Die zunehmende Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in den IT-Bereich ist nicht neu, doch mit dem Aufkommen von Agentic AI, einer neuen Generation von KI-Technologien, tritt das Netzwerkmanagement in eine neue Phase der Automatisierung und Effizienz ein. Agentic AI verspricht nicht nur die Unterstützung bei Routinearbeiten, sondern auch eigenständige Entscheidungsfindungen und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit unter mehreren KI-Agenten, um komplexe Aufgabenstellungen zu bewältigen. Dennoch stellt sich die Frage, ob Agentic AI tatsächlich als Treiber für Fortschritt im Netzwerkmanagement fungiert oder ob es sich hierbei um eine vorübergehende Modeerscheinung und Ablenkung handelt. Um dies zu beurteilen, ist zunächst eine klare Definition dessen erforderlich, was Agentic AI wirklich ausmacht und wie sie sich von bisherigen KI-Ansätzen unterscheidet. Agentic AI zeichnet sich vor allem durch ihre Autonomie aus.
Im Gegensatz zu einfachen Assistenzsystemen kann eine agentische KI eigenständig operieren, sie nimmt Informationen aus verschiedensten Quellen wahr, verarbeitet diese und kann eigene Entscheidungen treffen. Zudem passt sie ihr Verhalten flexibel an veränderte Umstände an und greift dabei auch auf Erinnerungen aus vergangenen Interaktionen zurück. Ein weiteres wesentliches Merkmal ist die Fähigkeit, externe Werkzeuge einzusetzen und mit anderen spezialisierten Agenten zu kommunizieren, um gemeinsam auf ein definiertes Ziel hinzuarbeiten. Diese tiefgreifende Spezialisierung und Koordination vieler KI-Agenten macht Agentic AI zu einer vielversprechenden Technologie für das komplexe Feld des Enterprise-Networking. Trotz der vielversprechenden Perspektiven herrscht aktuell noch viel Verwirrung auf dem Markt.
Viele Anbieter verwenden den Begriff „agentic“ als reines Marketinginstrument, ohne dass ihre Systeme die genannten Kriterien vollständig erfüllen. So lassen sich zwei wesentliche Gruppen erkennen: Auf der einen Seite die „agentic-ready“ Produkte, die noch nicht vollständig autonom sind, aber bereits in einer Agentic-Architektur eingebunden werden können, beispielsweise über offene Schnittstellen oder spezielle Protokolle wie das Model Context Protocol (MCP). Auf der anderen Seite stehen die agentenbasierten Systeme, die zwar mehrere KI-Agenten einsetzen, diesen jedoch häufig die umfassende Fähigkeit zur Zusammenarbeit oder tiefgreifenden Entscheidungsfindung fehlt. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass diese Technologien Schritt für Schritt zu echten Agentic AI-Systemen weiterentwickelt werden. Ein exemplarisches Beispiel für die praktischen Fortschritte in diesem Bereich liefert Juniper Networks mit seiner Mist AI-Plattform.
Diese war eines der ersten großflächig implementierten Systeme, welches KI im Netzwerkmanagement nutzte. Im Zentrum steht hier der Marvis AI Assistant, der mittlerweile durch die „Marvis Minis“ ergänzt wurde, welche die Überwachung der Nutzererfahrung aus der Ferne verbessern sollen. Auch wenn Junipers Plattform viele Agenten verwendet, fehlt es ihr aktuell noch an den kompletten Merkmalen einer voll agentischen KI, weshalb sie als agentenbasiert klassifiziert werden kann. Demgegenüber verfolgt Extreme Networks mit seiner Extreme Platform One einen architektonisch ganz neuen Ansatz. Das System basiert konsequent auf den Agentic AI Prinzipien und ermöglicht es, komplexe Aufgaben in Teilprobleme zu zerlegen, die dann von mehreren spezialisierten Agenten untereinander koordiniert bearbeitet werden.
