Das Bild vom glücklichen jungen Menschen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gewandelt. Während früher eine U-förmige Kurve das Lebensglück beschrieb – mit einem Hoch in der Jugend, einem Tief in der Lebensmitte und einer erneuten Steigerung im Alter – fällt heute vor allem das Glück junger Erwachsener weit niedriger aus als noch vor einigen Jahrzehnten. Die jüngste Forschung der Global Flourishing Study, die mehr als 200.000 Menschen aus über 20 Ländern umfasst, bringt diesen Trend eindrücklich zum Ausdruck und wirft einen differenzierten Blick auf die vielschichtigen Ursachen hinter dem sinkenden Glücksempfinden junger Menschen.Die Global Flourishing Study ist eine Kooperation zwischen Wissenschaftlern der Harvard Universität und der Baylor University und stützt sich auf umfassende Selbstauskünfte der Teilnehmer.
Die Bandbreite der abgefragten Aspekte reicht von physischem und psychischem Wohlbefinden über das persönliche Werteempfinden und Charaktereigenschaften bis hin zur Qualität sozialer Beziehungen, der Sinnhaftigkeit im Leben und finanzieller Sicherheit. Auffallend ist, dass insbesondere Menschen im Alter von 18 bis 29 Jahren in all diesen Bereichen deutlich schlechter abschneiden als ältere Altersgruppen. Diese negative Entwicklung findet sich in vielen Ländern, wobei die Unterschiede in den USA besonders stark ausgeprägt sind.Ein zentraler Befund ist, dass das allgemeine Maß an „Flourishing“ – einem Zustand, in dem alle Lebensbereiche gut funktionieren – bei jungen Erwachsenen vergleichsweise niedrig ist. Dies führt nicht nur zu einem geringeren subjektiven Glücksempfinden, sondern wirkt sich auch negativ auf die mentale Gesundheit und die Lebensqualität insgesamt aus.
Die Implikationen sind weitreichend, denn die Jugend gilt traditionell als Lebensphase mit viel Potenzial, Energie und Zukunftsaussichten. Die Forschung macht deutlich, dass dieses Potenzial durch verschiedene Belastungen gebremst wird.Mehrere Faktoren tragen zu dem Rückgang des Glücks junger Menschen bei. Der zunehmende finanzielle Druck aufgrund steigender Lebenshaltungskosten, precarious employment und belastender Ausbildungssituationen führen zu einer großen Unsicherheit. Finanzieller Stress beeinflusst nicht nur die materielle Lebensqualität, sondern beeinträchtigt auch das Selbstwertgefühl und die Zukunftsperspektiven, was sich wiederum auf die mentale Gesundheit auswirkt.
Zudem fühlen sich viele junge Menschen heute von sozialen Medien und veränderten gesellschaftlichen Erwartungen unter enormem Druck gesetzt. Die ständige Konfrontation mit vermeintlich perfekten Lebensentwürfen anderer kann das eigene Selbstbild negativ beeinflussen und zu Gefühlen von Unzulänglichkeit, Einsamkeit oder Angst führen.Auch die Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen scheint abzunehmen. Während gute soziale Bindungen maßgeblich für das Glücksempfinden sind, berichten viele junge Erwachsene von einer zunehmenden Isolation oder oberflächlichen Kontakten. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend zusätzlich verstärkt, da soziale Distanzierung und Lockdowns bedeutende emotionale und soziale Einschränkungen mit sich brachten.
Viele junge Menschen haben wichtige Entwicklungsschritte und soziale Lernprozesse verpasst oder verschoben, was die Bindungssicherheit und das Gefühl von Gemeinschaft schwächt.Darüber hinaus spielt der Sinn und die Bedeutung im Leben eine wesentliche Rolle für das subjektive Wohlbefinden. Die Studie zeigt, dass viele junge Erwachsene Schwierigkeiten haben, einen stabilen und erfüllenden Sinn in ihrem Leben zu finden. Dies kann auf Unsicherheiten bezüglich der eigenen Zukunft, die hohen Anforderungen des Bildungssystems oder auf die gesellschaftlichen Umbrüche zurückgeführt werden. Das Gefühl, trotz harter Anstrengungen wenig Kontrolle oder Einfluss auf das eigene Leben zu haben, führt zu Resignation und reduziertem Lebensglück.
