Der Cerrado, oft als das größte zusammenhängende Savannenbiom Südamerikas beschrieben, erstreckt sich über etwa zwei Millionen Quadratkilometer vor allem im zentralen Brasilien. Diese Region gilt als einer der global bedeutendsten Biodiversitätshotspots und zeichnet sich durch eine immense Vielfalt an Pflanzenspezies aus. Trotz seines enormen ökologischen Werts ist der Cerrado jedoch eines der am stärksten bedrohten Ökosysteme weltweit. Nicht einmal zehn Prozent seines ursprünglichen Umfangs ist offiziell geschützt, während mehr als die Hälfte bereits entwaldet oder umgewandelt wurde. Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit steht vor allem die Struktur der Baumartenvielfalt: Wie viele Baumarten gibt es, welche Arten dominieren das Bild und wie sieht es mit der Seltenheit anderer Arten aus? Aktuelle Studien, basierend auf umfangreichen Daten aus 222 standardisierten Erfassungspunkten, belegen, dass im Cerrado schätzungsweise etwa 1600 Baumarten existieren.
Diese unvergleichliche Vielfalt macht den Cerrado zu einem weltweiten Zentrum der Baumdiversität im Savannenbereich. Bemerkenswert ist dabei die Beobachtung einer sogenannten Hyperdominanz. Weniger als zwei Prozent der Baumarten – also rund 30 Arten – sind für die Hälfte aller Individuen verantwortlich. Dieses Phänomen der Hyperdominanz wurde zuvor vor allem aus tropischen Regenwäldern wie dem Amazonasgebiet bekannt und zeigt sich überraschenderweise auch in der offen strukturierten Savannenlandschaft des Cerrado. Besonders auffällig ist die Familie Vochysiaceae, die fast 17 Prozent aller Bäume stellt.
Die häufigste Baumart Qualea parviflora macht namentlich sogar einen Baum von 14 Bäumen im Biom aus. Im Gegensatz zu dieser Dominanzgruppe ist allerdings der Großteil der Baumarten extrem selten. Über 60 Prozent der vorkommenden Arten kommen mit weniger als hundert Individuen in den gesamten Erfassungspunkten vor; einige sind sogar nur vereinzelt registriert worden. Diese Kombination aus wenigen dominanten Arten und einer großen Anzahl erhaltenswerter, seltener Bäume spiegelt eine charakteristische und hochkomplexe ökologische Dynamik wider, die besonders geschützt werden muss. Die Seltenheit vieler Arten weist darauf hin, dass noch viele unbekannte Baumarten im Cerrado existieren könnten.
Wissenschaftliche Schätzungen gehen von bis zu 800 unentdeckten Baumarten aus, die aufgrund von schnellen Umwandlungen und Entwaldungen in naher Zukunft vom Aussterben bedroht sind. Die immense Baumvielfalt ist eng verbunden mit den unterschiedlichen Umweltfaktoren des Cerrado. Diese reichen von variierenden Niederschlagsmustern über unterschiedliche Bodenarten bis hin zu regelmäßigen Feuerereignissen, die das Ökosystem prägen. So sind die Böden der Cerrado-Savannen meist nährstoffarm, sauer und weisen oft hohe Konzentrationen toxischer Elemente wie Aluminium auf. Eine Vielzahl der hyperdominanten Baumarten ist darauf spezialisiert, diese Bodenbedingungen zu tolerieren oder sogar zu nutzen.
So sind viele Vochysiaceae-Arten sogenannte Aluminium-Hyperakkumulatoren, die das Metall in ihren Blättern lagern, was als Schutzmechanismus gegen Fressfeinde und Pathogene fungiert. Dies verleiht ihnen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Pflanzenarten. Darüber hinaus ist der Faktor Feuer ein zentraler Bestandteil der Cerrado-Ökologie. Regelmäßige, nicht selten vom Menschen kontrollierte Feuer tragen zur Erhaltung der Savannenstruktur bei und beeinflussen welche Baumarten dominieren können. Feuer führt zu einer Filterung der Arten, wobei diejenigen mit spezifischen Anpassungen wie feuerresistenten Borken oder schneller Nachbesiedlung begünstigt werden.
Daher spiegelt die Hyperdominanz in der Baumgesellschaft nicht nur zufällige Verteilung wider, sondern ist auch Ausdruck langjähriger Anpassungen an das Zusammenspiel von Feuer, Klima und Bodenbedingungen. Trotz dieser natürlichen Anpassungen steht der Cerrado aktuell vor einer dramatischen Bedrohung durch menschliche Aktivitäten. Die rasche Expansion der Landwirtschaft – insbesondere Soja- und Viehzucht – führt zu einem enormen Verlust an natürlicher Vegetation. Zwischen 1985 und 2020 hat der Cerrado etwa 24 Millionen Hektar seiner Savannenlandschaft verloren, was einer Reduktion der Baumpopulation um rund 24 Milliarden Individuen entspricht – mehr als die dreifache Anzahl der Menschen auf der Erde. Diese Landumwandlung hat schwerwiegende Konsequenzen für die Biodiversität, das regionale Klima und die Wasserversorgung, da der Cerrado eine Schlüsselrolle als Wasserquelle und Wasserspeicher in Brasilien einnimmt.
Der Schutz der Baumartenvielfalt ist daher nicht nur eine Frage der Bewahrung biologischer Vielfalt an sich, sondern auch entscheidend für die Sicherstellung von Ökosystemdienstleistungen, die über die Grenzen des Bioms hinauswirken. Der Cerrado wirkt als Pufferzone zwischen der Amazonasregion und den Besiedlungszentren im Südosten Brasiliens. Sein Verlust könnte somit auch negative Rückkopplungen auf das globale Klimasystem haben und die Widerstandsfähigkeit benachbarter Ökosysteme mindern. Aufgrund der kombinierten Gefährdung durch Klimaveränderungen und Landnutzungswandel ist es dringend geboten, den Cerrado intensiver wissenschaftlich zu erforschen und effektive Schutzmaßnahmen zu etablieren. Dabei muss die Erhaltung sowohl der hyperdominanten Baumarten, die häufig als ökologische Schlüsselarten fungieren, als auch der seltenen und potenziell noch unbekannten Arten im Fokus stehen.
Ein tieferes Verständnis über die geographische Verteilung der Arten, ihre ökologischen Bedürfnisse und ihre Reaktion auf Druckfaktoren ist nötig, um zielgerichtete Schutzgebiete einzurichten und die Ökosystemfunktion langfristig zu sichern. Internationale Zusammenarbeit sowie die Unterstützung lokaler Gemeinden und indigener Völker sind ebenso essenziell, um nachhaltige Schutzstrategien umzusetzen. Fortschritte in ferngesteuerter Erfassung, Genetik und Klimamodellierung bieten vielversprechende Werkzeuge, um den dynamischen Veränderungen im Cerrado entgegenzuwirken. Die Finanzierung und politische Rahmensetzung müssen auch die Spezifitäten und die globale Bedeutung dieser einzigartigen Savanne anerkennen und entsprechend stärken. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Südamerikanische Cerrado ein herausragendes Beispiel für die Gleichzeitigkeit von Baumarten-Hyperdominanz und extremer Seltenheit ist.
Diese komplexe Baumartenstruktur zeigt sich in einem stark bedrohten Ökosystem, dessen Erhaltung für die Biodiversität Südamerikas und darüber hinaus von höchster Wichtigkeit ist. Nur durch gezielte wissenschaftliche Forschung, nachhaltige Landnutzung und umfassenden Naturschutz kann der Fortbestand dieses außergewöhnlichen Bioms gesichert werden.