In der Technologiebranche gibt es einen unsichtbaren Schädling, der in fast jedem Unternehmen sein Unwesen treibt. Er ist nicht laut, nicht besonders klug, aber eben immer präsent. Dieser Schädling wird von manchen liebevoll – oder vielleicht auch eher frustriert – als „Mockroach“ bezeichnet, ein Kofferwort aus „Mock“ (Vortäuschen) und „Cockroach“ (Kakerlake). Wie eine Kakerlake überlebt er fast jede Krise und taucht immer wieder auf, vor allem an Orten, an denen Leistung eigentlich im Vordergrund stehen sollte. Doch wer ist dieser Mockroach eigentlich, warum prosperiert er und wie kann man ihn erkennen und bekämpfen? Der Mockroach ist keine einzelne Person, sondern eher ein Archetyp – eine Haltung oder ein Verhaltensmuster, das sich in vielen Gesichtern zeigt.
Er kann der Chef sein, der immer präsent, aber nie wirklich greifbar ist. Ein Senior-Entwickler, der seit Jahren keinen Code mehr geschrieben hat, aber weiterhin über die Schulter schaut und sich für unersetzlich hält. Oder jener Teamkollege, der in Slack-Chats genervt mit einem Daumen-hoch-Emoji auf jede Nachricht reagiert und sich dann aus dem Staub macht. Der Mockroach tut so, als würde er mitarbeiten, aber in Wahrheit trägt er nichts Substanzielles zum Fortschritt des Teams bei. Die Realität der Zusammenarbeit mit einem Mockroach ist frustrierend.
Während andere Mitarbeiter schwer daran arbeiten, neue Features zu entwickeln, Bugs zu beheben oder Prozesse zu optimieren, beschränkt sich der Mockroach auf minimale Beteiligung. Er hinterlässt vielleicht einmal einen Kommentar in Jira, der ungefähr so aussagekräftig ist wie „Looks good to me“, und ist dann zufrieden. Seine minimalistische Arbeitsweise täuscht oft darüber hinweg, dass er in Wahrheit keine echten Beiträge leistet. Doch trotz seiner Passivität und Wissenslücken steigt er häufig weiter im Unternehmen auf – was das System leider begünstigt statt bestraft. Auf den Meetings ist der Mockroach fast nie präsent.
Er lauscht schweigend, nickt gelegentlich, aber seine Beiträge bringen selten neuen Wert. Etwa fünf Minuten vor Ende wiederholt er, was andere gesagt haben und nickt zustimmend. Dieses Verhalten wird in manchen Teams sogar gelobt, weil es den Eindruck erweckt, als könne er komplexe Vorgänge zusammenfassen und kommunizieren – dabei ist es meist nur Oberflächlichkeit. Überraschend ist, dass viele Kollegen und Führungskräfte darauf hereinfallen und den Mockroach für mehr halten als er ist. Während engagierte Mitarbeitende nachts an Produktionsproblemen arbeiten und Überstunden leisten, um Deadlines einzuhalten, verlässt der Mockroach pünktlich das Büro oder loggt sich einfach aus.
Am nächsten Morgen erscheint seine motivierende Nachricht im Launch-Thread: „Great job, team.“ Daraufhin erntet er Lob und wird scheinbar für seine vermeintliche „Unterstützung“ anerkannt. Dieses Ungleichgewicht führt bei den leistungsstarken Mitarbeitern zu Frustration, Erschöpfung und oft auch Burnout. Ein großes Problem ist, dass der Mockroach selbst an die Bedeutung seiner Rolle glaubt. Ohne tieferes Verständnis oder echte Kompetenz hält er sich für eine Führungspersönlichkeit, die Meetings besetzt, Buzzwords streut und auf innere Werte oder Visionen verweist, die keiner wirklich zu ergründen versucht.
