Die Sorge, ob das angesparte Vermögen im Ruhestand ausreicht, um den gewünschten Lebensstil zu finanzieren, beschäftigt viele Menschen. Insbesondere wenn es darum geht, ob man mit einer Million Euro Ersparnissen und einer jährlichen Sozialversicherungszahlung von 42.000 Euro tatsächlich 90.000 Euro pro Jahr ausgeben kann, ohne das Risiko einzugehen, das Kapital zu schnell aufzubrauchen. Diese Fragestellung ist sehr individuell, doch es gibt einige wichtige Faktoren und Überlegungen, die bei der Beantwortung helfen können.
Zu Beginn ist es entscheidend zu verstehen, wie sich die 90.000 Euro zusammensetzen. Handelt es sich dabei um Ausgaben vor oder nach Steuern? Dieser Unterschied ist enorm, denn wenn die Ausgaben nach Steuern kalkuliert sind, muss mit den Steuern auf Entnahmen aus den Ersparnissen noch zusätzlich gerechnet werden. Wenn die 90.000 Euro dementsprechend die Bruttoausgaben abdecken sollen, könnte der tatsächliche Bedarf an liquiden Mitteln noch höher sein.
Ein weiterer Punkt betrifft die Struktur des angesparten Vermögens. Liegt das Geld vorwiegend in steuerbegünstigten Vorsorgekonten wie 401(k)s oder IRA-ähnlichen Produkten, fällt beim Entnehmen Einkommenssteuer an. In Deutschland entspricht das beispielsweise der Besteuerung von Auszahlungen aus der betrieblichen Altersvorsorge oder der Rürup-Rente. Im Gegensatz dazu sind Auszahlungen aus bereits versteuerten Konten wie einem Roth-ähnlichen Produkt steuerfrei. Die Steuerplanung spielt somit eine entscheidende Rolle und sollte frühzeitig in die Finanzplanung mit einbezogen werden.
Die Anlage- und Investmentstrategie ist ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Überlegung, ob ein jährlicher Lebensstil von 90.000 Euro dauerhaft möglich ist. Ein zu konservativer Portfolioaufbau, beispielsweise mit überwiegender Anlage in Festgeld oder Staatsanleihen, wirkt stabil, lässt aber das Kapital aufgrund der meist niedrigen Renditen kaum wachsen. Dies kann dazu führen, dass die Ersparnisse bei einem höheren Lebensstandard deutlich schneller aufgebraucht werden. Andererseits birgt eine zu riskante Haltung, etwa eine 100-prozentige Investition in Aktien, die Gefahr großer Schwankungen – insbesondere in den ersten Jahren nach dem Ruhestandsbeginn kann ein großer Verlust das Portfolio so erheblich schwächen, dass eine nachhaltige Entnahme über Jahrzehnte gefährdet ist.
Historisch betrachtet bietet ein ausgeglichener Mix aus Aktien und Anleihen, wie beispielsweise ein 60/40-Portfolio, eine Kombination aus Wachstumspotenzial und Risikominderung, die sich oft für Rentner als sinnvoll erwiesen hat. Die individuelle Risikobereitschaft und Lebensplanung werden maßgeblich beeinflussen, wie sicher man sich bei einem so hohen jährlichen Ausgabenniveau fühlt. Jemand mit einer ausgeprägten Sicherheitsorientierung wird möglicherweise niedrigere jährliche Entnahmen bevorzugen, um das Vermögen nicht zu gefährden. Wer sich hingegen bewusst ist, dass das Risiko von Marktschwankungen besteht und entsprechend diversifiziert investiert, kann eventuell höhere Entnahmen verkraften. Darüber hinaus ist die Lebenserwartung ein kritischer Faktor.
Da viele Menschen heute 20 Jahre und länger nach dem Renteneintritt leben, müssen die Ersparnisse so geplant sein, dass sie auch langfristig den gewünschten Lebensstandard sicherstellen. Ein zu hohes Ausgabenniveau kann das Kapital früher erschöpfen, was zum späteren finanziellen Engpass führt. Bei der Frage nach der Tragfähigkeit des Lebensstils muss auch berücksichtigt werden, welche regelmäßigen und unerwarteten Kosten auftreten können, beispielsweise Gesundheitskosten oder Anpassungen bei der Immobilienunterhaltung. Diese Ausgaben können die Kalkulationen erheblich beeinflussen und sollten im Finanzplan Puffer finden. Der Einfluss der Sozialversicherungszahlungen ist zudem nicht zu unterschätzen.
Die garantierten 42.000 Euro jährlich stellen eine solide Basis dar und reduzieren den Kapitalbedarf entsprechend. Dennoch bleibt eine Lücke von rund 48.000 Euro, die aus Ersparnissen entnommen werden muss. Ein Entnahmebetrag dieser Höhe aus einem Portfolio von einer Million Euro entspricht einer Renditeanforderung von etwa fünf Prozent nur zur Deckung der Ausgaben, ohne Inflation und Steuern zu berücksichtigen.
Inflation ist ein weiterer Risikofaktor, der oft unterschätzt wird. Mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von zwei bis drei Prozent pro Jahr steigt der benötigte Betrag schleichend an, um den gleichen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Ein fester Ausgabebetrag ist über die Jahre betrachtet somit wertgemindert, was eine Anpassung der Entnahmestrategie erfordert. Eine fundierte Altersvorsorgeplanung sollte daher neben den aktuellen Ersparnissen auch Sozialleistungen, Steuern, Lebenshaltungskosten, Inflation und Investmentstrategien detailliert beleuchten. Die Hilfe von Finanzberatern kann hier enorm wertvoll sein, um individuelle Parameter zu berücksichtigen und eine nachhaltige Lösung zu finden.