Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern und die Energiewende hin zu nachhaltigen, klimafreundlichen Quellen sind zentrale Bausteine im Kampf gegen den Klimawandel. Windkraft und Photovoltaik als tragende Säulen der erneuerbaren Energie werden zunehmend zur Grundversorgung. Trotz der Vorteile dieser Technologien ist ihre Akzeptanz vor Ort häufig durch die visuellen Auswirkungen auf die Landschaft begrenzt. Gerade in landschaftlich reizvollen oder dicht besiedelten Gebieten stoßen Windräder und Freiflächen-Solaranlagen oftmals auf Widerstand. Die Herausforderung besteht darin, Energieprojekte zu realisieren, die einerseits landschaftlich verträglich sind und andererseits das Energiesystem nicht unverhältnismäßig verteuern oder seine Stabilität gefährden.
Die Wissenschaft hat dieses Spannungsfeld in einer umfassenden Studie zum deutschen Energiemarkt untersucht, wobei innovative Methoden zur Sichtbarkeitsanalyse mit energetisch-ökonomischen Bewertungen kombiniert wurden. Das Ergebnis zeigt handfeste Kompromisse zwischen Ästhetik, sozialer Akzeptanz und Kosten. Das Thema Sichtbarkeit von erneuerbaren Energieanlagen öffnet ein komplexes Feld, in dem visuelle Landschaftselemente auf gesellschaftliche Wahrnehmung und politische Akzeptanz treffen. Sichtbare Windräder in beliebter Natur können als störende Elemente empfunden werden und führen häufig zu lokalen Protesten oder verzögern Genehmigungsverfahren. Auch großflächige Photovoltaik-Anlagen auf freier Fläche, obwohl weniger dominant als Windkraftanlagen, rufen in manchen Regionen negative Reaktionen hervor.
Die physischen Auswirkungen auf das Landschaftsbild hängen neben der Standortwahl von der Nähe zu Wohngebieten und von der landschaftlichen Bedeutung des Standorts ab. Insofern ist die Reduzierung der Sichtbarkeit eine mögliche Strategie, um lokale Akzeptanz zu erhöhen, was jedoch die verfügbare Fläche für erneuerbare Energien einschränkt. Die Forschung kombiniert eine großflächige sogenannte Reverse-Viewshed-Analyse, die nicht vom Standort der Energieanlagen aus die Sicht untersucht, sondern vom Standort potenzieller Betrachter. Dadurch kann festgelegt werden, aus welchen besonders attraktiven oder dicht besiedelten Zonen erneuerbare Energien nicht sichtbar sein sollen. Anschließend werden diese Sichtbarkeitsrestriktionen in ein landwirtschaftliches Flächenpotenzialmodell integriert, um herauszufinden, wie viel Fläche für Wind- und Solarenergie noch nutzbar bleibt.
Darauf aufbauend erfolgt eine techno-ökonomische Modellierung des gesamten Energiesystems, bei der untersucht wird, wie diese Beschränkungen die kosteneffiziente Planung und das Energiesystem von morgen verändern. In Deutschland zeigen die Ergebnisse, dass eine moderate Einschränkung, erneuerbare Energien unsichtbar vor den landschaftlich schönsten oder am dichtesten besiedelten Orten zu machen, die Gesamtkosten des Energiesystems kaum erhöht. Sofern Anlagen also nur dort verborgen werden, wo besonders sensible Landschaften oder Ballungsräume geschützt werden, ist dies ohne großen technischen oder finanziellen Zusatzaufwand realisierbar. Allerdings verschärft sich die Situation bei strengeren Vorgaben erheblich. Werden Anlagen beispielsweise so weit verbannt, dass sie von allen Zonen mit durchschnittlicher landschaftlicher Attraktivität und durchschnittlicher Bevölkerungsdichte nicht sichtbar sein dürfen, steigen die jährlichen Kosten um bis zu 38 Prozent.
