Die Geschichte der Nooksack 306 ist eine bewegende Erzählung von Verlust, Identität und kultureller Entwurzelung, die im Herzen der indigenen Bevölkerung Nordwest-Washingtons spielt. Sie zeigt, wie Geld, Macht und Gier in den letzten Jahrzehnten unermesslichen Schaden an einer Gemeinschaft angerichtet haben, die einst sicher und geborgen in ihrer Heimat lebte. Im Zentrum stehen die Ereignisse, wie die Anführer des Nooksack-Stammes hunderte Mitglieder aus ihren Häusern vertrieben und gleichzeitig deren Zugehörigkeit zur Gemeinschaft aberkannten. Dieses moderne Kapitel von Ungerechtigkeit ist ein erschütterndes Beispiel dafür, wie Innenpolitik und wirtschaftliche Interessen indigene Völker bis heute prägen und oft zerstören. Die Nooksack sind ein eingeborener Stamm aus der Nähe der kanadischen Grenze in Washington, deren traditionelle Stammesgebiete sich entlang des Nooksack-Flusses erstrecken.
Obwohl sie formal erst 1973 von den Vereinigten Staaten anerkannt wurden, haben sie eine lange Geschichte als Teil der indigenen Gemeinschaft Nordamerikas und als Hüter ihres Landes und ihrer kulturellen Praktiken. Hier fanden viele Familien ihr Zuhause auf reserviertem Land, das sie generationsübergreifend bewohnten. Die Häuser waren weit mehr als nur Gebäude; sie standen für Sicherheit, Zusammengehörigkeit und die Verbindung zu den Ahnen. Die 306 Mitglieder, die heute als die „Nooksack 306“ bekannt sind, wurden im Jahr 2016 aus dem Stammesregister gestrichen, da sie angeblich nicht ausreichend „Nooksack-Blut“ – mindestens ein Viertel – nachweisen konnten. Dieses Verfahren, bekannt als „Disenrollment“, bedeutete den Verlust ihrer politischen und sozialen Rechte, den Ausschluss von jeglichen Unterstützungen des Stammes und vor allem den Verlust ihres Zuhause auf dem Reservationsland.
Für viele war es wie das plötzliche Entziehen des Bodens unter den Füßen – ein Angriff auf Identität, Familie und Leben. Der Ursprung der Kontroverse liegt in der komplexen Geschichte der Stammesmitgliedschaft, die oft auf Blutquantum basiert. Dieses Konzept wurde ursprünglich von der US-amerikanischen Regierung eingeführt, um die indigene Identität durch Abstammungsquoten zu regulieren und so die Zahl der anerkannten Indianer Schritt für Schritt künstlich zu reduzieren. Obwohl es eine koloniale Hinterlassenschaft ist, wird es heute von einigen Stammesführungen zum Instrument interner Machtkämpfe und finanzieller Vorteile. Für den Nooksack-Stamm ist die Einnahme von Casino-Geldern zu einem zentralen wirtschaftlichen Faktor geworden.
Trotz der Schließung eines der beiden Casinos, das erhebliche Schulden verursachte, bleibt die Aussicht auf Erträge für bestimmte Personen im Stamm von großer Bedeutung. Es wird vermutet, dass durch die Verkleinerung der Gruppen, die berechtigt sind, von den Einnahmen zu profitieren, höhere Ausschüttungen auf die verbleibenden Mitglieder möglich sind. Die Folge ist ein tiefgreifender Konflikt, der Familien entzweit und alte Verbindungen zerreißt. Im Zentrum der Streitigkeiten steht die Geschichte von Annie George, einer Frau, die im späten 19. Jahrhundert geboren wurde und Ahnherrin vieler der Diskriminierten ist.
Obwohl sie Teil der Geschichte und Kultur der Nooksack ist und nach Stammesbrauch als Mitglied galt, tauchte sie nicht in bestimmten offiziellen Aufzeichnungen auf, die für die Mitgliedschaft als Beweis gelten sollten. Auf dieser Basis wurde ihre Abstammung in Frage gestellt und ihre Nachkommen aus dem Stamm ausgeschlossen. Für die Betroffenen ist dies mehr als eine bürokratische Entscheidung. Es ist ein Angriff auf ihre Wurzeln, eine Verweigerung ihrer Zugehörigkeit und eine Auslöschung ihrer sozialen und kulturellen Identität. Die schmerzliche Folge waren nicht nur die Aberkennung aller Stammesrechte, sondern auch Zwangsräumungen aus den Häusern, in denen viele Familien Mitglieder über Dekaden gemeinsam lebten.
