China steht vor einer der bedeutendsten urbanen Herausforderungen unserer Zeit: Hochdichte Zersiedelung, die oft als Superblocks in Kombination mit Hochhaustürmen und von breiten Hauptverkehrsstraßen umgebenen Arealen erscheint. Diese Form der Stadtentwicklung ist in ihrer Art exemplarisch für das rasante Wachstum der Urbanisierung in einem Schwellenland, das in wenigen Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Städte gebracht hat. Trotz der enormen Bevölkerungsdichte und der scheinbaren Urbanität entpuppt sich dieser Trend als schwerwiegende Bedrohung für die Lebensqualität, die wirtschaftliche Vitalität und die ökologische Nachhaltigkeit. Die Städte Chinas wachsen in einem beispiellosen Tempo. Prognosen zufolge werden bis 2025 etwa 64 Prozent der chinesischen Bevölkerung in städtischen Gebieten leben, ein Anstieg von 48 Prozent im Jahr 2010.
Das entspricht über 350 Millionen Menschen, die in kurzer Zeit in die Städte ziehen werden – etwa die Größenordnung der gesamten US-Bevölkerung heute. Diese Dynamik erzeugt nicht nur neuen wirtschaftlichen Wohlstand, sondern stellt auch die Infrastruktur, die Umwelt sowie die soziale Kohäsion vor enorme Anforderungen. Eines der zentralen Probleme ist das sogenannte Hochdichte Wachstum, das in China in Form von Superblocks realisiert wird. Diese supergroßen Wohnblöcke – oft über 40 Acres oder 16 Hektar groß – beherbergen Tausende von Wohnungen in hoch aufragenden Gebäuden. Trotz der hohen Bevölkerungszahlen entstehen keine lebendigen, gemischtnutzigen Stadtviertel.
Stattdessen dominieren Einfamilien-Wohnblöcke oder reine Wohnviertel, die von gigantischen Schnellstraßen und breiten arterienartigen Verkehrsrouten umgeben sind. Diese Bauweise isoliert nicht nur die Bewohner innerhalb ihrer Siedlungen, sondern fördert auch die Abhängigkeit vom Auto, verlängert Pendelwege und erschwert Fußgängern und Radfahrern die Alltagsmobilität. Die Konsequenzen sind gravierend: Während die Stadtflächen verdichtet sind, fehlen essentielle urbane Qualitäten wie fußläufige Erreichbarkeit von Geschäften, Arbeitsplätzen und Dienstleistungen. Die so geschaffenen isolierten Superblocks wirken eher wie ein Hochhaus-Suburb als wie lebendige Stadtquartiere. Die Straßen drumherum sind breit und oft gefährlich zu überqueren, was zu einem Rückgang des Fuß- und Radverkehrs führt und die Lebensqualität spürbar verschlechtert.
Mit der steigenden Zahl von Autos geraten die Städte in lähmenden Stau und die Luftqualität verschlechtert sich dramatisch, was zu massiven gesundheitlichen Problemen führt. Auch die sozialen Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen. Die hohe Einwohnerzahl in Superblocks, die oft über 5000 Menschen beherbergen, führt zu einer anonymen und entfremdeten Atmosphäre. Im Gegensatz dazu konnten in traditionellen chinesischen Nachbarschaften mit kleineren Blockgrößen soziale Bindungen leichter aufgebaut und gepflegt werden. Soziale Isolation, ein Mangel an Begegnungsräumen und die fehlende Durchmischung von Nutzungen schaden dem sozialen Gefüge nachhaltig.
China investiert zwar massiv in den Ausbau von Straßen und Schnellstraßen: Über 30.000 Kilometer neuer Autobahnen wurden in den letzten Jahren gebaut, darunter 12 nationale Autobahnen deutlich vor dem Zeitplan. Städte wie Shanghai wuchsen auf der Fläche von mehreren Manhattan-Inseln an neu angelegten Straßen. Doch der rasante Ausbau hat paradoxerweise zu chronischem Verkehrsinfarkt geführt. Der Autoverkehr wächst sechsfach, während die Zahl der Fahrradfahrer in Städten wie Peking von 60 auf 17 Prozent der Wege zurückging.