Für das komplexe Energiesystem Deutschlands entspricht dies Mehrkosten von mehreren zehn Milliarden Euro jährlich. Dies wirkt sich vor allem auf die Stromerzeugung sowie auf Speicher- und Importstrategien aus. Wie kommt es zu diesen Auswirkungen? Die Reduzierung der erreichbaren Flächen zwingt die Planung, teurere oder technisch anspruchsvollere Alternativen verstärkt zu nutzen. Offshore-Windkraft gewinnt an Bedeutung, da sie von Land aus nicht sichtbar ist, doch die Errichtungskosten sind höher und der Ausbau erfordert längere Planungszyklen. Ebenso wird die Nutzung von Photovoltaik auf Dächern stark ausgebaut, was zwar die Sichtbarkeit reduziert, aber aufgrund begrenzter Flächenverfügbarkeit und höherer Speicherkosten erhebliche Anpassungen im System verursacht.
Die verstärkte Abhängigkeit von grünem Wasserstoffimport unterstreicht die Herausforderung, genügend erneuerbare Energie zugleich kostengünstig, systemstabil und sozial akzeptabel bereitzustellen. Die Ergebnisse beleuchten auch die Fragen von Resilienz und Versorgungssicherheit. Je stärker die Flächenauswahl durch Sichtbarkeitsverbote eingeschränkt wird, desto eingeschränkter wird die Diversität und Ausnutzbarkeit erneuerbarer Ressourcen. Die Abhängigkeit von bestimmten Technologien und Importen erhöht sich, was das System anfälliger gegenüber politischer, wirtschaftlicher und klimatischer Unsicherheiten macht. Darüber hinaus deutet die Studie auf soziale und gerechte Aspekte hin: Werden große Anteile der Erneuerbaren gezwungen, an wenig besiedelten oder landschaftlich unbelasteten, aber möglicherweise ökologisch sensiblen oder weniger zugänglichen Orten zu stehen, kann dies zu Unzufriedenheit in bestimmten Regionen führen.
Im Sinne der Energiegerechtigkeit müssen diese Verteilungsfragen ebenso berücksichtigt werden. Die Methodik der Reverse-Viewshed-Analyse stellt einen wichtigen Fortschritt dar, da sie großflächige Sichtbarkeitsbarrieren mittels digitaler Geländemodelle und umfangreicher Geländepunkte berücksichtigt. Die 25-Meter-Gitterauflösung des digitalen Höhenmodells erlaubt eine detaillierte Erfassung der Sichtlinien. Die Nutzung von Landschaftsbewertungen anhand von „Scenicness“-Indizes, die landschaftliche Attraktivität von Gebieten messen, und Bevölkerungsdichten ermöglicht es, differenzierte Schutz- und Exklusionszonen zu definieren. Im Anschluss erlaubt das ETHOS.
GLAES-Framework die Einschätzung verfügbarer Flächen unter Berücksichtigung rechtlicher, technischer und naturbezogener Ausschlusskriterien. So entsteht ein gesamtheitliches Bild über das wirkliche Potenzial erneuerbarer Energien in Abhängigkeit von visuellen Restriktionen. Die techno-ökonomische Modellierung mit ETHOS.NESTOR simuliert Kosten, Investitionen, technologische Pfade und Energieflüsse unter den definierten Sichtbarkeitsbeschränkungen. Das erlaubt Prognosen nicht nur zu den unmittelbaren Mehrkosten, sondern auch zu möglichen Veränderungen im Energiemix, Speicherbedarf und Importen.
Der Betrachtungszeitraum bis 2045 spiegelt den gewählten Klimaneutralitätszeitpunkt wider und zeigt strategische Einsichten über die Dekaden der Transformation. Das Modell berücksichtigt nicht nur den Stromsektor, sondern auch Industrie, Verkehr und Gebäude – was eine umfassende Kostenabschätzung erlaubt. Neben den quantitativen Ergebnissen hebt die Studie auch wichtige qualitative Einflussfaktoren hervor. Sichtbarkeit ist nicht der einzige Faktor für die Akzeptanz erneuerbarer Energien. Faktoren wie die Einbindung der Bevölkerung, Eigentumsmodelle, partizipative Planung und faire Verteilung von Vorteilen beeinflussen die lokale Zustimmung maßgeblich.