Besonders schmerzhaft war es für die Älteren, die oft ihr ganzes Leben in diesen Häusern verbracht hatten und in ihnen die lebendige Verbindung zu ihrer Geschichte und ihren Vorfahren sahen. Die Evakuierungen verliefen häufig unter Tränen, mit wachsendem Unverständnis und Hilflosigkeit. Die Geschichten von Menschen wie Elizabeth Oshiro, die das Haus ihrer Eltern räumen musste, zeigen die emotionale und materielle Katastrophe, die sich daraus ergab. Elizabeth verlor nicht nur ihr Zuhause, sondern auch das Gefühl von Sicherheit und Gemeinschaft. Die Tatsache, dass Tribal-Mitarbeiter und sogar ehemalige Freunde die Räumungen durchführten, verschärfte den Konflikt weiter.
Rechtlich wurde gegen die Maßnahmen vorgegangen, doch das Rechtssystem zeigte sich machtlos oder desinteressiert. Die Nooksack-Stammesregierung berief sich auf ihre souveränen Rechte, die Handhabung von Mitgliedschaften und Stammesangelegenheiten eigenständig zu regeln. Somit blieben gerichtliche Anfechtungen ohne Wirkung, und selbst die höchsten Instanzen, einschließlich des US Supreme Court, sahen keine Zuständigkeit. Anwaltsbemühungen, die sich für die betroffenen Familien einsetzten, wurden von der Stammesregierung zurückgewiesen und teilweise gar unterbunden. Internationale Menschenrechtsorganisationen wie die Vereinten Nationen ergriffen die Sache auf und wandten sich an die US-Regierung, wohl wissend, dass es sich bei dieser innerstämmigen Problematik um mehr als einen bloßen juristischen Streit handelt.
Die Rechte indigener Völker auf kulturelle Identität und Schutz vor Diskriminierung stehen auf dem Spiel. Die UN forderten, alternative und menschenwürdige Lösungen für die Betroffenen zu suchen und die Zwangsräumungen zu stoppen. Bis heute bleibt jedoch eine Lösung aus, und die Nooksack 306 sind größtenteils heimatlos geblieben. In dieser Notlage fanden die Verstoßenen jedoch eine neue Hoffnung bei der Shxwhá:y-Band der Nooksack in British Columbia, Kanada. Diese Gruppe, historisch und kulturell eng mit den Nooksack in Washington verbunden, reagierte mit menschlicher Wärme und Solidarität.
Sie bestätigten die Zugehörigkeit der 306 und reagierten auf die Not mit dem Kauf von Land und dem Bau von Häusern nahe der ursprünglichen Reservation. Dies war ein mutiger Akt von familiärer Verantwortung, der die Grenzen zwischen Nationen ignorierte und die Idee von indigener Zusammengehörigkeit erneuerte. Diese neue Heimat ist kein Ersatz für das verlorene Land, aber sie gewährleistet Unterkunft und Geborgenheit ohne Hypothekenlast, mit niedrigen Mieten und einem starken Gemeinschaftsgefühl. Die großzügige Haltung der kanadischen Verwandten zeigt, wie tief die kulturellen Bindungen trotz politischer Konflikte und Landesgrenzen sind. Es ist ein Hoffnungsschimmer inmitten der schweren Erfahrungen, den Verlust von Heimat und Identität.
Gleichzeitig bleibt der Schmerz und der Verlust tief verwurzelt. Für viele Nooksack 306, trotz neuen sicheren Wohnens, ist der Abschied vom ehemaligen Zuhause und von ihrer angestammten Gemeinschaft kaum zu verkraften. Die Geschichten von verlorenen Familienmitgliedern, von geplünderten Haushalten und zerbrochenen Verbindungen zeichnen ein Bild von anhaltendem Trauma, das über Generationen hinweg spürbar sein wird. Die Nooksack 306 stehen exemplarisch für viele indigene Gemeinschaften weltweit, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind. Machtpolitik und wirtschaftliche Interessen führen zur Spaltung von Völkern, zu Enteignung und Entfremdung.