Die Schlafqualität, physische Gesundheit und der Zugang zu ausreichender Bewegung sind weitere Faktoren, die sich negativ auswirken. Ein gestörter Schlafrhythmus, schlechte Ernährung und Bewegungsmangel können körperliche und psychische Beschwerden verstärken – und damit die gesamte Lebensqualität schwächen. Viele junge Menschen klagen heute über Stress, Erschöpfung und Burnout-Symptome, was die komplexen Herausforderungen verdeutlicht, mit denen sie konfrontiert sind.Die Frage, die sich aus den Ergebnissen der Global Flourishing Study stellt, lautet vielfach: Investieren Gesellschaft, Politik und Bildungssystem genügend in die Förderung der Lebensqualität junger Menschen? Das klare Signal der Studie ist ein Aufruf zum Handeln. Um Jugendliche und junge Erwachsene wieder auf einen glücklicheren Pfad zu bringen, sind umfassende Maßnahmen nötig.
Dies beginnt bei der Schaffung von mehr finanzieller Sicherheit, beispielsweise durch faire Arbeitsbedingungen und bezahlbaren Wohnraum, und reicht bis hin zu einer Förderung der mentalen Gesundheit durch niedrigschwellige Unterstützungsangebote und Entstigmatisierung psychischer Krankheiten.Weiterhin müssen Bildungsinstitutionen stärker darauf achten, dass junge Menschen nicht nur fachlich, sondern auch sozial und emotional gestärkt werden. Lebenskompetenzen wie Resilienz, Stressmanagement und der Umgang mit sozialen Medien sollten fester Bestandteil der schulischen wie außerschulischen Bildung sein. Gleichzeitig gilt es, den sozialen Zusammenhalt zu stärken und Raum für echte Begegnungen jenseits der digitalen Welt zu schaffen.Nicht zuletzt liegt es auch an der Gesellschaft insgesamt, den Wert von Jugend neu zu definieren und jungen Menschen mehr Möglichkeiten zu geben, ihre Talente zu entfalten und Selbstwirksamkeit zu erleben.
Es bedarf einer Kultur, die Fehler und das Auf und Ab des Lebens akzeptiert und nicht allein Leistung, Erfolg oder perfektes Äußeres in den Mittelpunkt stellt.Die Studie aus Harvard und Baylor ist ein Weckruf, der nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Entscheidungsträger und die Gesellschaft insgesamt betrifft. Die Gesundheit und das Glück der nachfolgenden Generation sind kein Selbstläufer. Sie müssen bewusst gefördert und geschützt werden, wenn wir eine lebenswerte Zukunft gestalten wollen. Junge Menschen sind nicht nur die Erwachsenen von morgen, sondern wichtige Akteure für nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung – ihr Wohlbefinden sollte daher höchste Priorität genießen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass junge Menschen heute vielfältigen Belastungen ausgesetzt sind, die ihr Glücksempfinden und ihre Lebensqualität deutlich beeinträchtigen. Die Global Flourishing Study liefert wichtige Daten, die uns zeigen, wo der Schuh drückt und wie dringend sich unser Umgang mit Jugend ändern muss. Nur durch gezielte Unterstützung, mehr Verständnis und eine ganzheitliche Förderung können junge Menschen wieder aufblühen und ihr volles Potenzial entfalten. Eine Gesellschaft, die ihre Jugend ernst nimmt und unterstützt, investiert in eine bessere, lebenswertere Zukunft für alle.