Die Große Depression wird gemeinhin als eine der tiefgreifendsten Wirtschaftskrisen des 20. Jahrhunderts betrachtet, die weltweit zu massiver Arbeitslosigkeit, Armut und wirtschaftlichem Stillstand führte. Ein zentraler Streitpunkt unter Historikern und Ökonomen ist die Rolle des Smoot-Hawley-Tarifs, eines 1930 vom US-Kongress verabschiedeten Gesetzes, das die Zölle auf zahlreiche Importe deutlich erhöhte. Häufig wird behauptet, dass dieses Gesetz die wirtschaftliche Krise verschärft und den globalen Handel zum Erliegen gebracht habe. Doch eine Vielzahl von Belegen und Expertenmeinungen legen nahe, dass das Verständnis der Ursachen der Großen Depression komplexer ist und Smoot-Hawley nicht allein verantwortlich gemacht werden kann.
Zunächst ist es wichtig, die wirtschaftlichen Entwicklungen der 1920er Jahre zu betrachten. Die Deflationsphase, die bereits kurz nach dem Ersten Weltkrieg begann, war geprägt von fallenden Preisen, insbesondere in der Landwirtschaft. Diese deflationäre Dynamik führte zu einem Schneeballeffekt, der nicht nur die Landwirtschaft, sondern später auch den Immobilienmarkt und andere Wirtschaftssektoren erfasste. Beispielsweise entstand in Florida eine spekulative Immobilienblase, die aufgrund fortschreitender technischer Innovationen in Luftfahrt und Transport zunächst befeuert, aber schließlich zerstört wurde. Technologische Fortschritte spielten in dieser Zeit eine bedeutende Rolle.
Die Elektrifizierung der Industrie und automatisierte Produktionsverfahren erhöhten die Produktivität enorm. Dies führte dazu, dass amerikanische Fabriken zu schnell und zu effizient produzierten, was wiederum ein Überangebot an Waren weltweit schuf. Zugleich sorgten zunehmende Importe billiger Güter und Nahrungsmittel für zusätzlichen Druck auf heimische Märkte. Unter diesen Umständen entstanden Überkapazitäten, die zu fallenden Preisen und sinkender Nachfrage führten, was Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Unsicherheiten verstärkte. Der Smoot-Hawley-Tarif wurde als politische Reaktion auf die landwirtschaftliche Krise verabschiedet.
Viele Politiker und Interessengruppen sahen darin eine Möglichkeit, die einheimische Landwirtschaft und Industrie vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Der Gesetzestext erhöhte die Zölle auf etwa 35 Prozent der importierten Waren um durchschnittlich 10 Prozent, während der Großteil der Importe zollfrei blieb. Dennoch wird dieser Schutzmechanismus in der historischen Betrachtung häufig als schädlich dargestellt. Einige Wissenschaftler, darunter der Ökonom Bernard Beaudreau, argumentieren jedoch, dass der Smoot-Hawley-Tarif eher eine Fortsetzung der seit Jahrzehnten bestehenden amerikanischen Handelspolitik ist und nicht der primäre Auslöser der Wirtschaftskrise. Bereits die Fordney-McCumber-Tarifgesetzgebung von 1922 hatte einen starken protektionistischen Charakter.
Die Ursache für die deflationären Tendenzen lag vielmehr in strukturellen Veränderungen der Wirtschaft, die durch Innovationen, Technologieschübe und eine Überproduktion geprägt war. Neben diesen Aspekten spielte die globale Situation nach dem Ersten Weltkrieg eine Rolle. Der Krieg hatte enorme wirtschaftliche Schäden verursacht, und viele Länder mussten mit zerstörter Infrastruktur, hohen Kriegsschulden und Anpassungsproblemen im Handel zurechtkommen. Die mangelnde Kaufkraft und das fehlende Gleichgewicht zwischen Produktion und Konsum führten zu weltweiten wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die weit über die Wirkung einzelner Handelsbarrieren hinausgingen. Zudem hat sich gezeigt, dass die Politik der 1930er Jahre unter Präsident Franklin D.
Roosevelt mit ihrer Währungsdevaluation und dem Festhalten an bestehenden hohen Zöllen einen erheblichen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Depression hatte. Die Entwertung des Dollars erhöhte effektiv die Kosten für Importe und wirkte sich somit wie eine versteckte Erhöhung der Handelsbarrieren aus. Laut Herbert Hoover, Roosevelts Vorgänger, war die Devaluation sogar wirkungsvoller als der Smoot-Hawley-Tarif selbst. Diese Maßnahmen trugen sowohl zu einer Verschlechterung des Welthandels als auch zur Verschärfung der wirtschaftlichen Lage in den USA bei. Die Auseinandersetzung um die Verantwortung des Smoot-Hawley-Tarifs für die Große Depression ist daher auch eine Frage der Interpretation von Wirtschafts- und Politikgeschichte.
Während in Schulbüchern oft ein vereinfachtes Bild gezeichnet wird, das den Tarif umfassend für die Krise verantwortlich macht, eröffnen moderne Forschungsergebnisse eine differenziertere Sicht. Fakt ist, dass protektionistische Maßnahmen in den USA und weltweit seit dem 19. Jahrhundert immer wieder als Reaktion auf wirtschaftliche Herausforderungen genutzt wurden, ohne dass sie alleinige Ursachen großer Krisen darstellten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam es in den USA zu einem grundlegenden Wandel in der Handelspolitik. Der Wiederaufbau Europas und Asiens, der unter amerikanischer Führung stand, ging einher mit einer Öffnung der Märkte und dem Abbau von Zöllen.
Das führte zu einem langanhaltenden Wirtschaftsboom und einer starken Globalisierung, welche die wirtschaftliche Verflechtung förderte und so zu Wohlstand auf breiter Basis beitrug. Erst im 21. Jahrhundert, insbesondere seit der Wahl von Präsident Donald Trump 2024, ist eine stärkere Neigung zum Protektionismus und zu wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen zu beobachten. Die Anwendung von Zollandrohungen gilt dabei als strategisches Mittel, um Handelsdefizite auszugleichen und faire Handelsbedingungen zu erzwingen. Interessanterweise ähnelt das Vorgehen von Präsident Trump in gewisser Weise der politischen Haltung früherer Jahrzehnte, als protektionistische Maßnahmen als Schutz der heimischen Arbeitsplätze und Industrien verstanden wurden.
Die Debatte dreht sich dabei weniger um den kategorischen Schutzismus, sondern vielmehr um die Balance von Offenem Handel und nationalen Interessen. Abschließend kann festgehalten werden, dass der Smoot-Hawley-Tarif zwar nicht unbeachtet bleiben sollte, aber die Ursache der Großen Depression wesentlich tiefer liegt. Technologie, wirtschaftliche Überproduktion, globale Nachkriegssituation und politische Entscheidungen nach der Krise spielten ebenso eine zentrale Rolle. Das Verständnis dieser vielschichtigen Zusammenhänge ist essenziell, um Lehren für gegenwärtige und zukünftige ökonomische Herausforderungen ziehen zu können und nicht in vereinfachte Schuldzuweisungen zu verfallen.