In der Welt der Linux-Distributionen gewinnt das Konzept der Atomic Systeme zunehmend an Bedeutung. Atomic Desktops zeichnen sich besonders durch ihre Stabilität, Sicherheit und einfache Wartbarkeit aus. Das Tool bootc ermöglicht es Nutzern, solche Atomic Desktops individuell anzupassen und eigenständig auf Basis von Containertechnologien eigene Betriebssystem-Images zu erstellen. Dabei entsteht eine robuste, unveränderbare Basis, auf der Anwender flexibel die gewünschten Pakete und Konfigurationen definieren können. Der Weg zum eigenen Atomic Desktop dank bootc bietet eine spannende Alternative zu herkömmlichen, meist stark vorgefertigten Distributionen und richtet sich an technisch versierte Nutzer, die volle Kontrolle über ihr System haben wollen.
Die folgenden Ausführungen erklären die wesentlichen Aspekte und zeigen, wie die Erstellung gelingt und welche Best Practices existieren. Die Motivation hinter Atomic Desktops liegt vor allem in der verbesserten Systemsicherheit und Stabilität. Updates werden als atomare Transaktionen ausgeliefert, sodass bei Problemen eine sofortige Rückkehr zum letzten funktionierenden Zustand möglich ist. Das Einfrieren wesentlicher Systemverzeichnisse, insbesondere der gesamten /usr-Struktur als schreibgeschütztes Dateisystem, vermeidet Fehlkonfigurationen und unbeabsichtigte Veränderungen. Bootc baut dabei auf Container-Images auf, die dem Open Container Initiative-Standard entsprechen, und integriert sie als vollwertiges Betriebssystem.
Durch diese Herangehensweise ist eine effiziente und reproduzierbare Verwaltung der Systemsoftware deutlich einfacher als bei klassischen Paketmanagementsystemen. Die modulare Struktur von bootc umfasst dabei die Trennung zwischen dem unveränderlichen Systemkern und dem editierbaren Konfigurationsverzeichnis /etc. Änderungen im Container-Image werden automatisch auf die Zielmaschine übertragen. Geschieht eine lokale Änderung in /etc, erkennt bootc dies als Drift, was einerseits Flexibilität bietet, jedoch auch Herausforderungen im Update-Management mit sich bringt. Für die Benutzerverwaltung empfiehlt sich die Nutzung von systemd-homed.
Diese Technologie ermöglicht verschlüsselte Home-Verzeichnisse in LUKS-Containern, was gerade für Atomic Systeme mit schreibgeschützten Systembereichen eine sinnvolle Sicherheitsmaßnahme ist. Die Nutzeranlage erfolgt über sogenannte Identitätsdateien, welche systemd-homed im Container bereitstellt und bei Erststart automatisch einrichtet. Allerdings weist das System Einschränkungen auf: So gestaltet sich die Integration von systemd-homed aktuell noch etwas sperrig, besonders im Zusammenspiel mit Desktop-Umgebungen wie KDE Plasma. Auch der SSH-Zugriff auf home-Verzeichnisse erfordert manuelles Aktivieren der Anwender mit homectl. Für Anwender, die auf der Suche nach einer bekannten Desktop-Umgebung sind, empfiehlt es sich, als Basis ein Fedora bootc-Image zu verwenden und dieses mit KDE anzureichern.
Ein Beispiel dafür bietet das Projekt „kde-bootc“, das einen Container mit vorinstalliertem KDE Plasma auf Basis von Fedora bootc bereitstellt und als solide Grundlage für eigene Anpassungen dienen kann. Die Erstellung eines eigenen Atomic Desktops beginnt mit der Auswahl eines geeigneten Basisimages, etwa vom Container-Repository quay.io/fedora/fedora-bootc. Im Containerfile lässt sich dann das System Schritt für Schritt anpassen. Wichtig ist es, das Dateisystem und Verzeichnisse wie /opt richtig zu verlinken, da diese sonst schreibgeschützt sind und spätere Installationen erschweren würden.
Die Installation von Paketen erfolgt über den Paketmanager DNF, der in bootc auf DNF5 basiert. Hierbei bietet es sich an, zusätzliche Pakete und zu entfernende Programme in separaten Textdateien zu dokumentieren. Dadurch bleibt nachvollziehbar, welche Software individuell hinzugefügt oder entfernt wurde. Das Löschen nicht benötigter Pakete ist vor allem in Atomic Setups ratsam, da manche Dienste oder Anwendungen nicht reibungslos mit der unveränderlichen Systemarchitektur harmonieren. Firewall- und Netzwerkeinstellungen lassen sich ebenfalls aus dem Container heraus definieren.