Zudem sind Zugriffsrechte und Verantwortlichkeiten klar mit menschlichen Bedienern verknüpft, sodass eine enge Zusammenarbeit von Mensch und Maschine entsteht. Extreme Platform One könnte damit eines der ersten vollumfänglichen agentischen Netzwerkmanagementsysteme eines Geräteherstellers sein. Auch LogicMonitor hat sich mit seiner Edwin AI Lösung in Richtung Agentic AI entwickelt. Angefangen als intelligentes Assistenzsystem zur Ereigniskorrelation bietet es mittlerweile mehrere spezialisierte Agenten an, die beispielsweise Loganalysen, Änderungsmanagement und Metriken auswerten und auf externe Systeme wie OpenAI oder ServiceNow zugreifen können. Die Integration dieser Funktionen erfüllt bereits etliche der Anforderungen an eine agentische KI.
Weitere interessante Ansätze zeigen sich bei Kentik, Itential und NetBox Labs. Kentik verfolgt eine agentic-ready Strategie, bei der bestehende Netzwerkanalysen über das Model Context Protocol in breitere Agentic-Architekturen eingebunden werden sollen. Itential hat einen MCP-Server eingeführt, der es erlaubt, große Sprachmodelle und AIOps-Plattformen in seine Netzwerkautomatisierung einzubeziehen. NetBox Labs bietet mit seiner Datenbank als zentrales Abbild der Netzwerkinfrastruktur eine wichtige Grundlage für AI-Funktionen und entwickelt ebenfalls Agent-Projekte und Schnittstellen, um die Daten intelligent zu nutzen. Derzeit befindet sich die Agentic AI für Netzwerke noch in einer dynamischen Entwicklungsphase.
Viele Innovationen und produktive Anwendungen entstehen innerhalb kurzer Zeit. Für IT-Verantwortliche ergibt sich daraus die Notwendigkeit, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen und die Technologie nicht als theoretischen Trend, sondern als praktisches Werkzeug für die Netzwerkverwaltung zu verstehen. Dabei sind drei zentrale Voraussetzungen für den Erfolg von Agentic AI zu beachten: Erstens müssen hochwertige und gut strukturierte Daten als Grundlage für KI-Berechnungen zur Verfügung stehen. Zweitens sind klare Strukturen für das Management der KI-Agenten und deren Befugnisse erforderlich, um Sicherheit und Effizienz zu gewährleisten. Drittens ist eine offene und standardisierte Integration, beispielsweise via MCP, entscheidend, um die Zusammenarbeit unterschiedlicher Systeme und Anbieter zu ermöglichen.
Langfristig verspricht Agentic AI eine deutliche Entlastung für Netzwerkadministratoren und IT-Teams. Wiederkehrende und zeitaufwändige Aufgaben könnten automatisiert werden, komplexe Problemstellungen durch KI-Agenten in Echtzeit analysiert und gelöst werden. So können frühzeitig Störungen vorhergesagt sowie die Performance optimiert und Sicherheit verbessert werden. Dies führt nicht nur zu Kostenersparnissen, sondern auch zu einer höheren Zuverlässigkeit und besseren Nutzererfahrung. Allerdings ist ein kritischer Blick unverzichtbar.
Die Technologie steckt noch in der Entwicklung, und nicht jeder Anbieter hält die Versprechen tatsächlicher Autonomie und Zusammenarbeit ein. Ohne eine fundierte Bewertung der Produkte und deren Fähigkeit zur echten Agentic AI können Investitionen fehlnutzen. Darüber hinaus bleiben ethische Aspekte, die Kontrolle über automatisierte Entscheidungen und die Integration in bestehende Unternehmensprozesse zu klären. Schließlich bleibt Agentic AI ein spannendes Forschungs- und Entwicklungsfeld, das das Potenzial hat, das Netzwerkmanagement grundlegend zu verändern. Für Unternehmen und IT-Professionals ist es wichtig, sich jetzt mit den Möglichkeiten auseinanderzusetzen und den Wandel aktiv mitzugestalten.
Wer dies tut, stärkt seine Position in einem zunehmend vernetzten und digitalen Umfeld und sichert sich Wettbewerbsvorteile für die Zukunft.