in den Seychellen oder vor der Küste Floridas zeigen erste Erfolge bei der Rettung von bereits geschädigten Korallen.
Diese sogenannten „Korallenbanken“ können helfen, genetisch robuste Korallenarten zu erhalten und widerstandsfähigere Populationen aufzubauen. Nichtsdestotrotz können diese lokalen Maßnahmen nur einen begrenzten Beitrag leisten, solange die globalen Ursachen der Erwärmung nicht angegangen werden. Wissenschaftler und Umweltexperten sind sich einig, dass eine radikale Reduktion der Treibhausgasemissionen – insbesondere von CO2 und Methan – unerlässlich ist. Das bedeutet einen grundlegenden Wandel in der globalen Energiepolitik, der Hinwendung zu erneuerbaren Energiequellen und eine entschlossene Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels. Experten warnen davor, dass jegliches Zögern oder „Business as usual“-Verhalten ein Todesurteil für die Korallenriffe sein wird.
Politische Entscheidungen, die den Ausbau fossiler Brennstoffe fördern und Klimaschutzprogramme abbauen, vergrößern die Gefahr des Zusammenbruchs dieser Ökosysteme dramatisch. So kritisieren Wissenschaftler die derzeitige politische Lage in einigen Ländern, in denen aggressive Strategien zur Förderung von Öl, Gas und Kohle umgesetzt werden – trotz der offensichtlichen Risiken für Umwelt und Biodiversität. Die globale Gemeinschaft steht an einem Scheideweg: Einerseits ermöglichen neue Technologien und internationale Klimaabkommen, den Klimawandel zu verlangsamen, andererseits drohen politische Interessen und wirtschaftliche Zwänge, die dringend notwendige Energiewende zu blockieren. Das Schicksal der Korallenriffe ist dabei ein bedeutsames Indiz für den Zustand unserer Ozeane und letztlich des gesamten Planeten. Es ist unerlässlich, dass sowohl Regierungen als auch Bürger weltweit ein klares Bewusstsein für die Dringlichkeit der Lage entwickeln und entsprechend handeln.
Nur durch eine Kombination aus globalem Klimaschutz, lokalen Schutzmaßnahmen und wissenschaftlicher Innovation können wir die Korallenriffe bewahren. Die Zeit drängt, denn mit jedem Jahr, in dem die Erderwärmung weiter fortschreitet, verringert sich die Chance, die wertvollen Korallenriffe zu retten. Ihre Zerstörung hätte nicht nur weitreichende ökologische Kollateralschäden, sondern auch erhebliche soziale und wirtschaftliche Folgen für heutige und zukünftige Generationen. Die Korallenriffe sind mehr als nur faszinierende Lebensräume unter Wasser – sie sind ein hochkomplexes und fragiles System, das es verdient, mit aller Kraft geschützt zu werden. Nur so können sie auch künftig ihre wichtige Rolle im Erhalt der biologischen Vielfalt und im Schutz der Küsten erfüllen.
Die aktuellen Rekordwerte der Korallenbleiche sind ein lauter Weckruf, dem wir unbedingt Gehör schenken müssen, um langfristig nachhaltige Lösungen für unseren Planeten zu finden.