Der US-amerikanische Pharmamarkt gilt als einer der größten und wichtigsten weltweit, bietet jedoch gleichzeitig erhebliche Herausforderungen für europäische Pharmaunternehmen, die expandieren möchten. Im Zuge neuer potenzieller Zölle und sich ändernder Marktbedingungen müssen Unternehmen aus Europa ihre Geschäftsmodelle auf Skalierbarkeit ausrichten, um langfristig erfolgreich zu sein. Die Diskussionen auf der HLTH Europe Konferenz, die im Juni 2025 in Amsterdam stattfand, unterstreichen die Dringlichkeit und Komplexität dieses Themas. Europäische Pharmafirmen stehen vor der Aufgabe, ihre Innovationen nicht nur zu entwickeln, sondern auch schnell und effizient zu skalieren, um den Anforderungen des US-Marktes gerecht zu werden. Ohne diese Anpassungen können sie Chancen verpassen oder gar scheitern.
Ein maßgebliches Hindernis, das von Experten wie John Scannapieco von Womble Bond Dickinson LLP betont wurde, ist die Tatsache, dass viele europäische Unternehmen zwar innovative Lösungen anbieten, diese jedoch häufig noch nicht vollständig ausgereift oder skalierbar sind. Gerade im US-Markt, wo Wettbewerbsdruck und regulatorische Anforderungen hoch sind, muss ein Produkt oder eine Dienstleistung schnell auf größere Volumina und unterschiedliche regionale Bedürfnisse angepasst werden können. Dies verlangt einerseits hohe Flexibilität in der Entwicklung und Produktion, andererseits auch ein ausgeprägtes Verständnis für die Marktstruktur der USA. Dort ist das Gesundheitswesen komplex und regional sehr unterschiedlich ausgestaltet – was ein simples Eins-zu-eins-Übertragen eines europäischen Modell oft unmöglich macht.Die Finanzierung spielt zusätzlich eine zentrale Rolle beim Einstieg in den US-Markt.
James Douglas von Frazier & Deeter Advisory weist darauf hin, dass auch die Art der Kommunikation maßgeblich für den Erfolg ist. Ein prägnanter Elevator Pitch, der in wenigen Sekunden das Problem und die innovative Lösung verständlich macht, ist essenziell, um das Interesse US-amerikanischer Investoren zu wecken. Investoren in den USA sind oft schnelllebig, und die Fähigkeit, komplexe wissenschaftliche Sachverhalte einfach und überzeugend zu vermitteln, entscheidet häufig über die Finanzierungsmöglichkeiten. Für europäische Pharmaunternehmen bedeutet dies, neben der Produktentwicklung auch ihre Kommunikationsstrategien anzupassen und stärker auf klare, überzeugende Botschaften zu setzen.Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Verständnis regionaler Bedürfnisse innerhalb der USA.
Wie Rajarshi Banerjee, CEO des Medtech-Unternehmens Perspectum, erläutert, muss das Geschäftsmodell auch in Hinblick auf die jeweiligen Anforderungen von Anbietern im Gesundheitssektor kontextualisiert werden. Ein Beispiel sind mobile MRT-Scanner: In ländlich dünn besiedelten Gegenden wie Arizona können solche Innovationen wertvolle Dienste leisten und sind daher interessant für lokale Anbieter und Investoren. Im Gegensatz dazu wird eine solche Lösung in Metropolregionen wie Manhattan aufgrund der dort bereits vorhandenen dichten medizinischen Infrastruktur auf weniger Interesse stoßen. Dieser regionalisierte Ansatz ist essentiell, um den Vertrieb und die Markteinführung optimal zu gestalten, denn eine zu generalisierte Herangehensweise führt häufig zu Fehlinvestitionen und niedrigen Erfolgsraten.Neben der Skalierbarkeit und Marktadaption spielt auch die Einhaltung regulatorischer Anforderungen in den USA eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Die US-Arzneimittelbehörde FDA setzt strenge Maßstäbe für die Zulassung neuer Medikamente und Medizintechnik. Europäische Unternehmen müssen daher ihre Entwicklungsprozesse und Qualitätsstandards daraufhin ausrichten, um zeit- und kosteneffizient die Compliance zu gewährleisten. Dabei kann es hilfreich sein, frühzeitig mit lokalen Partnern zusammenzuarbeiten, die mit den regulatorischen Landschaften vertraut sind. Ein etabliertes Netzwerk mit US-amerikanischen Kliniken, Forschungseinrichtungen und Investoren verschafft ebenfalls Vorteile gegenüber Wettbewerbern, die ausschließlich mit europäischen Abläufen vertraut sind.Die zunehmende Unsicherheit, ausgelöst durch mögliche Handelszölle und geänderte politische Rahmenbedingungen, erhöht den Druck auf europäische Pharmaunternehmen.
Strategische Flexibilität und schnelle Anpassungsfähigkeit werden zu entscheidenden Erfolgsfaktoren. Die Entwicklung von skalierbaren Geschäftsmodellen ermöglicht es, flexibel auf die Marktveränderungen zu reagieren, beispielsweise durch die Anpassung der Produktionskapazitäten oder der Vertriebskanäle. Zudem kann ein solches Modell Investoren überzeugender dargestellt werden, was wiederum die Kapitalbeschaffung erleichtert und die Expansionsmöglichkeiten vergrößert.Innovative digitale Lösungen und datenbasierte Geschäftsmodelle halten ebenfalls Einzug in die Pharmaindustrie. Produkte und Services, die mit Hilfe von Telemedizin, künstlicher Intelligenz oder Big Data neue Möglichkeiten eröffnen, bieten hervorragende Chancen, sich auf dem US-Markt zu differenzieren.
Doch auch hier gilt, dass die Skalierbarkeit im Mittelpunkt steht. Softwarelösungen oder digitale Gesundheitsprodukte müssen robust, sicher und anpassbar sein, um unterschiedlichen Patientengruppen und gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Europäische Unternehmen, die es schaffen, ihre Innovationen modular und flexibel zu entwickeln, können dadurch schneller wachsen und ihre Marktposition stärken.Des Weiteren spielt die kulturelle und organisatorische Anpassung eine wichtige Rolle. Der US-amerikanische Markt verlangt nicht nur technische und wirtschaftliche Anpassungen, sondern auch ein Verständnis für andere Geschäftspraktiken und Entscheidungsstrukturen.
Europäische Pharmaunternehmen müssen ihr Management und Vertriebsteams entsprechend schulen oder lokale Experten integrieren, um die Komplexität des Marktes zu meistern. Dabei geht es auch um Verhandlungskultur, Kundenerwartungen und Netzwerkbildung, die in den USA oftmals anders ausfallen als in Europa.Insgesamt zeigt sich, dass Europäer auf dem US-Markt nicht einfach ihre europäischen Geschäftsmodelle exportieren können. Der Schlüssel liegt in der Entwicklung von Geschäftsmodellen, die durch Skalierbarkeit, Flexibilität und eine gezielte Anpassung an regionale Besonderheiten und regulatorische Vorgaben überzeugen. Eine klare Kommunikation mit Investoren und Partnern sowie eine strategische Markteintrittsplanung erhöhen die Erfolgschancen erheblich.