Der Quastenflosser gilt als eines der faszinierendsten und zugleich rätselhaftesten Lebewesen der Meereswelt. Lange Zeit galt er als „lebendes Fossil“, ein Relikt aus prähistorischen Zeiten, das jahrzehntelang als ausgestorben angenommen wurde, bis zu seiner spektakulären Wiederentdeckung in den 1930er Jahren. Bis heute sind weltweit nur zwei Arten bekannt: der Westindische Ozean-Quastenflosser (Latimeria chalumnae) und der Sulawesi-Quastenflosser (Latimeria menadoensis), letzterer bisher hauptsächlich vor den Küsten Sulawesis und West-Neuguineas lokalisiert. Die Entdeckung eines lebenden Exemplars im indonesischen Archipel der Nord-Maluku-Provinz stellt einen bedeutsamen wissenschaftlichen Durchbruch dar und lädt ein zur Neubewertung der Verbreitung und des ökologischen Verständnisses dieser einzigartigen Fischgruppe. Das Wesen der Quastenflosser fasziniert nicht nur Biologen, sondern auch die breite Öffentlichkeit, da sie als lebende Beispiele der Evolutionsgeschichte gelten, deren Ursprung vor rund 400 Millionen Jahren liegt.
Sie gehören zur Gruppe der Fleischflosser, die sich durch ihre charakteristischen, fleischigen Flossen auszeichnen, die als Vorläufer der Gliedmaßen der Landwirbeltiere angesehen werden. Trotz ihres jahrmillionenalten Bestehens sind sie ausgesprochen selten und leben in tiefen, oft nur schwer zugänglichen Riffregionen, was ihre Erforschung erschwert. Die bisher bekannten Beobachtungen des Sulawesi-Quastenflossers basierten meist auf Beifängen durch Fischer oder auf filmischen Unterwasseraufnahmen, die mit ferngesteuerten Fahrzeugen (ROVs) oder Tauch-U-Booten gemacht wurden. Direkte Begegnungen von Tauchern mit dieser Art waren bislang nahezu unbekannt. Diese Situation änderte sich nun durch eine wissenschaftlich geleitete Expedition, bei der technische Tieftauchgänge mit geschlossenen Kreislauftauchgeräten und speziellen Atemgasgemischen mehr als 150 Meter tief für den Zugang zu vermuteten Lebensräumen des Quastenflossers eingesetzt wurden.
Dies ermöglichte endlich die ersten authentischen Sichtungen und fotografischen Dokumentationen durch Taucher vor Ort in der Region Nord-Maluku. Die Taucher fanden das Tier beim Abstieg an steilen vulkanischen Hängen, die von komplexen Felsstrukturen mit vielen Spalten und Überhängen geprägt sind. Die Wassertemperatur lag auf großer Tiefe konstant um die 19 bis 20 Grad Celsius und bot somit ideale Bedingungen für die Quastenflosser, die bekanntlich relativ kühle und stabile Temperaturzonen bevorzugen. Während der Beobachtung in etwa 144 Metern Tiefe schwebte der Quastenflosser etwa einen Meter über einem mit Schwämmen und Weichkorallen bewachsenen Felsen. Bemerkenswert war, dass das Tier nicht, wie ursprünglich angenommen, innerhalb von Höhlen oder geschützten Felsspalten verweilte, sondern in der offenen Wasserzone.
Dieses Verhalten steht im Einklang mit früheren Beobachtungen und zeigt, dass das Verhaltensspektrum der Tiere komplexer ist als bisher vermutet. Der Quastenflosser hielt seine Rückenflosse aufrecht, eine Haltung, die als Zeichen einer aktiven Verfassung gedeutet wird. Er nutzte kontrollierte Bewegungen mehrerer Flossen – speziell der zweiten Rücken-, After- und Brustflossen – um seine Position im Wasser zu halten und langsam um die Felspartie zu schwimmen. Die delicaten Bewegungen zeigten eine ausgeprägte Kontrolle und Anpassung an die Umgebung, was Rückschlüsse auf das natürliche Verhalten und die Energieeffizienz in den tiefen, kühlen Riffen zulässt. In einer zweiten Begegnung, zwei Tage später, wurde das gleiche Individuum anhand seines charakteristischen weißen Punktmusters am Körper zweifelsfrei identifiziert.