Um beispielsweise KDE Connect nutzen zu können, sollte in der Firewall das entsprechende Service freigegeben werden. Die Integration von Drittanbieter-Repositories wie Tailscale gelingt über DNF-Plugins. Die Konfiguration der Systemdienste erfolgt über systemd-Einheiten. Im beschriebenen Setup steuert ein „firstboot-setup“-Dienst die Initialisierung des Systems, darunter die Benutzeranlage, Hostnamenvergabe und Firewall-Regeln. Zudem gibt es einen Timer, der tägliche Updates über bootc.
Fetch durchführt und für ein sicheres System sorgt, ohne dass Anwender manuell eingreifen müssen. Ein wichtiger Teil des Aufbaus ist die Erstellung eines ISO-Images, mit dem sich der individuell zusammengestellte Atomic Desktop dann auf weitere Rechner installieren lässt. Hierzu wird das Entwicklerwerkzeug bootc-image-builder genutzt, welches Containerimages in bootfähige Installationsmedien transformiert. Nach der Installation sind noch besondere Schritte notwendig, unter anderem das Wiederherstellen des SELinux-Kontexts für die systemd-homed Home-Verzeichnisse. Ohne diese Maßnahme sind Anmeldungen unter dem neuen Benutzerkonto meist nicht möglich.
Ebenso empfiehlt es sich, unmittelbar nach der Installation sowohl das Root- als auch das Admin-Passwort zu ändern und bei Bedarf zusätzliche Authentifizierungsmechanismen wie etwa Fingerabdruckscanner per fprintd manuell einzurichten. Trotz der Vorteile des Atomic Designs gibt es auch Herausforderungen im Alltag. Besonders die Verwaltung von Konfigurationsdateien im /etc-Verzeichnis kann kompliziert sein, da lokale Änderungen hier zu einem sogenannten „Drift“ führen. Dabei startet das System zwar normal, neue Container-Updates erhalten aber keine Auswirkung mehr auf die entsprechenden Dateien. Für einige Konfigurationsdateien ist es möglich, den ursprünglichen Stand aus dem Container zurückzusetzen, wobei dies manuell durchgeführt werden muss.
Mit dem Heranwachsen von bootc als Technologie verbessern sich stetig auch die Möglichkeiten zur Paketverwaltung. Methoden wie das Auflegen von zusätzlichen Paketschichten via rpm-ostree sind zwar kompatibel, führen aber zu einem Verlust der Update-Kompatibilität mit bootc selbst. Anwender müssen daher abwägen, ob sie lieber auf reine Container-Images setzen oder hybride Modelle verwenden wollen. In der Community werden vielfältige Strategien diskutiert, vor allem weil das Thema Benutzer- und Gruppenverwaltung bei unveränderlichen Systemen komplex bleibt. Manche Nutzer bevorzugen die einfache Nutzeranlage im Container-Image selbst, andere favorisieren separate Skripte, welche im ersten Systemstart ausgeführt werden.
Trotz der technischen Herausforderungen ist bootc ein vielversprechender Ansatz, um moderne, atomare und hochsichere Linux-Systeme selbst zusammenzustellen und den Desktop auf die eigenen Wünsche abzustimmen. Für Entwickler und Linux-Enthusiasten eröffnet sich so die Möglichkeit, stets aktuelle und dennoch robuste Desktops individuell anzupassen, ohne auf die Stabilität und Sicherheit traditioneller Distributionen verzichten zu müssen. Wer sich tiefer in die Materie einarbeiten möchte, findet umfangreiche Dokumentationen und Beispielprojekte auf GitHub und GitLab, die den Einstieg erleichtern und mit praxisnahen Anleitungen unterstützen. Zusammengefasst zeigt die Erstellung eines eigenen Atomic Desktops mit bootc, dass moderne Containertechnologie in Kombination mit innovativen Linux-Komponenten den Weg zu einem neuen Desktop-Erlebnis ebnet. Dabei werden Sicherheit, Stabilität und Flexibilität miteinander verbunden und erlauben maßgeschneiderte Systeme, die den Anforderungen heutiger Anwender perfekt gerecht werden.
Die Zukunft der Linux-Desktopwelt scheint damit atomar, modular und individuell gestaltet zu sein – mit bootc als Schlüsseltechnologie für die nächste Generation innovativer Betriebssysteme.