Seine Selbsttäuschung wirkt ansteckend und infiziert das gesamte Umfeld. Wer jeden Tag das gleiche Spiel mitmacht, der droht selbst, langsam zum Mockroach zu werden. Die Betriebsblindheit setzt ein, die eigenen hohen Standards verblassen, und schließlich gibt man sich mit halben Lösungen zufrieden. Die Kultur, die den Mockroach hervorbringt, ist toxisch. Es ist eine Arbeitswelt, die oft mehr auf Schein als auf Sein setzt, in der die „Performanz“ wichtiger ist als der tatsächliche Output.
Meetings werden nicht abgehalten, um Entscheidungen voranzutreiben, sondern um Beschäftigung vorzutäuschen. Buzzwords und Managementjargon ersetzen echte Problemlösungen. In einem solchen Umfeld überleben Mockroaches – und gedeihen sogar. Je mehr man so tut, als wäre alles in Ordnung, desto sicherer fühlt sich der Mockroach. Was kann man also gegen den Mockroach tun? Zunächst einmal ist es wichtig, ihn überhaupt erkennen zu lernen.
Die Anzeichen sind subtil: geringe Teilnahme an produktiver Arbeit, mangelndes technisches Verständnis, häufige Floskeln ohne Inhalt, das Vermeiden von Verantwortung und der Drang, immer auf der „richtigen Seite“ der Projekte zu stehen, ohne viel dazu beizutragen. Die Wahrheit offen anzusprechen ist oft riskant – Konfrontationen mit einem Mockroach können Spannungen erzeugen. Doch offener Dialog in Team und Management ist der erste Schritt zu besseren Strukturen. Langfristig ist entscheidend, dass Unternehmen ihre Kultur ändern. Man muss Leistung wirklich anerkennen und fördern, nicht nur in Worten, sondern in Taten.
Klare Verantwortlichkeiten, messbare Ziele und transparente Bewertungen helfen dabei, falsche Wohlfühloasen zu vermeiden. Gleichzeitig sollten Vorgesetzte genau hinsehen, wer nur mitspielt und wer wirklich mitwirkt. Ein Umfeld, das Offenheit für Kritik bietet und Mitarbeiter ermutigt, echte Probleme anzusprechen, macht es schwieriger für Mockroaches, sich zu verstecken. Für Einzelne gibt es Wege, sich selbst vor der Verwandlung zum Mockroach zu schützen. Reflektiere regelmäßig dein eigenes Verhalten, deine Motivation und deinen Beitrag.
Sei ehrlich zu dir selbst, ob du wirklich einen Unterschied machst oder nur noch mitmachst. Suche dir Verbündete, die dich anspornen statt ausbremsen. Und wenn das Umfeld toxisch bleibt und keine echte Veränderung in Sicht ist, dann ist der mutige Schritt, das Unternehmen zu verlassen oder auf neue Weise Karriere zu machen, oft die beste Lösung. Der Begriff „Mockroach“ mag auf den ersten Blick witzig sein, doch dahinter steckt eine ernsthafte Herausforderung unserer Arbeitswelt. Stagnation, vorgetäuschte Produktivität und das Belohnen von Schein statt Sein schwächen Unternehmen nachhaltig.
Sie blockieren Innovation und demotivieren Talente. Die Tech-Branche hat genau wie andere Sektoren ein Interesse daran, diese versteckte Krankheit zu adressieren und abzuschaffen. Denn in einer Zeit, in der ständige Veränderung und echte Leistung über Erfolg entscheiden, ist kein Platz für den Mockroach. Dieser Schädling ist überall – im Zoom-Meeting, im Slack-Channel, auf der Firmenparty. Er ist eine Warnung und zugleich eine Mahnung: Seid wachsam, seid ehrlich, widersetzt euch dem Strom der Oberflächlichkeit.
Nutzt eure Energie, eure Klugheit und euren Mut, um wirklich etwas zu bewegen. Nur so verhindern wir, dass der Mockroach die Arbeitswelt übernimmt und zerfrisst. Die Zukunft gehört denjenigen, die mehr sind als nur ein Daumen-hoch-Emoji am Ende eines Threads.