Diese seltene Gelegenheit, dieselbe erwachsene Quastenflosser-Spezies an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zu beobachten, ist nicht nur für die Verhaltensforschung wertvoll, sondern ermöglicht auch Rückschlüsse auf mögliche Habitatpräferenzen und räumliche Nutzungsmuster in der Region. Auffällig ist, dass während wiederholter Tauchgänge nicht alle Tiere fanden wurden, was die durchaus geringe Dichte der Art in natürlichen Habitaten unterstreicht. Die Entdeckung in Nord-Maluku erweitert das bekannte Verbreitungsgebiet des Sulawesi-Quastenflossers beträchtlich. Vorher war die Art hauptsächlich in den Gewässern rund um Sulawesi und Neuguinea dokumentiert. Das Gebiet der Maluku-Inseln liegt zwischen diesen Regionen und weist bislang keine bestätigten Populationen dieser Art auf, womit sich nun die Hypothese erhärtet, dass der Quastenflosser eine viel weitere Verbreitung innerhalb der indonesischen Gewässer hat, als zunächst angenommen.
Diese Erkenntnis fügt sich in das wachsende Bild Indonesiens als marinen Biodiversitätshotspot ein, in dem viele noch unentdeckte oder wenig erforschte Arten leben. Der Schutz der Lebensräume von Quastenflossern gewinnt angesichts des globalen Biodiversitätsverlustes und zunehmender menschlicher Eingriffe in marine Ökosysteme immense Bedeutung. Quastenflosser haben besondere biologische Eigenschaften, die sie besonders anfällig für Umwelteinflüsse machen: Sie zeichnen sich durch ein langsames Wachstum, späte Geschlechtsreife, lange Tragzeiten und geringe Reproduktionsraten aus. Diese Merkmale sorgen für eine geringe Populationsdynamik und Sensibilität gegenüber Störungen. Auch der zunehmende Handel mit Trophäen und die aufkommenden Tourismusaktivitäten in tiefen Riffgebieten stellen potenzielle Bedrohungen dar, die vorsichtig und verantwortungsvoll geregelt werden müssen.
Die Autoren der Studie geben an, den genauen Fundort bis auf Weiteres vertraulich zu behandeln, um die Tiere vor unkontrollierten Eingriffen zu schützen. Dies unterstreicht die Dringlichkeit, angemessene Schutzmaßnahmen und Managementstrategien zu entwickeln, die sowohl den Erhalt der Artenvielfalt als auch sozioökonomische Interessen der lokalen Bevölkerung berücksichtigen. Die Möglichkeit, durch technische Taucher und nicht-invasive Methoden DNA-Proben und verhaltensbiologische Daten zu gewinnen, eröffnet neue Perspektiven für die Erforschung und das Monitoring dieser bemerkenswerten Tiefseebewohner. Die Geschichte des Sulawesi-Quastenflossers begann vor mehr als zwei Jahrzehnten mit Funden auf Fischmärkten und wurde seither durch verschiedene wissenschaftliche Expeditionen ergänzt. Dennoch bleiben viele Fragen zur Populationsgröße, genetischer Vielfalt und ökologischen Rolle offen.
Die aktuellen Beobachtungen in Nord-Maluku liefern nun den ersten direkten Beweis für das Vorkommen lebender Individuen in dieser Region und schaffen damit eine Grundlage für weiterführende Untersuchungen. Der Schutz der quastenflosserführenden Ökosysteme im tiefen Mesophotischen Bereich ist essenziell, denn diese Lebensräume stellen oft einen Puffer gegen Umwelteinflüsse dar und sind Heimat vieler endemischer und sensibler Arten. Ihre Erhaltung erfordert ein Zusammenspiel aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, um eine nachhaltige Nutzung und den Erhalt der biologischen Vielfalt zu gewährleisten. Zusammenfassend stellt die erstmalige dokumentierte Sichtung eines lebenden Quastenflossers in Nord-Maluku einen bedeutenden Fortschritt in der marinen Biologie Indiens dar. Sie erweitert nicht nur die geographische Kenntnis dieser Art, sondern verbessert das Verständnis über ihr natürliches Verhalten und ihre Lebensräume.
Gleichzeitig macht sie auf dringende Schutzbedarfe aufmerksam und bietet neue Chancen für ökologische Forschungen und nachhaltige Naturschutzmaßnahmen. Das Engagement von Wissenschaftlern und lokalen Gemeinschaften sowie die Anwendung moderner Tauchtechnologien tragen maßgeblich dazu bei, dass dieses faszinierende „lebende Fossil“ auch für kommende Generationen erhalten bleibt.