In der heutigen Arbeitswelt entscheiden oft mehr Faktoren über den Erfolg eines Unternehmens als nur die Fachkompetenz der Mitarbeiter. Dennoch zeigt eine aktuelle Untersuchung, dass das persönliche Verhältnis zwischen Bewerbern und Entscheidungsträgern einen erheblichen Einfluss auf die Einstellungschancen hat. Dieses Phänomen – das auf Sympathie basierende Einstellen – birgt jedoch eine Reihe von Risiken, die weitreichende Auswirkungen auf die Unternehmenskultur, die Mitarbeiterzufriedenheit und die Effizienz der Organisation haben können. Der Trend, dass Manager Bewerber verstärkt anhand ihrer persönlichen Eigenschaften und der gefühlten „Chemie“ beurteilen, ist nicht neu, doch aktuelle Daten verdeutlichen die Dimension dieses Problems. Eine Studie von Textio, einer HR-Software-Firma, analysierte über 10.
000 Interviewbewertungen von knapp 4.000 Kandidaten und stellte fest, dass diejenigen, die eingestellt wurden, zwölffach häufiger als „mit toller Persönlichkeit“ beschrieben wurden. Ebenso war die Beschreibung „freundlich“ fünfmal und „mit viel Energie“ viermal häufiger bei erfolgreichen Kandidaten zu finden. Dies zeigt deutlich, dass persönliche Sympathie oft wichtiger ist als objektive Kriterien wie Fähigkeiten, Erfahrungen oder spezifische Qualifikationen. Die Auswirkungen lässiger Einstellungspraktiken mit Fokus auf Persönlichkeit sind tiefgreifend.
Arbeitsplätze, die Mitarbeiter primär nach Sympathie auswählen, laufen Gefahr, Fachkompetenz zugunsten zwischenmenschlicher Gefälligkeiten zu vernachlässigen. Dies führt dazu, dass Teams möglicherweise weniger effektiv zusammenarbeiten, da notwendige fachliche Kompetenzen fehlen oder unzureichend sind. Gleichzeitig leidet die Performance des gesamten Unternehmens, wenn Positionen nicht von den fachlich geeigneten Kandidaten besetzt werden. Ein weiteres Problem ist die Qualität des Feedbacks, das neue Mitarbeiter erhalten. Die Studie zeigt, dass Mitarbeiter, die vor allem wegen ihrer Persönlichkeit eingestellt wurden, häufig nur vage und wenig hilfreiche Rückmeldungen zu ihrer Leistung bekommen.
Anstelle konkreter Entwicklungshinweise erhalten sie positive, aber wenig aussagekräftige Kommentare. Dies kann bei ambitionierten Fachkräften zu Frustration führen, da sie keinen klaren Weg zur persönlichen oder beruflichen Weiterentwicklung erkennen. Die Folge ist häufig eine höhere Fluktuation, da sich Mitarbeiter ohne Perspektiven nach neuen Herausforderungen umsehen. Darüber hinaus offenbart die Analyse eine geschlechtsspezifische Verzerrung bei der Wahrnehmung von Bewerbern. Erfolgreiche männliche Kandidaten werden häufiger als „nüchtern“ und „selbstbewusst“ beschrieben, während Frauen häufiger mit Begriffen wie „lebhaft“ oder „sympathisch“ bezeichnet werden.
Diese Unterschiede in der Bewertung können Diskriminierung und unbewusste Vorurteile fördern, die es erschweren, Gleichbehandlung und objektive Leistungsbeurteilung sicherzustellen. Die Konsequenzen solcher Verzerrungen sind nicht nur ethischer Natur, sondern können auch die Vielfalt und Innovationskraft eines Unternehmens beeinträchtigen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sollten Unternehmen ihre Einstellungsprozesse sorgfältig überprüfen und anpassen. Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Definition klarer, objektiver Kriterien in den Stellenbeschreibungen. Die Dokumentation von drei bis vier essenziellen Fach- und Sozialkompetenzen für jede Position schafft eine verlässliche Grundlage, auf der Bewerber bewertet und verglichen werden können.
Eine solche transparente Struktur minimiert die Gefahr, dass Einstellungen auf persönlichen Vorlieben anstatt auf beruflicher Eignung beruhen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Personalabteilungen und Führungskräfte geschult werden, um bewusster mit ihren unbewussten Vorurteilen umzugehen. Sensibilisierungstrainings helfen, blinde Flecken zu erkennen, insbesondere bei der Bewertung von Geschlechterrollen oder typischen Persönlichkeitseigenschaften. Ziel muss es sein, Bewerber neutral und fair zu beurteilen, sodass diejenigen ausgewählt werden, die tatsächlich die Anforderungen der Stelle am besten erfüllen. Ein systematisches Feedbacksystem, das klare und konstruktive Rückmeldungen zu Leistung und Entwicklungspotenzial bietet, ist ebenfalls entscheidend.
So kann die Motivation der neuen Mitarbeiter gefördert und ihre Bindung an das Unternehmen gestärkt werden. Ebenso ermöglicht eine solche Kultur des offenen Austauschs den Führungskräften, Talente gezielter zu fördern und langfristig zu binden. Nicht zuletzt sollten Unternehmen die Bedeutung der Unternehmenskultur in den Einstellungsprozess integrieren, ohne Persönlichkeitsmerkmale überzubewerten. Es geht darum, Mitarbeiter zu finden, deren Werte und Arbeitsweise zur Organisation passen, nicht aber darum, Sympathie als Hauptkriterium zu verwenden. Eine gesunde Unternehmenskultur entsteht durch Diversität, gegenseitigen Respekt und klare Kompetenzen, nicht durch persönliche Vorlieben oder emotionale Nähe.