Die Folge sind kilometerlange Staus, massive Luftverschmutzung und eine dramatische Zunahme von Verkehrsunfällen mit einer hohen Zahl von Todesfällen und Verletzten. Der Umgang mit dieser Situation ist entscheidend: Wie vermeidet man, dass chinesische Städte in einem Dilemma gefangen sind, in dem der Ausbau für den Individualverkehr die Lebensqualität zerstört, aber gleichzeitig Alternativen fehlen? Viele Experten plädieren für ein Umdenken in der Stadtplanung. Der Fokus sollte zukünftig auf kompakter, gemischter und fußgängerfreundlicher Stadtentwicklung liegen. Die jüngsten Richtlinien der chinesischen Zentralregierung setzen auf Gesundheitskonzepte wie Transitorientierte Entwicklung (TOD), die kleine, gemischte Stadtblöcke mit hoher Durchmischung von Wohn- und Arbeitsräumen favorisieren. Die Einführung von Straßen mit höherer Schnittdichte, die Fußgänger und Radfahrer priorisieren, sowie der Ausbau von Bus Rapid Transit (BRT) und U-Bahn-Systemen sind weitere Schlüsselelemente.
Zum Teil werden alte chinesische Siedlungsmuster reaktiviert, die auf kleinen, menschlich skalierten Blocks und gemeinschaftlichen Innenhöfen basieren. Diese bieten Raum für Nachbarschaftsleben, kurze Wege für den Alltag und eine stärkere soziale Vernetzung. Studien zeigen, dass Bewohner in solchen Vierteln weniger Auto fahren und die alltäglichen Wege kürzer sind, was zu einem geringeren CO2-Ausstoß und besserer Luftqualität führt. Die chinesischen Stadtplaner stehen damit vor der Herausforderung, die errungenen Vorteile der Hochverdichtung – beispielsweise effiziente Flächennutzung und potentielle ökonomische Skaleneffekte – mit lebenswerten, nachhaltigen und sozial integrierten Strukturen zu verbinden. Dass dies gelingt, ist essenziell, denn Chinas Städte sind nicht nur Wohnraum für Millionen Menschen, sondern Motoren der Wirtschaft und zentrale Akteure im globalen Klimaschutz.
Wenn China den Schritt zu einer nachhaltigen urbanen Entwicklung schafft, könnten diese Großstädte zu Vorbildern für andere Entwicklungsländer werden, die mit deren eigenen Wachstumsproblemen ringen. Doch der Weg ist steinig. Die Regierung stößt auf starke Interessen der Automobilindustrie, erprobte, aber aufwendige Bauweisen und auch die Gewohnheiten einer wachsenden Mittelschicht, die das Auto zunehmend als Statussymbol entdeckt haben. Maßnahmen wie die zulassungsbeschränkenden Lotterien für Autokennzeichen in Städten wie Peking und Shanghai zeigen die brennende Dringlichkeit, den Autowachstum einzudämmen. Insgesamt ist klar, dass das chinesische Modell der Hochdichte-Superblocks in seiner derzeitigen Form weit hinter den globalen Standards nachhaltiger Stadtentwicklung zurückbleibt.
Ohne eine grundlegende Umgestaltung der räumlichen Strukturen, die Städte wieder menschenfreundlicher und weniger autolastig gestaltet, drohen China nicht nur schwer kalkulierbare ökologische und soziale Kosten, sondern auch eine nachhaltige Wachstumsverlangsamung durch Überlastung der urbanen Systeme. Die Erfahrungen Chinas mahnen, dass hohe Bevölkerungsdichte allein keine Garantie für nachhaltige Stadtentwicklung ist. Die Qualität der städtischen Umwelt, die Vernetzung von Nutzungen und der Stellenwert von Fuß- und Radverkehr sind mindestens ebenso bedeutend. Der Umgang mit dem Dilemma zwischen schnellem Wachstum und nachhaltiger Entwicklung steht exemplarisch für die urbanen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts weltweit.
Für nachhaltige urbanistische Lösungen muss China weiter voranschreiten und neue Stadtmodelle fördern, die traditionelle Formen mit moderner Infrastruktur verschmelzen, die Autoabhängigkeit reduzieren und nachbarschaftliches Leben stärken. Städte dürfen nicht nur als Ansammlungen von Gebäuden und Straßen gesehen werden, sondern als soziale Ökosysteme, die Wohlstand, Gesundheit und Umweltqualität gleichermaßen ermöglichen. Nur so kann Chinas rasante Urbanisierung nicht zum Fluch, sondern zur Chance für eine lebenswerte Zukunft werden.