Es ist sehr wohl denkbar, dass Anlagen in bestimmten Situationen trotz Sichtbarkeit akzeptiert werden, wenn die Beteiligung stimmt und kommuniziert wird. Umgekehrt könnten selbst unsichtbare Anlagen auf Widerstand stoßen, wenn Umweltbelange oder andere lokale Betroffenheiten dominieren. Demnach ist die Unsichtbarmachung keine Allheilmaßnahme, sondern Teil eines umfassenden Akzeptanzmanagements. Die Herausforderung, eine Balance zwischen Landschaftsschutz und energetischer Notwendigkeit zu finden, ist regional unterschiedlich. Deutschland bietet mit seinem breiten Spektrum an Landschaftstypen und Bevölkerungsstrukturen ein geeignetes Beispiel.
In Regionen mit hohen landschaftlichen Qualitätsmerkmalen oder hoher Bevölkerungsdichte wie Ballungszentren sind stärkere Restriktionen denkbar. In ländlichen oder weniger besiedelten Regionen können dagegen weniger Einschränkungen die Energiegewinnung erleichtern. Die Erstellung differenzierter, lokal angepasster Planungsrichtlinien erscheint daher wünschenswert. Darüber hinaus stellen die Ergebnisse auch politische und gesellschaftliche Herausforderungen. Durch stärker werdende Sichtbarkeitsverbote steigt der Kostendruck auf die Energiewende.
Die Politik muss entscheiden, wie viel gesellschaftlicher Wert auf Landschaftsschutz und Ästhetik gelegt wird und welche Kosten dafür akzeptabel sind. Förderungen, Anreize und Vereinfachungen bei der Planung könnten helfen, technisch machbare Lösungen schneller umzusetzen. Gleichzeitig müssen auch die Infrastruktur für Offshore-Wind und grüne Wasserstoffimporte ausgebaut und die Akzeptanz der Bevölkerung für neue Technologien gefördert werden. Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftsziele gilt es also in einen ausgewogenen Zielkonflikt zu bringen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Skalierung der Ergebnisse auf andere Länder und Regionen.
Die Studienergebnisse aus Deutschland sind zwar präzise und differenziert, lassen sich aber nicht ohne Weiteres übertragen. Landes- und Landschaftsdesign, Wind- und Sonnenverhältnisse, gesetzliche Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Präferenzen variieren stark. Insbesondere Länder mit begrenztem Landangebot oder hohen landschaftlichen Schutzansprüchen können stärkere Einschränkungen und damit höhere Kosten erfahren. Die Methodik der Reverse-Viewshed-Analyse kann jedoch weltweit adaptiert werden, sofern entsprechende Landschaftsdaten verfügbar sind. Technologische Innovationen könnten die beschriebenen Problematiken abmildern.
Die Weiterentwicklung höherer Windturbinen mit ausgefeiltem Design, schwächerer Geräuschentwicklung und flexiblerer Standortwahl ermöglicht es möglicherweise, Landschaftsimpacts zu reduzieren. Agrivoltaik und gebäudeintegrierte Solarsysteme erweitern die Flächennutzung und reduzieren Sichtbarkeit und Flächenkonflikte. Fortschritte bei Speichern, Wasserstoffproduktion und Importtechnologien stärken zudem die Versorgungssicherheit trotz eingeschränkter Flächenauswahl. Zusammenfassend zeigt die Untersuchung eindrucksvoll, dass die Rücksichtnahme auf Landschaftsbild und städtische Lebensqualität bei der Planung erneuerbarer Energieanlagen wichtig, aber mit deutlichen wirtschaftlichen und technischen Herausforderungen verbunden ist. Eine moderate Einschränkung der Sichtbarkeit ist problemlos umsetzbar und fördert die Akzeptanz.
Sehr strikte Vorgaben führen jedoch zu erheblichen Mehrkosten, Lastverlagerungen auf Offshore- und Dachanlagen sowie einer Abhängigkeit von Energieimporten. Eine erfolgreiche Energiewende erfordert somit einen ganzheitlichen Planungsansatz, der neben ästhetischen Aspekten auch sozioökonomische, ökologische und technologische Gesichtspunkte integriert. Öffentlicher Dialog, differenzierte Regelwerke und innovative Technologien bilden die Grundlage, um einen nachhaltigen und akzeptierten Weg in eine erneuerbare Zukunft zu gestalten.